Drive

In den 60er und 70er Jahren hatten die Produzenten irgendwie weniger Scheu, wenn es um Actionfilme ging. Sie waren schmerzloser, was schlechten Geschmack anging. Die Action musste stimmen und alles andere würde sich schon ergeben. So entstanden so kompromisslos konsequente Figuren, wie Dirty Harry oder Bullit. Gerade Steve McQueen, der nun mal Rennfahrer gewesen ist, und diesen Umstand einfach immer und in jedem seiner Filme unterbringen wollte, kreierte einen neuen Stil. Der Fokus lag auf den Verfolgungsjagden. Der Held musste also Auto fahren können. Alle anderen Charaktereigenschaften waren nebensächlich, wodurch der schweigsame und geheimnisvolle Actionheld geboren wurde. Oft kopiert und nachgemacht, verkam diese Figur immer mehr zum Vollpfosten und die Magie ging verloren. Jetzt ist die Magie wieder da. Mit Nicolas Winding Refn und „Drive“.
Los Angeles. Es ist Nacht. Die Stadt schläft nicht, sie erwacht. Der namenlose Held sieht aus dem Fenster und telefoniert. Mit klaren Worten macht er seine Grundsätze klar und stellt seine Regeln auf. In fünf Minuten kann viel passieren und egal, was auch geschieht: Er ist dein Mann, wenn du einen Job für ihn hast, der irgendwas mit Autos zu tun hat.
Er ist der zuverlässigste Autofahrer, den man sich vorstellen kann. Er ist Stuntfahrer und Mechaniker und nachts ist er Fluchtwagenfahrer. Die Aufträge verschafft ihm sein Kumpel Shannon, der demnächst auch beim Autorennen mit Hilfe des Drivers gewinnen will. Zu diesem Zweck muss er sich viel Geld borgen. Das bekommt er beim Gangsterboss Bernie Rose. Der ist dafür bekannt, dass er im Falle eines Fehlschlags nicht nur sein Geld wieder haben will.
Die Nachbarin des Drivers hat indes einen Ehemann, der große Probleme mit einem anderen Gangster hat. Er soll in dessen Auftrag einen Laden überfallen. Da die hübsche Irene es dem Driver angetan hat, entschließt er sich, ihrem Mann bei dem gefährlichen Unterfangen zu helfen. Mit ungeahnten Folgen.
Eigentlich ist es unmöglich, zu beschreiben, was an „Drive“ so besonders ist. Wenn man im Kino sitzt, merkt man es aber ab der ersten Minute. Es könnte an der treibenden Musik liegen, die stets im Hintergrund wabert. Es sind einige sehr coole Pop-Songs verwendet worden, die sich nahtlos zu der komponierten Tracks von Cliff Martinez gesellen. Die Musik sei hier nur deshalb als erstes erwähnt, weil sie dem Zuschauer als erstes auffällt. Als nächstes fällt einem das absolut brillante Bild auf. Es ist gestochen scharf und die Kamera wird präzise geführt. Da wackelt nichts und da verwischt nichts. Die Farben im Film stechen dadurch um so mehr hervor. Sämtliche Bilder und Fahrten sind sorgfältig vorbereitet und so wird der visuelle Rahmen des Films enorm elegant und anmutig. Die Actionsequenzen funktionieren ähnlich. Man sieht große Teile der Verfolgunsgsjagden aus der Schulterperspektive des Fahrers. Eben weil alles so präzise inszeniert ist, geht einem trotz dieser Perspektive nichts verloren und man bekommt alles mit. Die Action ist komplett handgemacht und wirkt deshalb nie übertrieben oder unrealistisch. Wohl dosiert und platziert gewinnen die Actionszenen so viel ästhetische Bedeutung, dass selbst ein John Woo neidisch werden könnte.
Die sinnlichen Actionszenen werden abgelöst von super brutalen Kampfszenen, die dem bisher lupenreinen Helden des Films eine neue Note der Unberechenbarkeit geben.
Die Story ist simpel, dafür aber um so klarer konstruiert. Die Figuren sind ebenso klar und entsprechen typischen Charakteren von klassischen Gangstergeschichten.
All das erschließt sich in den ersten zehn Minuten und dann wird es großartig.
„Drive“ ist für mich einer der interessantesten Filme der letzten Jahre. Einfach alles an diesem Film stimmt und wurde richtig gemacht. Selten wurden meine Erwartungen an einem Film derartig erfüllt und übertroffen. Noch nie hat mich ein Film durchweg so begeistert, wie „Drive“.
Es ist nicht einfach nur die Wiederbelebung eines Filmgenres. Man kann es nicht einfach in die Schublade Film-Neo-Noir, oder was auch immer stecken. Es ist alles neu und großartig und sollte von absolut jedem Filmfan gesehen und begutachtet werden.
Drive (USA, 2011): R.: Nicolas Winding Refn; D.: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Ron Perlman, u.a.; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
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