Drei Stimmen für den Wohnungsmarkt

Während inzwischen selbst die New York Times mit erstaunlicher Ernsthaftigkeit über die Spätzle-Spass-Guerilla vom Kollwitzplatz berichtet (“Swabian Separatists Fling Spätzle to Make Their Point“) haben die Welt, die Wirtschaftswoche  und die F.A.S. das Gentrification-Thema noch mal von einer etwas ernsthafteren Seite aufgegriffen. In ausführlichen Beiträgen wird über die demographischen Herausforderungen und wohnungswirtschaftlichen Hintergründe ebenso berichtet, wie über die Privatisierungsfolgen im Wohnungsbereich. Drei Leitmedien stellen sich die Frage, warum das Wohnen immer teurer wird.

Die drei Beiträge zeigen nicht nur, dass die Wohnungsfrage im Zentrum der medialen Berichterstattung angekommen ist, sondern skizzieren zugleich den hegemonialen Diskurs darüber. Während uns die Frankfurter Allgemeine den Immobilienboom als quasi unvermeidbares Ergebnis von Nachfrage und Anlagestrategien präsentiert, zeigt die Welt, dass kommunale Wohnungsunternehmen auch keine Lösung darstellen. Die WirtschaftsWoche letztendlich präsentiert uns die Lösung: einfach mehr Rendite zulassen, den Rest regelt dann der Markt.

Die Frankfurter Allgemeine erklärt, warum Wohnen zum Luxusgut wird

Die Frankfurter Allgemeine stellt in ihrem Beitrag Der neue Häuserkampf erst einmal Fragen:

Mieten in Berlin, Hamburg & Co. steigen rasant. Wohnungen sind das Ziel von Spekulanten. Der Kampf zwischen Mietern und Investoren ist eröffnet. Wird Wohnen unerschwinglich?

Ausgehend von den überbewerteten Milieuschutzregelungen in Pankow  beschreiben Hendrik Ankenbrand und Inge Kloepfer die unterschiedlichen Interessenlagen, die in den nachgefragten Innenstadtbezirken in Berlin, Hamburg, Frankfurt/Main und München aufeinanderprallen.

Es wird ungemütlich auf dem Immobilienmarkt für alle Seiten. Mieter stehen gegen Vermieter, Alteingesessene gegen neue Investoren. Die Mieter wollen in den tollen Städten wohnen. Die Immobilienanleger wollen genau dort kaufen – das lässt die Preise steigen wie verrückt.

Der Beitrag beschreibt, wie das Wohnen zum Luxusgut wird und skizziert eine Konstellation von neuer innerstädtischer Nachfrage, veränderten Investitionsstrategien und  Privatanlegern, die auf die Wohnungsmärkte drängen:

Zwei Gruppen prallen aufeinander auf dem Wohnungsmarkt. Auf der einen Seite stehen die Mieter, die ins Urbane streben, in die Großstädte. (…) Auf der anderen Seite stehen begeisterte Investoren, die „sichere Häfen“ für ihr Geld suchen und die den Immobilienmarkt leerkaufen. Und dann sind da noch die ganz normalen Endvierziger von nebenan, die angesichts der Euro-Krise nicht wissen, wo sie in ihre Altersvorsorge investieren sollen. Außer in Betongold. Aktien machen den Deutschen Angst, (…) Da bietet sich die Immobilie an. Denn gewohnt wird immer.

Der Beitrag bleibt letztendlich bei der guten Beschreibung der aktuellen Triebkräfte der Mietsteigerungen stehen. Wenn internationale Investoren und private Anleger auf die Wohnungsmärkte drängen, steigen die Mieten. So funktioniert eben der Markt…

 

Die Welt zeigt, wie die Sozialverträglichkeit bei kommunalen Wohnungsbaugesellschaften auf der Strecke bleibt

Die Welt berichtet unter dem Titel Die klassische Sozialwohnung ist ein Auslaufmodell über die Vermietungspraktiken und Bewirtschaftungsstrategien von kommunalen Wohnungsunternehmen und die Privatisierungsrisiken. Der Autor Andreas W. Voigt stellt dabei die richtigen Fragen:

In Zeiten knappen Wohnraums haben kommunale Anbieter erkannt, wie wichtig der Zugriff auf den Markt ist – und wirtschaften effizient. Doch reicht das, um sozial verträgliches Wohnen zu gewährleisten?

