Heute mal zum Thema “Leben” und Bewusstsein im weitesten Sinne. Sehr untypisch – aber gerade sehr aktuell: Die Koalitionsverhandlungen unserer zukünftigen “Regierung” ziehen sich hin und man hat schon fast vergessen, dass man vor ein paar Wochen tatsächlich sein Recht auf demokratische Mitbestimmung genutzt hat (oder eben nicht) und ich kenne eigentlich niemanden, der zufrieden ist, mit dem Ergebnis dieser Bundestagswahl und den nun offenbar unvermeidlichen Folgen. Ohnehin ist festzustellen, dass die Parteien sich in ihren Programmen auch ohne große Koalition immer ähnlicher und austauschbarer werden. Kein Wunder also, dass Sätze wie “Die machen doch eh was sie wollen” und ähnliche lauter werden und so mancher sich fragt, warum er überhaupt wählen gegangen ist.
Ist das Ganze ein abgekartetes Spiel und wir werden nur verarscht? Bist Du als Mensch, als Bürger, eh nur dem ausgeliefert, was “die da oben” sich so ausdenken? Liegt die wahre Macht nicht ohnehin bei den multinationalen Konzernen? Ist Politik nicht eigentlich sowieso nur Marionettentheater für’s Volk? Haben wir überhaupt einen Einfluss? Soll man überhaupt noch wählen gehen?
Ich gehe jeden Tag wählen. Und das geht so:
Geld ist Macht – das ist allgemein bekannt. Wer am meisten Geld hat, hat am meisten Macht. Nun habe ich nicht besonders viel Geld und Macht – aber mein Geld ist meine Stimme. Ich kann jeden Tag entscheiden, wem ich mein Geld gebe. Mit dem Geld, dass ich von meinen Klienten, meinen Verlagen (und damit von meinen Lesern) und meinen andern Arbeitgebern bekomme, bin ich verpflichtet, einen Beitrag zum “System” zu leisten: Geld für Straßen, Beleuchtung, Polizei, Politik, Bildund und so weiter in Form von Steuern. Dazu kann ich nur alle paar Jahre mal in Form eines (oder mehrerer) Kreuzchen etwas aussagen. Mit dem Rest allerdings kann ich im Großen und Ganzen machen, was ich will. Ich habe das Glück, in einer Marktwirktschaft zu leben – so konkurrieren verschiedene Konzepte in allen Lebensbereichen täglich um meine Gunst – und damit natürlich auch um mein Geld. Das Geld, das ich ausgebe, dient dazu, die Vetreter dieser Konzepte zu unterstützen. Gehe ich zum Beispiel Lebensmittel einkaufen, dann werden von dem Geld, dass ich im Laden lasse, zunächst die Mieten und Gehälter der Mitarbeiter des Ladens bezahlt. Dann will der Laden ja nochwas verdienen und die höheren Angstellten wollen schöne Autos fahren und Golf spielen gehen… Dann zahle ich für die “Marke”, die ich kaufe – ich bezahle quasi mit meinem Geld die Werbung, die mir das Produkt vorher überhaupt erst bekannt gemacht hat. Und auch bei den Hersterllern dieses Produkts gibt’s ne Menge Mitarbeiter, die Miete bezahlen wollen aber auch schöne Autos fahren und Golf spielen. Das ist okay soweit. Ich fahre ja auch gerne schöne Autos. Worauf ich hinaus will ist: Ich gebe nur einen Bruchteil des Geldes tatsächlich für das Produkt selbst aus – der Großteil des Geldes geht zu irgendwelchen anderen Menschen. Ersetzt man nun das Wort “Geld” durch “Macht” heisst das: Der Großteil meiner “Macht” fließt zu anderen Menschen. Stimmt, ich “ermächtige” Menschen mit meinem Geld, das zu tun, was sie tun.
Mit anderen Worten: Mit jedem Cent, den ich irgendjemandem gebe, sage ich: “Ich finde gut was Du machst, mach weiter so!”
Genau so machen es meine Klienten und Teilnehmer: Wenn sie für meine Kurse und meine Hilfe bezahlen, sagen sie mir damit im Grunde: “Ich finde gut was Du machst, mach weiter so. ” Deshalb halte ich es für meine Pflicht, mein Geld so gut es geht an die Menschen weiterzugeben, denen ich das auch sagen möchte.
Natürlich k ann man das nicht lückenlos wissen: Wer weiß heute schon genau, welche Marken wem gehören und wer am Ende abkassiert? Gar nicht so einfach! Das stimmt – deshalb sollte man es auch nicht übertreiben. Ich möchte Dich nur darauf aufmerksam machen, dass Du die Wahl hast – jeden Tag. Und dass Du etwas tun kannst.
Es genügt, wenn man sich bemüht und das ganze einfach etwas bewusster angeht:
- Ich habe zum Beispiel den Zusammenhang zwischen Fleisch essen und CO2 und auch Welthunger durchaus verstanden. Ich finde, dass ein paar Tage in der Woche vegetarisch und vegan zu leben und für meine Gäste öfter mal lecker vegetarisch zu kochen, besser ist, als das Problem mit schlechtem Gewissen zu ignorieren oder alle um mich herum zu belehren.
- Ich liebe mein Auto und das Auto braucht Benzin – aber wir haben eine sehr nette, unabhängige Tankstelle im Nachbardorf, die meist nicht teurer ist als eine der großen Ketten. Hier geht zumindests ein Teil meines Geldes zu jemandem, den ich gut finde.
- Gut 20 Euro kostet eine Biokiste, die einmal pro Woche von örtlichen Schümannhof geliefert wird. Biogemüse ist zwar teuer, doch im Grunde ist das nicht viel Geld und ich finde gut, was die machen.
- Ich kaufe keine Produkte, die erkennbar von Nestlé, Müller Milch oder Coca Cola hergestellt werden, weil ich nicht gut finde, was die machen.
- Ich habe meine Konten überwiegend bei Banken, die entweder mir persönlich gegenüber schon “menschlich” bzw. “menschenfreundlich” gehandelt haben, oder die es sich ganz bewusst auf die Fahne schreiben (wie z.B. die GLS Bank)
- Ich kaufe ganz bewusst nicht in Läden, von denen ich weiß, dass sie ihre Mitarbeiter oder ihre Zulieferer schlecht behandeln bzw. schlecht bezahlen (Lidl & Co). Das kann man zwar nicht immer wissen – aber man kann doch die meiden, von denen man es wissen kann.
Ich habe in einer Reportage über Lebensmittel ein sehr interessantes Interview mit einem Marktleiter einer amerikanischen Supermarktkette gesehen und der sagte sinngemäß folgendes: “Hey, wir sind Kaufleute. Das heisst, wir wollen Dinge verkaufen – davon leben wir. Wenn wir etwas ins Regal stellen und die Leute das nicht kaufen wollen, dann nehmen wir es aus dem Programm. Wenn wir merken, dass die Leute zum Beispiel Biojoghurt haben wollen und bereit sind, den Preis dafür zu zahlen, den wir haben müssen um noch daran zu verdienen - dann verkaufen wir ihnen sehr, sehr gerne Biojoghurt. Ist doch klar! Der Kunde hat die Macht – wir stellen das zur Verfügung, was unsere Kunden haben wollen.
Also: Nutze Deine Macht – geh wählen!