“Du bist doch gar nicht krank!” – Leben mit einer unsichtbaren Krankheit

“Du hast doch gar nichts!” oder “Stell Dich nicht so an!” Kennt Ihr solche Sprüche? Und sind die immer gerechtfertigt?

Nein. Denn nicht immer sieht man das Problem. Und was nicht offensichtlich ist, ist für viele einfach nicht da, nicht existent.

Ich bin (einigermaßen) jung und ich sehe gesund und (manchmal sogar) frisch und lebendig aus. Doch wie so oft: Der Schein trügt!

Denn ich leide an einer unsichtbaren Krankheit: Fibromyalgie. Wobei “leiden” momentan eher das falsche Wort ist. Denn es ging mir schon mal wesentlich schlechter und ich komme zur Zeit relativ gut damit klar.

Doch was ist Fibromyalgie eigentlich?

Es handelt sich um eine chronische und unheilbare Erkrankung. Der Name Fibromyalgie wird mit Faser-Muskel-Schmerz übersetzt. Das bedeutet weit verbreitete Schmerzen in der Muskulatur, um die Gelenke, im Brustkorb und – bei mir besonders – im Bereich des Rückens. Außerdem Druckschmerzempfindlichkeit.

Aber das ist natürlich noch nicht alles. Es gibt noch eine ganze Reihe Begleitsymptome wie Müdigkeit, Schlafstörungen, steife Muskeln am Morgen, Konzentrationsschwäche, Antriebslosigkeit, Reizdarm, Schwellungsgefühl an Händen und Füßen und, und, und…

Die Liste könnte man noch eine ganze Weile fortführen.

All das geht einher mit einer Schilddrüsen-Erkrankung und Neurodermitis, die ich aber momentan gut im Griff habe.

Der schwere Weg zur Diagnose 

Man fühlt sich nicht ernst genommen. Denn erst mal wird alles auf die Psyche geschoben. Daher war es ein langer Weg bis zum endgültigen Befund. Anfänglich waren mein größtes Problem starke Unterleib- und Regelschmerzen. Diverse Untersuchungen, wie zum Beispiel eine Kontrastmitteluntersuchung des Bauchraums, waren ergebnislos. Die Ärzte meinten, ich bilde mir das nur ein. Es wurde selbst von Frauenärzten oft abgetan, bis ich schließlich ein paar Jahre später mit Verdacht auf Endometriose einer Bauchspiegelumg unterzogen wurde. Doch auch dort wurde nichts gefunden.

Zufällig bekam meine Großcousine davon Wind. Ihr erging es genau wie mir und nach Jahren hat ein Heilpraktiker bei ihr Fibromyalgie festgestellt. So las ich mich über das Thema ein, erkannte unzählige der Symptome bei mir und machte mich mit meiner neuen Erkenntnis wieder mal auf den Weg zum Hausarzt. Aber er wollte es wieder auf meinen seelischen Zustand schieben. Kurz nach dem Scheitern meiner ersten Ehe, wäre es ja wohl klar, dass meine Schmerzen durch Stress verursacht werden. Aber dieses Mal ließ ich nicht locker, bis ich eine Überweisung zum Rheumatologen in der Hand hielt.

Auf den Termin musste ich jedoch ein halbes Jahr warten. Als es so weit war, musste ich mich dort einer echten Tortur unterziehen. Unzählige Untersuchungen, Blutentnahmen, Röntgenaufnahmen… ganze 7 Stunden verbrachte ich dort. Aber dieses Mal war es wenigstens nicht ergebnislos.

Die Therapie bestand aus Krankengymnastik, Massagen, Entspannung, Schmerzmitteln – aber auch Antidepressiva. Ebenfalls wurde mir eine Psychotherapie nahegelegt, denn vieles geht bei dieser Krankheit tatsächlich mit Stress einher.

Die Antidepressiva jedoch rissen mich erst so richtig runter. Ich kann Euch gar nicht sagen, wie schlecht ich mich fühlte. Nach drei Monaten warf ich die Pillen weg und entschied mich für ein pflanzliches Mittel. Mit dem ging es dann bergauf. Endlich! Ich konnte wieder schlafen und befand mich nicht mehr den ganzen Tag im Dämmerzustand.

Eine Therapie habe ich nie angefangen. Ich habe mich später mit der Musik selbst therapiert, so doof sich das anhört.

Als ich noch im Beruf stand, ging es mir oft schlecht. Je stressiger es war, umso schlechter ging es mir. Die Situation dort war so oder so schon immer angespannt. Als die Firma ihre Zentrale schließlich vom Hinterland in den Ruhrpott verlegte, und ich dort das Weite suchte, ging es schlagartig bergauf. Kein Stress – kaum Schmerzen. Erneut im Beruf wurde es wieder etwas schlechter.

Dann wurde ich Mutter, und das war anfangs auch sehr schwierig. Aber das blieb zum Glück nicht so.

Heute geht es mir meistens relativ gut. An ein gewisses Schmerzlevel gewöhnt man sich. Oder eher: Man arrangiert sich damit. Mein Rücken, vor allem der Nacken, tut immer weh. Wenn ich den Kinderwagen schiebe, schmerzen meine Arme. Wenn ich lange laufe, verhärten sich sämtliche Muskeln in meinen Beinen und irgendwann bewege ich mich, wie eine alte Frau. Ein Muskelkater bleibt oft eine ganze Woche und ist sehr schmerzhaft. Aber das kommt nicht so oft vor. Mit all dem kann ich ganz gut leben und will nicht meckern – denn es gibt viele, denen es wesentlich schlechter geht als mir. Das halte ich mir dann immer vor Augen. Eigentlich geht es mir doch gut. Eigentlich.

Worum es aber eigentlich gegen soll

Man sieht mir die Krankheit auf den ersten Blick nicht an. Auch nicht auf den zweiten Blick. Und deswegen wird man nicht ernst genommen, wenn man dann mal sagt, dass es einem nicht gut geht. In der Regel behalte ich das aber eh lieber für mich. Doch wenn man sich dann mal Luft macht und sich anhören muss “Du hast doch gar nichts!” kann das schon ein wenig verletzend sein. Vor allem, wenn das dann sogar eine Person sagt, die selbst die gleiche Erkrankung hat und es doch eigentlich besser wissen sollte. Ich könnte das gleiche zu ihr dagen, denn auch ihr sieht man es nicht an. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, eine solche Äußerung von mir zu geben, denn ich möchte ernst genommen werden – und nehme deshalb auch andere ernst, die an einer unsichtbaren Krankheit leiden.

Und dazu gehört nicht nur Fibromyalgie. Auch Depressionen, Angstzustände, Morbus Crohn, Diabetes und noch jede Menge mehr…

Ich habe neulich diesen Satz gelesen:

“Es ist schwierig jemandem zu erklären, der keine Ahnung hat und sich nicht vorstellen kann, was es bedeutet, jeden Tag mit Schmerzen zu erwachen, ständig müde zu sein, während Du nach außen lächelst, als ob nichts passieren würde.”

Verfasser unbekannt

Ja, es ist wirklich schwierig etwas zu erklären, das man nicht sehen kann. Jemandem die Bedeutung klar zu machen.

Wenn Ihr also jemanden kennt, der an einer solchen Krankheit leidet – nehmt ihn ernst. Es geht ihm oft nicht gut, auch wenn er das vielleicht niemals zeigt.



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