Am Beispiel der Berliner Wohnungsbaugesellschaft DEGEWO zeigt der Artikel auf, dass kommunale Wohnungsanbieter von der Wohnungskrise profitieren.

Noch vor zwölf Jahren stand die Berliner Degewo mit 2,9 Milliarden Euro tief in den roten Zahlen. “Inzwischen haben wir 612 Millionen Euro an Verbindlichkeiten abgebaut und schreiben seit acht Jahren Gewinne”, sagt Lutz Ackermann (Sprecher der DEGEWO).

Lob gibt es dafür vor allem aus den Kreisen der Wirtschaft.

“Insbesondere die großen kommunalen Wohnungsunternehmen haben in den vergangenen zehn bis 15 Jahren ihre Hausaufgaben gemacht”, sagt Michael Müller von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte.

Einer Studie der Wirtschaftsprüfer kommt zu dem Ergebnis: “Fast alle reduzierten ihre Kosten und wirtschaften inzwischen wesentlich effizienter”. Was damit konkret gemeint ist, wird wie folgt ausgeführt:

  • “Sie sparen etwa beim Personal, handeln bessere Kreditkonditionen aus und sanieren kostengünstig”, sagt Müller.
  •  Die Degewo lagert ihre Hausmeister inzwischen aus Kostengründen in eine eigens dafür gegründete GmbH aus.
  • Darüber hinaus gründete sie die sogenannte Degewo Forderungsmanagement GmbH. So sollen Mietschulden eingetrieben werden

Trotz der wirtschaftlichen Erfolge und großangekündigter Bündnisse für soziale Mieten wird kein neuer Wohnraum für Geringverdiener geschaffen:

Derweil hat die Degewo zuletzt einen Gewinn von 23,8 Millionen Euro erwirtschaftet. Nun will sie in der Gropiusstadt sogar bis zu 400 neue Wohnungen bauen. Geringverdiener hat sie dabei nicht im Visier. Im Gegenteil: Die Mietpreise für die neuen Wohnungen sollen im Schnitt bei 8,50 Euro pro Quadratmeter liegen.

Trotz aller Kritik an den Privatisierungen, so die Botschaft des Beitrages, unterscheiden sich die kommunalen Wohnungsunternehmen auch nicht von anderen Marktteilnehmern. Auch weil das eine zutreffende Beschreibung ist, bleibt vor allem hängen, dass soziale und kommunale Wohnungsbestände zum Auslaufmodell geworden sind. Der Staat wird es also auch nicht richten…

 

Die WirtschaftsWoche verkauft den Neubau-Lobbyismus als Lösung

Nur die WirtschaftsWoche fällt mit dem Beitrag “Wohnung in Not“ und den simplen Markbotschaften ein wenig aus dem Rahmen.  Es werden keine Fragen gestellt und  Chefredakteur Roland Tichy erklärt höchst persönlich, warum sich niemand über steigende Mieten wundern sollte,  was er von mietenpolitischen Regulationen hält und wie das Wohnungsproblem in den Griff zu kriegen sei:

Verwunderlich, dass manche wundert, dass die Mieten steigen. Dagegen hilft nur bauen, nicht rationieren. (…) Etwas Rendite muss schon sein. Das wäre ein Rezept, das helfen könnte. Dies ist aber wohl zu einfach in Zeiten des Wahlkampfs.

In der WirtschaftsWoche werden Lösungen verkündet. Einfach weniger regulieren und den Markt mal machen lassen…



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