Von Michaela Preiner
„Gutmenschen“ (Fotorechte: © www.lupispuma.com / Volkstheater)
12.
Februar 2018
Yael Ronens neueste Inszenierung „Gutmenschen“ ist brisant, witzig, furchteinflößend und hoch politisch.
„Maryam, die von Seyneb inspiriert ist und von Birgit gespielt wird, hat einen Sohn mit ihrem Exmann Jochen, der von Jan gespielt wird und der vom Ex-Mann der Regisseurin Yael inspiriert wurde, der zufälligerweise auch Yousef heißt.“ Alles klar soweit?Wenn nicht, dann auf ins Volkstheater. Dort wird derzeit Yael Ronens neueste Arbeit „Gutmenschen“ gespielt. Gemeinsam mit dem Ensemble entwickelte und inszenierte sie ein Stück, wie herausgerissen aus dem österreichischen Alltag einer Familie, die versucht, Menschlichkeit und Toleranz zu leben und dabei nicht nur Gegenwind von rechts verspürt. Es fällt ihr auch schwer, innerhalb der eigenen vier Wände ein gedeihliches Zusammenleben auf die Reihe zu bekommen.
Wolfgang Menardi schuf ein Bühnenbild, das zum Teil ineinander verschachtelte und von der Decke hängende Zimmergrundrisse zeigt. Ein breites Sofa, ein langer Tisch und Sessel, die Flügel-Dekos bekommen, ein großer, roter Plastikstier und eine Kamera auf einem Stativ zeigen sehr bald, dass sich das traute Heim anschickt, sich nach außen zu öffnen. Die zweifache Mutter Maryam (Birgit Stöger) hilft ihrem syrischen Cousin Yousef, der noch keinen offiziellen Flüchtlingsstatus erhalten hat, wo sie kann und geht dabei bis an ihre psychischen Grenzen. In ihrer Wohnung trifft sich ihre Patchworkfamilie bestehend aus dem homosexuellen Schnute – dem Vater ihrer Tochter – und dessen Freund Moritz. Hinzu kommt die Mutter von Schnute, die Sebastian Kurz gewählt hat und partout nicht verstehen will, dass ihr Sohn homosexuell ist. Elias, Maryams Bruder ist mit seiner Freundin Klara ebenfalls mit von der Partie und freut sich, seine bevorstehende Hochzeit verkünden zu können. Der Einzige, der fehlt, ist Yousef. Er arbeitet freiwillig in einem Altersheim, um sich besser in die österreichische Gesellschaft zu integrieren.
Sie alle sollen ab Mitternacht die neue Reality-Show „Gutmenschen“ auf Servus-TV bestreiten und verstehen erst kurz bevor sie zugeschaltet werden, dass es sich dabei um ein Format handelt, in dem sie so richtig ihr Fett abbekommen werden. Soweit könnte alles heiter bleiben, schwebte nicht das Damoklesschwert der Abschiebung von Yousef über allen und allem.
Yael Ronen schrieb eine Fortsetzung ihres ebenfalls am Volkstheater gezeigten Dramas „Lost and found“ und trifft damit bestechend den Zeitnerv. Nach nun zwei, drei Jahren, in welchen Migranten aus den nahöstlichen Krisengebieten in Österreich Aufnahme fanden, geht es jetzt ans Zurückschicken. Auch Yousef, der bei Maryam mit ihrem Sohn im Kinderzimmer lebt, ist, wie sich herausstellt, davon betroffen. Und so versucht die Familie nun alle möglichen Szenarien durchzuspielen, wie das denn verhindert werden könne.
Dabei gibt Ronen all jenen eine laute Stimme, die Flüchtlingen geholfen haben und noch immer helfen. Sie zeigt zugleich aber auch, in welchem Dilemma sie sich befinden. Es ist nicht nur ein drohender oder schon zugestellter Abschiebungsbescheid, der das Zusammenleben extrem belastet. Es ist auch die Erkenntnis, mit dem Helfen in der Gesellschaft allein gelassen zu werden und sich einem Instanzenweg ausgeliefert zu sehen, der unglaubliche Mühe verursacht und letztlich auch noch Geld kostet.
Ronens großer Verdienst ist ihre unglaublich lockere und rasante Handlungsführung, die auch die bittersten Pillen immer noch leicht verdaulich erscheinen lassen. Sie thematisiert Ausländerfeindlichkeit in all seinen Ausprägungen genauso wie Vorbehalte gegen Homosexuelle oder Queere und lässt dies alles in einer Überschreibung von Hubert von Goiserns Lied „Du bist so weit, weit weg“ gipfeln. Klara (Katharina Klar) singt darin im Refrain „Du bist so weit, weit rechts“ und betrauert ein Österreich, dessen Rechtsruck nach der letzten Nationalratswahl ihr „schiach“ tut. Langer Zwischenapplaus nach dieser Darbietung zeigte, wie sehr das Publikum hinter den Aussagen steht, die Klara hier von sich gab.
Aber trotz aller Zustimmung und trotz aller Bemühungen, gemeinsam eine Lösung für den syrischen Flüchtling zu finden, macht die Autorin klar, dass dies letztlich wie ein Kampf zwischen Kaninchen und Löwen ist. Und um die Metaphern-Ebene komplett zu machen, erklärt, im Anschluss an dieses einprägsame Bild aus der Fauna, Knuts Mutter in einem nationalistisch subtil verpackten Statement, dass 2000 Skifahrer Gämsen am Berg nichts ausmachten, zwei Millionen sie aber ausrotten würden.
Ronens Stück lebt von einer rotzfrechen Herangehensweise an brisante Themen unter strikter Vermeidung von politischem Correctness-Sprech. Es beeindruckt durch ein überdeutliches, links politisches und humanistisches Statement einer Familie, die nicht gewillt ist, sich vom gesellschaftlichen Rechtsruck unterkriegen zu lassen. Dennoch zieht die Autorin eine Ebene ein, die klar macht, dass die Macht im Moment gegen sie arbeitet.
Der rote Stier, der das Geschehen visuell beherrscht, weist neben der Assoziation mit dem Red-Bull-Logo auch noch eine zweite Deutungsebene auf. Er steht auch als Stellvertreter eines Turbo-Kapitalismus, der nicht zuletzt auch in der Flüchtlingsdebatte verlogene Gründe liefert, warum das Boot in Europa voll sei. In Frankfurt ziert er als Sinnbild für die Hausse an der Börse neben dem Bären – der die Baisse verkörpert – den Börsenvorplatz.
Birgit Stöger, Sebastian Klein, Katharina Klar, Knut Berger, Paul Spittler, Jutta Schwarz und Yousif Ahmad auf der Bühne, sowie Jan Thümer, Jermolaj Klein und Julius Feldmeier im Video, ergeben ein überaus homogenes Ensemble, dem man die einzelnen Charaktere uneingeschränkt abnimmt.
Ein überaus gelungener Abend, mit Ecken und Kanten und jeder Menge Humor, der bei seiner Premiere überschwänglichen Applaus erleben durfte.
Weitere Informationen auf der Webseite des Volkstheaters.
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