Dschungeltrekking im Norden Kolumbiens zur Ciudad Perdida

„Mañana no puedo.  Mañana voy a caminar a la Ciudad Perdida – morgen kann ich nicht. Da wandere ich zur Ciudad Perdida“ antworte ich meinem sichtlich verdutzten Verehrer, als er mich um eine Verabredung zum Abendessen für den nächsten Abend bittet.

Bolivar Mausoleum in Santa Marta

Bolivar Mausoleum in Santa Marta

Wir befinden uns mit den Schönen und Reichen – oder zumindest derer, die sich dafür halten – auf einer Dinnerparty in Santa Marta an der Nordküste Kolumbiens. Mein Verehrer ist der Sohn des Gastgebers und einer der begehrtesten Junggesellen des Stadt. Mit dem Handel von Zitronen soll die Gastgeberfamilie ihren Lebensunterhalt beschreiten – so die offizielle Version. Monate später kommen uns dann Gerüchte zu Ohren, dass es wohl eher Kokain als Zitronen waren, die der kolumbianischen Familie zu ihrem immensen Reichtum verholfen hat.

Den Namen meines Verehrers habe ich vergessen. Aufgrund seiner Körperstatur nennen wir ihn einfach „den Schrank“. Nach einem kurzen Gespräch mit meinem Geschäftspartner Frank, bei dem „der Schrank“ sich zur Sicherheit noch einmal erkundigt hat, wie hoch der Naturblondanteil meiner Haare ist und wie viel Wasserstoffperoxid zur Aufhellung beigetragen hat, verkündet er, dass er mich heiraten wird. Ich selbst werde bezüglich unserer Hochzeitspläne nicht befragt. Zu abwegig scheint die Vorstellung, ich könne nicht interessiert sein.

Völlig abwegig erscheint ihm auch die Vorstellung, dass diese fast naturblonde deutsche Frau im schwarzen Abendkleid ernsthaft zu Fuß durch den kolumbianischen Dschungel voller Spinnen und Insekten wandern könnte. „Nimm doch den Hubschrauber“ schlägt er mir mehrmals vor. „Komm doch mit uns. Als echter Gentleman könntest du ihren Rucksack durch den Dschungel schleppen. Damit kannst du sie dann so richtig beeindrucken“ ist Franks scherzhafter Gegenvorschlag. Damit ist das Gespräch mit „dem Schrank“ dann erst einmal beendet…

Weg zur Ciudad Perdida

Weg zur Ciudad Perdida

Am nächsten Morgen beginnt unser großes Dschungelabenteuer. Per Jeep werden wir in Santa Marta abgeholt und ins Dörfchen Mamey, dem Ausgangspunkt des Trekkings zur Ciudad Perdida gebracht. Wir wandern in einer internationaler Reisegruppe. Die meisten Teilnehmer stammen aus England und Israel. Frank und ich führen die Wanderkarawane an – außerdem mit an der Spitze dabei ist Leonardo aus Bogota, amtierender Mr. Colombia im Bodybuilding. Nachdem „der Schrank“ das Angebot, mein persönlicher Träger zu sein, dankend abgelehnt hat, übernimmt netterweise ein sympathisches Muli seinen Job.   Unser Guide Edwin ist der Sohn des Grabräubers, der  die verlorene Stadt der Tayrona mitten im kolumbianischen Dschungel 1975 entdeckt hat. Mehrmals täglich ertönt der Fangesang unserer britischen Mitreisenden, die ihn als „the best guide in the world“ feiern.

Mehrere Stunden wandern wir in stetigem Auf und Ab durch das herrliche Grün des dichten Regenwaldes durch das höchste Küstengebirge der Welt – die Sierra Nevada de Santa Marta. Unterwegs werden wir von unseren kolumbianischen Begleitern mit frischen Früchten versorgt. Unser Wasser schöpfen wir aus den Dschungelflüssen und bringen es mit Micropur in einen trinkbaren Zustand. Leonardo scheint einen nie unerschöpflichen Vorrat an Nüssen dabei zu haben, die er gerne mit uns teilt. Überhaupt verstehen wir uns prächtig mit ihm. Bis auf ein paar englische und spanische Sprachbrocken, über die wir uns austauschen können, läuft die Kommunikation weitgehend über Zeichensprache, was oft zu lautem Gelächter führt. Geschlafen wird romantisch unter dem Dach des Sternenhimmels in der Hängematte.

