Druck, besser zu werden

Von Groegge85 @Groegge85

Ich bin ein wahrer Meister darin, mich selbst unter Druck zu setzen. Ich finde stets Mittel und Wege, mir selbst das Gefühl zu geben, dass ich, wenn ich nicht weiter an mir selbst arbeite, roste und irgendwann still stehe. Ich schöpfe aus diesem Antrieb viel Kraft um vorwärts zu kommen – aber er hat auch seine Schattenseiten.

Das Schreiben ist ein Handwerk, das man zu einem gewissen Grad erlernen und perfektionieren kann. Talent spielt – wenn überhaupt! – eine untergeordnete Rolle. Wer sich ernsthaft damit beschäftigt, entwickelt bald ein Auge für die Stärken und Schwächen von Literatur. Man merkt, was der Autor gut gemacht hat und was er hätte besser machen können – nur, um es für sich selbst zu übernehmen und daraus zu lernen. Das ist auch gut so – es sei denn, man übertreibt es.

Wahrscheinlich liegt es an meiner überkritischen Persönlichkeit, dass ich die Tipps und Tricks, die man in jedem Schreibratgeber findet, nicht als Anregung für meine Arbeit, sondern als Vorwurf verstehe: „Prämisse? Du hast dir keine Prämisse überlegt? Ja, wie soll die Geschichte dann ÜBERHAUPT noch was werden?“ „Überleg dir gefälligst einen passenden Höhepunkt für die Szene! Da musst du noch mal nachbessern!“. So, oder so ähnlich spielt es sich bei mir ab. Meine Haare werden grau, während mein Perfektionismus mich in den Wahnsinn treibt. Der Spaß schwindet. Warum weiter machen, wenn das Hobby einem nur Stress macht?

Wenn Spaß und Bedürfnis zu Anstrengung und Plackerei werden, dann läuft etwas schief. Sich Ziele setzen, besser werden und an sich arbeiten sind alles löbliche Ziele – man darf nur nicht vergessen, weshalb man überhaupt damit angefangen hat. Ich spüre, wie der Kritiker in mir hinter mir im Schatten auftaucht, die Peitsche in der Hand und mich antreiben will, zu üben, zu machen, noch mal von vorne anzufangen. Ich weiß nicht, ob es sonst noch jemandem so geht, ob es andere gibt, denen ihr Ehrgeiz und Perfektionssinn so zu schaffen machen. Die Frage ist: Wie bekommt man den Kritiker mit der Peitsche in den Griff?

Meine Lösung klingt plump, profan und proletenhaft: Ich scheiße drauf. Besser kann ich’s nicht formulieren. Ich bringe mich dazu, dass mir das Schreiben egal wird. Glücklicherweise bin ich kein Autor – nicht mal ein selbsternannter! – und muss vom Schreiben meinen Lebensunterhalt verdienen. Es ist gerade mal ein Jahr her, dass ich beschlossen habe, Geschichten und Schreiben zu meinem hauptsächlichen Hobby zu machen und dafür bin ich ganz gut dabei. Ich mache das immer noch zum Spaß und weil ich das Bedürfnis habe, etwas zu „schaffen“. Aber ich kann nichts „schaffen“, wenn ich jedes Projekt ein dutzendmal überarbeite, weil mir wieder irgendeine Macke auffällt. Ich bin außerdem überzeugt, dass man mehr lernt, wenn man ein Projekt mit Macken abschließt, als wenn man unendlich daran herum feilt. Aber bleibt der Kritiker dadurch ruhig?

Das tut er natürlich nicht. Aber ich leiste ihm keine Folge mehr. Jetzt gerade versucht er mich dazu zu bringen, mir regelmäßig „Writing Excuses“ und andere Podcasts anzuhören – damit ich etwas „lerne“. An und für sich hat er auch recht, denn nach jeder Folge „Writing Excuses“ habe ich etwas gelernt. Aber ich musste auch fast jedes mal mit meinen Geschichten neu anfangen, weil mir wieder ein Fehler aufgefallen war, oder etwas, das man hätte besser machen können. Das ist ganz schön, bringt mich meinen Ziel aber nicht weiter. Deshalb: Funkstille. Das gleiche gilt für Schreibratgeber, Blogs und sonstige Quellen für Tipps und Tricks zum Schreiben (ein paar übliche Verdächtige bleiben aber). Meist hört man eh nur alten Wein in neuen Schläuchen – also was soll’s?

Vielleicht sähe die Sache ja anders aus, wenn ich hauptberuflich schreiben würde. Den ganzen Tag nichts anderes tun, als an seinem Handwerk zu feilen, klingt schon verlockend. Aber ich denke, dass ich sehr schnell sehr wahnsinnig werden würde. Jeder muss mit seinem ‚Inneren Kritiker‘ selbst zurecht kommen. Er ist halt ein kleiner Tyrann, dem man nur in den richtigen Momenten Aufmerksamkeit schenken darf. Sonst übernimmt er ganz schnell den Laden.