Je mehr und länger ich darüber nachdenke, je öfter ich davon erzähle, um so sicherer bin ich mir nun: “Du hast es gewußt.”. Sicher kein Datum. Aber, dass Du nicht mehr viel Zeit bei und mit uns hast.
Hat Dir ein Arzt im Mai 2014 bereits gesagt, dass Dein Herz nur noch 45 % Leistung bringt? Oder die Hausärztin danach? Du wolltest auf jeden Fall nicht mehr zu ihr gehen. Zu groß war anscheinend die Gefahr, dass sie dich wieder ins Krankenhaus schickt. Das war etwas, was Du auf keinen Fall wolltest. Du wolltest hier bei uns sein.
Wie viel Kraft muss Dich dieses Wissen gekostet haben? Wie viel Stärke? Du hast nichts gesagt. Klar, Du kanntest mich zu gut. Wußtest, dass ich den Gedanken, Dich zu verlieren, nicht ertragen könnte und alles versuchen ließe, was ginge. Wir hätten keine ruhige Minute mehr gehabt. Du vor allem. Und daher war es vollkommen richtig, was Du gemacht hast. Verlieren mußte ich Dich so oder so. Dann lieber nach Deinen Wünschen. Wenigstens dieser eine Letzte wurde Dir erfüllt. Du hattest ihn mehr als Jeder sonst verdient.
Weißt Du, wenn ich an unseren letzten gemeinsamen Wochen denke, dann muß ich unweigerlich freudestrahlend lächeln. Du hast da mächtig an mir rumgebaggert. War ein eigenartiges Gefühl, dass der eigene Mann einen anflirtet aufs Äußerste. Und wunderschön. Was Du mir da alles ins Ohr geflüstert hast, da werd ich jetzt noch rot. Wir haben sowieso nach Möglichkeit jede freie Minute verbracht und uns geküsst. Aber Du warst so… besonders und hast mich zu etwas Besonderem für Dich werden lassen.
Da ist auch noch ein anderes Bild in mir: Weihnachten hast Du irgendwann in einem Sessel gesessen und einfach nur still vor Dich hin lächelnd die Familie beobachtet. Und Dich mit meinem kleinen Neffen unterhalten. Weißt Du, er hat neulich nach dir gefragt. Ich wußte nicht, was ich ihm sagen soll. Er hat Dich total in sein kleines Herz aufgenommen. Sicher, weil er gespürt hat, dass auch du ihn liebst. Die kleine Quasselstrippe.
Auf der Heimfahrt mußtest Du eine Pause machen. Ich dachte, es ist, weil Du müde geworden bist. In der letzten Zeit ging das sehr schnell damit. Du hast noch überlegt, dass ja nur noch eine halbe stunde Fahrtzeit vor Dir liegt. Aber es war Dir zu riskant. Und Du warst glücklich, als Du Deine Familie heil nach Hause gebracht hast. Den Abend habe ich dem noch nicht viel Beachtung geschenkt. Doch nun so im Nachschauen…
Wie viel hast Du gewußt? Was geahnt? Was mir verschwiegen?
Ich würde mal sagen, dass war das Einzige Wichtige, was Du mir jemals nicht mitgeteilt hast. Und ich kann Dir nicht beschreiben, was ich dafür für Dich empfinde. Wie stolz ich auf Dich bin. Du hast nicht nur dieses Wissen getragen, sondern es uns erspart. Ja – ich würde es sicher genauso machen. Da hast Du recht… wir hätten das gegenseitig versucht abzunehmen. Doch diesmal warst Du der so viel Stärkere…
