Am Ende des Trainings tanzen sie Polonäse und singen zusammen auf italienisch. Ich bin gerührt: Sind es wirklich die selben 20 Manager, die vor vier Monaten in dieses Führungsprogramm eingestiegen sind?
Früher, wenn ich Führungskräfte trainiert habe, war ich ein wenig neidisch. Ich wollte auch gern Manager sein und Menschen führen. Später bekam ich diese Rolle und stellte bereits nach wenigen Monaten fest, dass ich für diese Art von Karriere nicht geeignet bin.
Jetzt bin ich ab und zu wieder als Trainer für Führungskräfte unterwegs. Neidisch bin ich nicht mehr, eher voller Achtung. Denn Manager sind für die meisten Arbeitnehmer der Grund, in der Firma zu bleiben oder die Firma zu verlassen.
Die letzte Aufgabe im Führungskräftetraining letzter Woche lautete daher einfach: “Bin ich für meine Mitarbeiter ein Grund zu gehen oder ein Grund zu bleiben?” Nach dem Diskutieren und dem Reflektieren übernimmt die Gruppe kurzerhand die Führung und macht was sie will: Polonäse tanzen und gemeinsam singen. Ich war ein wenig traurig, dass wir uns nicht mehr sehen und gleichzeitg froh, dass diese fröhlichen und selbstbewussten Menschen nächste Woche ihren Mitarbeitern mit neuen Ideen begegnen werden und mit neuem Mut.
Was bleibt?
So ein Training ist für beide Seiten kräftezehrend. Trainer und Teilnehmer geben etwas in den Topf, dann wird kräftig gerührt und abgeschmeckt, nicht jedem schmeckt, was dort passiert, doch so ist nur mal der optimale Lernprozess: Wenn man gefordert wird und wenn man aus der Komfortzone geworfen wird.
Was bleibt, sind Bilder und Eindrücke. Erinnerungen über Gespräche am Abend oder in den Pausen. Namen und Geschichten. Interkulturelle Unterschiede. So heisst zum Beispiel der Spruch „Das Gras auf der anderen Seite ist immer grüner“ im Türkischen: „The chicken of the neighbour always seems to be a duck.“
Was außerdem bleibt, sind ein paar Fragen. Und viele Erkenntnisse.
Hier sind die drei Erkenntnisse, die ich mit dir teilen will, und diese sind auch für dich als nicht-Trainer und nicht-Manager wertvoll:
1. Wer sich nichts vornimmt, kommt nicht dort an, wo er wollte
Anders gesagt, wenn du deine Lebenszeit nicht planst, planen andere deine Lebenszeit für dich. Ein Training zeigt das um so deutlicher, als das jeder die Möglichkeit hat, seine Bedürfnisse und Lernziele zu artikulieren und dafür zu sorgen, dass diese dran kommen. Wer sich nicht um sich und seine Lernziele kümmert, hört anderen zu und macht bei anderen mit und stellt am Ende des Trainings plötzlich fest, dass etwas fehlt. Tja, im Leben gibt es keinen „Replay“ Knopf, jede Minute ist nur einmal möglich, und wenn du deine Zeit nicht gestaltest und nicht nutzt, wundere dich nicht, wenn du nur zufällig ab und an zufrieden bist.
Was bedeutet das nun für dich? Siehst du irgendwo Handlungsbedarf?
2. Wer sich nur um sich selbst kümmert, bekommt am wenigsten
Aus der Lektion Nummer eins könnte man schließen, jeder plant nun ganz schnell seine Zeit und rennt ganz schnell los, um die Pläne zu verwirklichen. Alternative ist, du
- denkst für andere mit und hilfst ihnen
- fragst andere um Hilfe und lässt dir helfen.
In einer Lerngruppe kann man gut beobachten, was passiert, wenn Teilnehmer ihre Fragen und Erkenntnisse teilen. In einer Diskussion nach der anderen entstehen Lösungen, die für mehrere gut umzusetzen sind, und auch wer selbst von etwas nicht betroffen hat, kann seine Ideen einbringen. Wer sich weder mit Fragen noch mit Ideen einbringt, langweilt sich schnell, ist unzufrieden, meckert und behauptet, das Ganze ist nicht gut konzipiert. Die Gruppe ist in solchen Fällen oft gnadenlos und hört nach einem oder zwei Versuchen auf, auf diese Person einzugehen.
Übertragen auf unser Leben: Wem könntest du helfen, seine Ziele zu erreichen? Mit wem kannst du deine Fragen und Sorgen teilen?
3. Das Lernen findet über Emotionen statt
Mein Kollege Frank und ich nennen es sogar noch krasser: Das Lernen geht über Schmerz. Man muss sich schon ein wenig abmühen und quälen, um zu den besten Erkenntnissen zu kommen. Nicht umsonst sind es die schwierigen Phasen unseres Lebens, die uns unsere Potenziale entdecken lassen. Wenn du alles auf der Kopfebene verarbeitet bekommst, was gerade passiert, sind die Lerneffekte eher flach. Regst du dich über etwas auf, bist beunruhigt oder empört, so macht sich deine innere Schatztruhe einen Spalt weit auf und zeigt dir, was du alles machen kannst. Neue Fähigkeiten scheuen plötzlich gar nicht mehr so kompliziert.
Warum ist das so? Warum können wir nicht rein kognitiv genau so effektiv lernen wie wenn wir unsere Emotionen anzapfen?
Warum wird in den gängigen Action-Filmen immer noch behauptet, die besten Helden und Spione sind solche, die keine Emotionen haben? Warum haben so viele Menschen Angst davor, mit Emotionen in Berührung zu kommen? Na klar, weil wir nirgendwo lernen, wie man das macht. Und warum denken immer noch so viele Manager, man kann Menschen mit einer Karotte und ohne ein Gespräch motivieren? Weil schlaue Artikel von erfahrenen Beratern die Karotten sehr genau beschreiben können, während ein menschliches Gespräch als Methode schlecht verkaufbar ist. Und so schickten wir die Manager nach Hause mit der Erkenntnis: Wenn es für sie so einfach war, Dinge hinzunehmen, sobald sie ihre Emotionen wahrnahmen, wird es auch für ihre Mitarbeiter einfacher sein, mit Veränderungsthemen umzugehen, wenn die Manager Zeit und Raum für die Gefühle einräumen. Einfach nur für einander da sein und gemeinsam lernen. Verkauft sich schlecht, wirkt aber gut. So what!
Ich sitze am Flughafen, auf dem Rückweg vom Training nach Hause. In meinen Ohren schallt immer noch die Frage, die für so viele die schwierigste war: „Wie fühlst du dich?“, und ich antworte mir selber mit einer langen Liste:
- erschöpft
- froh
- neugierig
- erleichtert
- zuversichtlich
- stolz
- glücklich
- ausgeglichen
- gerührt
- zufrieden
- klar
- erfüllt
- dankbar
Ich habe viel gelernt in den Trainingstagen und hoffe, dass es nie aufhört, das Lernen.
Dir eine gute Woche!