Der Unnachahmliche
Charles Dickens wird in einen Unfall verwickelt, an dem ein Zug und eine Eisenbahnbrücke beteiligt waren. Der Zug stürzt fast gänzlich in den Abgrund, nur die zwei vordersten Waggons der ersten Klasse und die Lok bleiben oben. Im zweiten Wagen sitzt Dickens, rettet sich und seine beiden Begleiterinnen, um dann den Verletzten unten im Fluss zu helfen. Hier nimmt das Unglück seinen Lauf: Charles Dickens trifft zum ersten Mal auf Drood, einem Wesen, dem etwas Geisterhaftes anhaftete. Seit dem Zugunglück hat Dickens gesundheitliche Probleme und Angstzustände, wenn er einen Zug besteigen musste. Wilkie Collins, einer von Dickens engsten Freunden, Kollegen und Weggefährten findet Dickens Verhalten höchst sonderbar, zusammen begeben sie sich auf die Suche nach Drood in die Londoner Unterstadt…
Puh, wenn man diesen dicken Schinken zuschlägt, weiß man wirklich, was man geschafft hat! Denn wirklich leicht und flüssig ließ sich „Drood“ meines Erachtens nicht lesen. Das Buch vereint zwar Mystery-Elemente, wenn es um den geheimnisvollen Drood geht, und die Biographie der letztens Lebensjahre von Charles Dickens, sowie ein Portrait der Londoner Upperclass Mitte des 19. Jahrhunderts, doch war mir meistens der Schreibstil zu schwerfällig, oder die Story kam nicht richtig vom Fleck und verzettelte sich in Nichtigkeiten. Die Schilderung der Londoner Viertel wie Whitechapel war total interessant und spannend, aber auch abstoßend zugleich. Ich glaube, man kann sich heute kaum mehr vorstellen, wie es damals in diesen „Slums“ direkt an der Themse zugegangen sein muss. Auch wenn es um Drood selbst ging, wurde die Handlung rasanter und spannender, um sich dann wieder in den endlosen Jammertiraden von Wilkie Collins zu verlieren.
Dies ist auch einer meiner größten Kritikpunkte was den Stil angeht. Die Handlung wird aus Wilkie Collins‘ Sicht geschildert. Er bedient sich einer recht altertümlichen Sprachweise, wie sie 1965 wohl gebraucht wurde, oder so ähnlich zumindest. Dies passt auch gut zur Geschichte, aber leider verliert sich der Ich-Erzähler Collins oft in Selbstmitleid, Gejammer, wie schlecht es doch um seine Gesundheit bestellt ist und vor allem in seinem Neid auf Charles Dickens, den ungleich erfolgreicheren Autor. Zu jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit trinkt Collins Becherweise Laudanum und betäubt sich bald noch dazu mit reinem Opium in einer Opiumhöhle. Ich hab mich oft gefragt, wie ein solch drogensüchtiger Charakter überhaupt noch zwei anständige Sätze aufs Papier bringen kann. Zurück zum Schreibstil: Richtige Spannung kommt nur sehr selten auf und somit ziehen sich die knapp 1.000 Seiten stellenweise wie Kaugummi. Wer also einen spannungsgeladen Actionkracher sucht, ist hier fehl am Platze.
Die Charaktere sind alle ziemlich seltsam. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass die meisten von ihnen Männer und auch noch „Künstler“ sind, auf jeden Fall sind die meisten von ihnen ziemlich abgehoben. Allen voran natürlich Charles Dickens, dicht gefolgt von Wilkie Collins und einem komischen Schauspieler namens Fechter, der Dickens zu Weihnachten ein Schweizer Chalet schenkt, dass dann gegenüber von Dickens Landsitz aufgebaut wird. Ach ja, und eine Unterführung unter der, von Kutschen und Ponywägen vielbefahrenen Straße, wird auch gleich noch gegraben. Dickens ist außerdem ein riesen Fan des Mesmerismus (Heilmagnetismus). Schon allein das ist aus heutiger Sicht total gaga. Über Wilkie Collins habe ich oben ja schon ein paar Dinge erzählt, das sollt erst mal reichen.
Die Gestaltung des Schutzumschlags finde ich allerdings ziemlich gut gewählt. Sie ist düster, wie man sich eine dunkle, nebelverhangene Nacht im verruchten Londoner Viertel Whitechapel vorstellt. Die geheimnisvolle Gestalt in der Mitte soll Drood darstellen und ist auch sehr gut getroffen. Ein Lesebändchen ist auch Bestandteil der Ausstattung des Hardcovers, welches jedoch ein wenig kurz geraten ist und immer im Buch zu verschwinden droht.
Fazit: „Drood“ von Dan Simmons ist wahrlich dein dicker Schinken und keine leichte Kost für Zwischendurch. Ich habe oftmals gekämpft, aber mich hat die Geschichte doch soweit begeistern können, dass ich bis zum Schluss durchgehalten habe. Für die Idee und die düstere Stimmung, ebenso für die detaillierte und interessante Einsicht in die letzten Lebensjahre eines berühmten britischen Autors kann ich drei von fünf Sternen vergeben.
