Meine heutigen Abendgedanken
Ihr Lieben,
immer wieder erreichen mich E-Mails und Nachrichten, in denen mir Menschen davon berichten, dass sie sich anstrengen, ein Ziel zu erreichen, einen Traum zu verwirklichen, dass es ihnen aber nicht gelungen ist und dass sie sich jetzt schuldig fühlen, weil sie glauben, sich nicht genug angestrengt zu haben.
Das positive Denken ist etwas Wunderbares, wenn man es richtig anwendet,
und etwas Teuflisches und Vernichtendes, wenn man es nicht durchschaut.
Es ist sehr positiv, an den kommenden Tag heranzugehen und zu sagen:
„Ich möchte heute fröhliche Gedanken hegen, ich möchte heute Freude ausstrahlen, ich möchte heute Mut fassen, eine Entscheidung zu fällen.
Es ist aber nicht gut, wenn Menschen zu mir sagen:
„Du musst nur fest genug an Dein Ziel glauben,
dann wirst Du auch Dein Ziel erreichen!“
Eine solche Aufforderung ist unmenschlich, ja teuflisch,
denn der Umkehrschluss lautet:
„Wenn Du Dein Ziel nicht erreichst, dann hast Du nur nicht fest genug geglaubt!“Vielen Menschen fühlen sich dann schuldig und gehen an ihren Schuldgefühlen kaputt oder träumen keine Träume mehr oder setzen sich keine Ziele mehr.
Wichtig ist drei Dinge:
Sich Ziele zu setzen, die realistisch sind. Wenn ich mir vornehmen würde, Olympiasieger im Hochsprung werden zu wollen, wäre das völlig unrealistisch, ganz unabhängig davon, wie stark mein Glaube an meinen Erfolg ist.
Das Zweite ist, zu begreifen, dass das Ziel nur der Endpunkt ist, das das Entscheidende aber ist, dass wir uns auf den Weg machen, dass wir tätig werden, dass wir uns etwas zutrauen.
Am allerwichtigsten aber ist, dass wir uns nicht von außen, von anderen Menschen unter Druck setzen lassen mit solchen Sätzen, wie ich ihn bereits anführte:
„Du musst nur fest genug an Dein Ziel glauben, dann wirst Du auch Dein Ziel erreichen!“
Solche Sätze sind unmenschlich, weil es sich bei einem solchen Satz um ein geschlossenes Glaubenssystem handelt.
Ein geschlossenes Glaubenssystem ist immer unmenschlich und teuflisch:
Es steht schon vorher fest, wer der Schuldige ist, wenn wir versagen:
Wir selbst!
Und das ist blanker Unsinn!
Ich bin gegen solche Glaubenssysteme besonders allergisch, weil ich sie aus dem Bereich des Christentums kenne, denn ich habe ja einmal Theologie studiert.
Dort wurde mir auch gesagt: „Du kannst den Dreck, den sexuellen Missbrauch und die Gewalttaten an Dir als Kind hinter Dir lassen, Du musst nur fest genug an Gott glauben!“
Und als mir das nicht gelang, als ich immer tiefer in Verzweiflung und Dunkelheit versank, haben die gleichen Leute, die mich vorher zum festen Glauben an Gott aufgefordert haben, wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen und ich stand da als armer Schuldiger, der nicht fest genug geglaubt hatte. Diese „Schuld“ zusammen mit der Last meiner Kindheit war fast zu viel für mich, ich wäre fast daran zerbrochen.
Zur Ruhe bin ich erst dann gekommen, als ich zu dem Glauben an Gott zurückkehrte, den ich durch meinen Jugendfreund Hans-Christoph kennengelernt hatte:
An den Gott, der uns liebt, so wie wir sind
An den Gott, der keinen starken Glauben von mir verlangt,
dem ich einfach wie ein Kind vertrauen darf
An den Gott, dem ich mich anvertrauen darf, bei dem ich mich geborgen fühle mit all meinen Fehlern, mit all meinen Macken, mit alle meinen Verrücktheiten, mit all meiner Last, mit all meinem schrecklichen Erleben aus Kindheit und Jugend.
Was meinen Glauben an Gott betrifft,
so liebe ich besonders das Bild von der Hand Gottes:
Ich weiß mich geborgen in seiner Hand:
Ich kann darin krank sein und gesund sein, ich kann darin reich oder arm sein, ich kann darin hinfallen. Egal was geschieht, eines ist gewiss:
„Ich kann in Gottes Hand immer wieder hinfallen,
aber niemals aus Gottes Hand herausfallen“
Ihr Lieben,
ich wünsche Euch eine gute erholsame Nacht und grüße Euch herzlich aus Bremen
Euer fröhlicher Werner vom Weserstrand
Aber er ist niemals schuld, wenn es ihm nicht gelingt (Quelle: Karin Heringshausen)