Am zweiten Tag passiert es dann. Abgelenkt durch ein Gespräch mit Frank und Leonardo achte ich einen Moment nicht auf den Weg. Ich höre Leonardo noch „Cuidad! – Vorsicht“ rufen, im nächsten Moment liege ich bereits mitten im Matsch. Ein stechender Schmerz durchzieht meinen linken Knöchel. In dem Moment wird mir klar, dass eine Verletzung hier mitten im Dschungel und weit weg von jeder Zivilisation zum echten Problem werden kann. Ich versuche aufzustehen und den Knöchel zu belasten. Nicht unmöglich, aber sehr schmerzhaft. Meine Mitreisenden versorgen mich mit Schmerzmitteln. Leonardo legt mir einen Verband an und sucht  nach einem Stock, den ich als Krücke verwende. Mehr kann man nicht für mich tun. Hinkend setze ich die Wanderung fort – nun als Nachzüglerin der Gruppe.

Unterwegs passieren wir mehrere Dörfer der Kogi-Indianer, die hier mitten im dichten Regenwald in Strohhütten leben. Die Kogis bezeichnen sich selbst als direkte Nachfahren der Tayrona. Ihre traditionelle Kleidung ist aus weißen Leinen gefertigt, die Männer tragen außerdem eine weiße Kopfbedeckung, die ein klein wenig an Karneval erinnert.  Während die Kogi ihren Tätigkeiten in den Dörfern nachgehen, kauen sie ohne Unterbrechung Koka. Die magische und völlig surreal anmutende Schönheit meiner Umgebung und die Schmerzmittel lenken mich weitgehend von meiner Verletzung ab. Dennoch bin ich sehr dankbar, dass unsere kolumbianischen Begleiter mich huckepack nehmen, als wir mehrmals durch das beinahe hüfthohe Wasser der Dschungelflüsse waten müssen.

Zentraler Platz der Ciudad Perdida (© Außendorf, wikimedia commons, GNU-Lizenz)

Zentraler Platz der Ciudad Perdida (© Außendorf, wikimedia commons, GNU-Lizenz)

Am dritten Tag unseres Trekkings ist es dann soweit: eine steinerne Treppe führt uns in die  geheimnisvolle Ruinenstadt Ciudad Perdida. 1000 Stufen sollen es sein – wir zählen nicht nach. Als wir schließlich  die verlorene Stadt der Tayrona erreichen, kommen uns beinahe die Tränen, so überwältigt sind wir. Einen vollen Tag haben wir Zeit, die Ciudad Perdida zu erkundigen. Wir sind die einzigen Touristen.

Die Ruinenstadt liegt auf rund 1.200 Metern Höhe. Das Bergplateau ist von Steinterrassen übersät, auf jeder davon hat einst eine Familie gewohnt. Die 300 000 Einwohner der Sierra Nevada führten 80 Jahre lang einen blutigen Kampf gegen die spanischen Eroberer. Schließlich starben 90 % der Indianer an den Krankheiten, die die Europäer in den kolumbianischen Dschungel gebracht haben.

Neugieriges Indiokind am Wegesrand

Neugieriges Indiokind am Wegesrand

Auf dem Rückweg zur Zivilisation beginnt mein Knöchel so stark zu schmerzen, dass ich irgendwann auf ein Muli umsteigen muss. Geführt von lachenden Indianerkindern geht es in schnellem Tempo über den matschigen Weg. Ich rufe mehrmals, dass mein Sattel rutscht, was von den Kindern aber nur mit einem erneuten Lachen quittiert wird. Irgendwann kommt es dann wie es kommen muss. Gerade als wir einen Fluss überqueren, gerät der Sattel endgültig ins Rutschen und ich lande im kühlen Nass. Damit ist für mich das Projekt „Muliritt“ dann auch beendet. Ich nehme eine unvernünftig hohe Menge an Schmerzmitteln und quäle mich durch die letzten eineinhalb Tagesmärsche. Als wir endlich wieder den Ausgangspunkt unseres Trekkings erreichen, bin ich überglücklich und genieße die nächsten Tage fast völlig bewegungsfrei das sonnige Klima von Santa Marta. Dennoch wird mir die magische Welt der Sierra Nevada und der Ciudad Perdida auf ewig in schönster Erinnerung bleiben und ich bin unendlich dankbar, dieses einzigartige Abenteuer erlebt zu haben.


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