Drood
von Dan Simmons Gebundene Ausgabe: 976 Seiten Verlag: Heyne Verlag (12. Oktober 2009) Sprache: Deutsch ISBN-10: 345326598X ISBN-13: 978-3453265981 Originaltitel: Drood
Rezension vom 20.12.2012
Charles Dickens wird in einen Unfall verwickelt, an dem ein Zug und eine Eisenbahnbrücke beteiligt waren. Der Zug stürzt fast gänzlich in den Abgrund, nur die zwei vordersten Waggons der ersten Klasse und die Lok bleiben oben. Im zweiten Wagen sitzt Dickens, rettet sich und seine beiden Begleiterinnen, um dann den Verletzten unten im Fluss zu helfen. Hier nimmt das Unglück seinen Lauf: Charles Dickens trifft zum ersten Mal auf Drood, einem Wesen, dem etwas Geisterhaftes anhaftete. Seit dem Zugunglück hat Dickens gesundheitliche Probleme und Angstzustände, wenn er einen Zug besteigen musste. Wilkie Collins, einer von Dickens engsten Freunden, Kollegen und Weggefährten findet Dickens Verhalten höchst sonderbar, zusammen begeben sie sich auf die Suche nach Drood in die Londoner Unterstadt…
Puh, wenn man diesen dicken Schinken zuschlägt, weiß man wirklich, was man geschafft hat! Denn wirklich leicht und flüssig ließ sich „Drood“ meines Erachtens nicht lesen. Das Buch vereint zwar Mystery-Elemente, wenn es um den geheimnisvollen Drood geht, und die Biographie der letztens Lebensjahre von Charles Dickens, sowie ein Portrait der Londoner Upperclass Mitte des 19. Jahrhunderts, doch war mir meistens der Schreibstil zu schwerfällig, oder die Story kam nicht richtig vom Fleck und verzettelte sich in Nichtigkeiten. Die Schilderung der Londoner Viertel wie Whitechapel war total interessant und spannend, aber auch abstoßend zugleich. Ich glaube, man kann sich heute kaum mehr vorstellen, wie es damals in diesen „Slums“ direkt an der Themse zugegangen sein muss. Auch wenn es um Drood selbst ging, wurde die Handlung rasanter und spannender, um sich dann wieder in den endlosen Jammertiraden von Wilkie Collins zu verlieren.
Dies ist auch einer meiner größten Kritikpunkte was den Stil angeht. Die Handlung wird aus Wilkie Collins‘ Sicht geschildert. Er bedient sich einer recht altertümlichen Sprachweise, wie sie 1965 wohl gebraucht wurde, oder so ähnlich zumindest. Dies passt auch gut zur Geschichte, aber leider verliert sich der Ich-Erzähler Collins oft in Selbstmitleid, Gejammer, wie schlecht es doch um seine Gesundheit bestellt ist und vor allem in seinem Neid auf Charles Dickens, den ungleich erfolgreicheren Autor. Zu jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit trinkt Collins Becherweise Laudanum und betäubt sich bald noch dazu mit reinem Opium in einer Opiumhöhle. Ich hab mich oft gefragt, wie ein solch drogensüchtiger Charakter überhaupt noch zwei anständige Sätze aufs Papier bringen kann. Zurück zum Schreibstil: Richtige Spannung kommt nur sehr selten auf und somit ziehen sich die knapp 1.000 Seiten stellenweise wie Kaugummi. Wer also einen spannungsgeladen Actionkracher sucht, ist hier fehl am Platze.
Die Charaktere sind alle ziemlich seltsam. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass die meisten von ihnen Männer und auch noch „Künstler“ sind, auf jeden Fall sind die meisten von ihnen ziemlich abgehoben. Allen voran natürlich Charles Dickens, dicht gefolgt von Wilkie Collins und einem komischen Schauspieler namens Fechter, der Dickens zu Weihnachten ein Schweizer Chalet schenkt, dass dann gegenüber von Dickens Landsitz aufgebaut wird. Ach ja, und eine Unterführung unter der, von Kutschen und Ponywägen vielbefahrenen Straße, wird auch gleich noch gegraben. Dickens ist außerdem ein riesen Fan des Mesmerismus (Heilmagnetismus). Schon allein das ist aus heutiger Sicht total gaga. Über Wilkie Collins habe ich oben ja schon ein paar Dinge erzählt, das sollt erst mal reichen.
Die Gestaltung des Schutzumschlags finde ich allerdings ziemlich gut gewählt. Sie ist düster, wie man sich eine dunkle, nebelverhangene Nacht im verruchten Londoner Viertel Whitechapel vorstellt. Die geheimnisvolle Gestalt in der Mitte soll Drood darstellen und ist auch sehr gut getroffen. Ein Lesebändchen ist auch Bestandteil der Ausstattung des Hardcovers, welches jedoch ein wenig kurz geraten ist und immer im Buch zu verschwinden droht.
Fazit: „Drood“ von Dan Simmons ist wahrlich dein dicker Schinken und keine leichte Kost für Zwischendurch. Ich habe oftmals gekämpft, aber mich hat die Geschichte doch soweit begeistern können, dass ich bis zum Schluss durchgehalten habe. Für die Idee und die düstere Stimmung, ebenso für die detaillierte und interessante Einsicht in die letzten Lebensjahre eines berühmten britischen Autors kann ich drei von fünf Sternen vergeben.
Drood
von Dan Simmons Gebundene Ausgabe: 976 Seiten Verlag: Heyne Verlag (12. Oktober 2009) Sprache: Deutsch ISBN-10: 345326598X ISBN-13: 978-3453265981 Originaltitel: Drood
Rezension vom 20.12.2012