WEIMAR. (fgw) “Triangel”, so nennt sich ein Kriminalroman aus der Feder von Elke Marion Weiß. Weshalb, das kann man nicht so genau sagen. Vielleicht weil sich mehrere Dreiecksbeziehungen von Figuren ergeben, die aber trotz böser Gerüchte keinesfalls etwas mit einer “Ménage à trois” zu tun haben, oder weil das ganze im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Schweiz spielt. Möglicherweise auch deshalb diese etwas ungewöhnliche Titelwahl, weil es sich um keinen Krimi der herkömmlichen Art handelt. Leben jene doch zu 99,99 Prozent von Mord und Totschlag.
Emily, eine Malerin, lebt in einem südbadischen Dorf und vom Erbe ihres Vaters. Doch das Geld wird langsam knapp, denn ihre Bilder mag sie eigentlich nicht verkaufen. In dieser Situation lernt sie auf einem Friedhof im Elsässischen die gerade verwitwete Josette kennen. Auf Emilys Vorschlag ziehen beide zusammen. Die Frauen haben zwar den selben Geburtstag, sind charakterlich aber sehr verschieden: Emily eher skrupellos, Josette dagegen hochmoralisch. Und auch wenn der Dorfklatsch meint, hier hätten sich Lesben gefunden, so irrt dieser doch gewaltig.
Auf der Suche nach Einnahmequellen, sprich Aufträgen für die Malerin, lernen beide zufällig Felix Fraunfelder kennen. Dieser strahlt Reichtum aus, daher faßt Emily den Plan, ihn zu entführen und Lösegeld zu erpressen. Der Mann geht Emily auch auf den Leim, doch als diese erfährt, daß Felix wegen illegaler Geschäfte von der Polizei gesucht wird, ändert sie ihren Plan. Gemeinsam bieten beide Frauen nun Felix Unterschlupf in ihrem Hause an. Gegen Bares natürlich. Die nächsten Monate leben die drei sorgenlos aus den Geldkoffern von Felix. Und wieder gibt es Dorfklatsch…
Emily vor allem will das Leben genießen, besorgt daher für Felix einen gefälschten Paß, damit man zu dritt auf einem Traumschiff die große weite Welt sehen kann. Doch hier geschieht nun etwas Unvorhergesehenes, der Paßfälscher taucht bei Emily auf. Und er ist der erste Tote in dieser Geschichte. Er kann nicht mehr plaudern und vor allem erpressen. Mit der Folge aber auch, daß Emily allein die Kreuzfahrt unternimmt. Während dieser Tour lernt sie zwei Männer kennen, von denen sie zunächst annimmt, daß es sich um ein schwules Pärchen handelt. Das stimmt zwar nicht, dafür sind beide Juristen, Staatsanwalt und Richter. Man kommt sich näher, mit einem der Männer geht Emily auch ins Bett, und der Alkohol löst die Zunge. Sie erzählt eine abenteuerliche Geschichte. Das macht die beiden Männer neugierig, sie wollen hinter das vermutete kriminelle Geheimnis kommen.
Doch wieder geschieht etwas Unvorhergesehenes. Felix bekommt mit, daß der eine Jurist Emily besuchen will und ergreift mitsamt des restlichen Geldes die Flucht. Und just zu dieser Zeit hatte sich ein Verwandter von Josette bei den Frauen einquartiert. Der Jurist schlußfolgert, daß es sich bei Emily um eine überspannte Frau handeln muß, die gerne Lügengeschichten erzählt. So geht der Kelch an den beiden Frauen vorbei.
Dafür gibt es anderes. Denn während der Kreuzfahrt sind sich Josette und Felix näher gekommen und Josette ist nun in anderen Umständen. Jetzt setzt Emily wieder ihre Findigkeit ein, um von Felix Unterhaltskosten herauszuschlagen. Doch bald nach der Geburt einer Tochter erleidet Josette einen tödlichen Verkehrsunfall. Was Emily verschweigt und weiterhin Unterhalt für Mutter und Tochter kassiert.
Außerdem hatte sich die Gelegenheit ergeben, daß sie Bilder im Stil eines anderen Malers fertigen darf. Ein lukratives Geschäft für den auftraggebenden Galeristen und auch für sie. Aber, man ahnt es förmlich, hier geschieht ebenfalls Unvorhergesehenes… Trotz großer Gefahr letztlich aber erneut zum Vorteil für Emily.
Eines Tages aber kommt es zur Katastrophe. Emilys junger Liebhaber schenkt dem Baby zum Weihnachtsfest ein Triangel. Hier fallen Emilys Hund und ein mittlerweile im Hause lebender Kakadu übereinander und über das Baby her. Skrupellos kassiert die Frau aber weiterhin von Felix den monatlichen Unterhalt in Höhe von 2.000 Euro für das zu Tode gekommene Kind.
Eine Nebensächlichkeit ganz anderer Art führt eines Tages zu polizeilichen Ermittlungen. Emily nimmt sich eine Anwältin, Carlotta. Diese aber ist nun tatsächlich Lesbe und macht Emily an… Und kommt ebenfalls zu Tode. Emily wieder einmal nicht zum Schaden, außer: “Nur eines wurmt mich. Ich hätte der eingetragenen Partnerschaft doch zustimmen sollen. Carlotta war nämlich steinreich gewesen. Jetzt geht alles an ‘Ärzte ohne Grenzen’. Das ist ein kleiner Wermutropfen in meinem Glück. Aber wirklich der einzige.” (S. 370)
Und so ist erst ganz zum Schluß, durch obige Nebensätze zu erfahren, von einem weiteren Todesfall die Rede, der aber nun doch wirklich ein Mord gewesen sein muß.
Elke Marion Weiß erzählt eine Geschichte, die immer wieder verblüfft durch unvorhergesehene Wendungen, durch Begebenheiten, die zwar unwahrscheinlich klingen, aber dennoch durchaus möglich sein könnten.
Dieser ungewöhnliche Kriminalroman lebt daher in besonderem Maße von einer gehörigen Situationskomik und von den Beschreibungen der einzelnen Charaktere. Und nicht zuletzt von vorzüglichen Milieustudien. Zu nennen wären da das Völkchen der betuchten und baedekerklugen Kreuzfahrtgemeinde oder eine Tafelrunde der dörflichen Honoratioren. Höchst gelungen und köstlich zu lesen ist fast gleich zu Beginn eine Szene in einem Luxusrestaurant, wo eine Sterne-Jury von aufgeblasenen Kritikern über einen talentierten Jungkoch das Todesurteil fällt.
Mein Fazit: Flüssig erzählt, spannend. Spannend nicht in Bezug auf die übliche Frage, wer der Mörder ist oder welches sein Tatmotiv. Nein, spannend durch die stete Frage: welche überraschende Begebenheit kommt nun als nächste… Sehr gut geschrieben, höchst amüsant zu lesen und echte Kurzweil.
Elke Marion Weiß: Triangel. Kriminalroman. 372 S. kart. Gmeiner Verlag. Meßkirch 2012. 11,90 Euro. ISBN 978-3-8392-1246-2
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]