Drood (Dan Simmons)

Vier Jahre lang hat der 1000 Seiten-Wälzer im RUB gestanden, vor Weihnachten habe ich damit begonnen. Und jetzt teilweise aufgegeben. Wobei es für mich nichts neues ist, ein paar hundert Seiten bei Simmons zu überschlagen, wenn er sich in endlosen Schwafeleien und Namensaufzählungen ergeht, die nichts mit der Handlung zu tun haben. Trotzdem.
Wir haben hier also den Ich-Erzähler Wilkie Collins, der über die letzten Jahre mit seinem Freund Charles Dickens berichtet, und über eine Schauerfigur namens “Drood”. Ja, äh, das war es auch schon.

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht die Intention von Simmons, einen Schauerroman um zwei der seinerzeit bekanntesten und erfolgreichsten Schriftsteller zu machen mit dem Namen einer Figur, die mit dem unvollendeten Kriminal-Roman über die Waise Edwin Drood von Dickens gar nichts zu tun hat. Was mag da der Initialfunke gewesen sein? Dickens’ Trauma durch das Zugunglück bei Staplehurst? Aber Collins ist ja der Erzähler, und der labert (sülzfaselschwätz) nur von sich.
Und warum überhaupt erzählt Simmons das fiktive Leben zweier so bekannter Persönlichkeiten? Die Hintergrundrecherche mag ja stimmen (zumindest wohl bei Dickens, bei Collins keine Ahnung), aber warum muss der Rest fiktiv sein, eingebettet in eine wenig originelle Geschichte?
Trotz der interessanten und dynamischen Erzählweise hatte ich von Anfang an Probleme damit zu wissen, dass es sich um reale Persönlichkeiten handelt, und die Darstellung hier kommt mir schon fast wie Leichenfledderei vor. Ich halte es so: wenn historisch (und jetzt nicht nur ein Element, sondern eben weitreichend), dann muss es stimmen. Wenn Collins nicht so gelebt hat (wovon ich mal ausgehe), warum dann so (vor allem unsympathisch) dargestellt? Und auch noch als Ich-Erzähler?
Mich würde interessieren, wie die beiden wirklich waren, nicht, wie ein Dan Simmons sie sich ausdenkt. Das ist so wie der gepiercte kahlköpfige Perserkönig bei Frank Millers “300” – völliger Quatsch. Wenn schon, dann lieber persifliert in Einzelszenen wie beim “Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand” von Jonasson, dort ist das sehr gelungen, weil eben die historischen Persönlichkeiten stets nur eine kurze Szene haben und von der fiktiven Hauptfigur auf satirische eigenwillige Weise wahrgenommen werden.

Wie fast immer bei Simmons ist das Buch extrem zu lang. Schon bei “Terror” habe ich ziemlich früh das Handtuch geschmissen, obwohl mir die historische Darstellung supergut gefallen hat, aber das Eismonster schlichtweg eine zweite, ganz andere Geschichte war, die mich so gestört und aus dem Lesefluss und -genuss gebracht hat, dass ich nicht mehr weitergekommen bin, auch nicht mit Überblättern. Nicht bei so vielen Seiten.

Deshalb bin ich auch an der Stelle, als Dickens nach USA reist (und das ist nicht allzu lang nach der Mitte), ausgestiegen. Simmons hatte von da ab einfach nichts Neues mehr zu erzählen, die ohnehin recht dünne Geschichte um Drood war längst abgeschlossen und hatte nichts mehr zu bieten. Trotz des nur gelegentlich aufflackernden Spannungsbogens war die Story bis dahin durchaus unterhaltsam. Mit der (noch ein paar hundert Seiten späteren und von daher inzwischen uninteressanten, weil längst erkannten) Auflösung von Dickens und einer daran anschließenden Abschlussszene von Collins hätte es nach allerspätestens 500 Seiten erledigt sein müssen. Aber sich weiterhin so durch die wachsende Paranoia und das durch Opium weggeknallte Hirn des Ich-Erzählers quälen zu müssen, ist wirklich eine Zumutung. Man weiß ja als Leser (und vermutet es eh schon seit Anbeginn), wie die tatsächlichen Verhältnisse sind, muss man das dann auch noch weitere 400 oder mehr Seiten durchgekaut bekommen? Mit Nebenhandlungen, die wurstegal sind? So habe ich dann nur noch lose geblättert, dann, als erkennbar war, dass ich nichts verpassen würde, den Rest überschlagen und mir nur noch den Schluss vorgenommen.
Befürchtungen hatte ich ja schon – aber müssen sie denn auch zutreffen? Was bitte soll das sein? Simmons erfüllt wieder einmal sein eigenes Klischee, dass er abgesehen von “Endymion” als Abschluss der Hyperion-Saga (und dieses Ende finde ich wunderschön, ein absolutes Highlight) einfach jedes Ende total vergeigt. Was für ein Kas, dieser Schluss!

Nun, das war nach jahrzehntelanger Treue endgültig mein letzter Simmons. Bin durch. Bewahre lieber Hyperion bei meinen Highlights und vergesse den Rest.


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