Glaubt man dem Portal engadget.com dann ist aus Nokia eine brennende (Ölbohr-) Plattform geworden, wovon es nur noch eine Rettung gibt: Tief ins eiskalte Wasser zu springen.
Nokia CEO Stephen Elop (Foto Nokia)
Diesen drastischen Vergleich zieht Stephen Elop, der neue Chef des eins weltgrößten Handykonzerns Nokia Oy mit 150 jähriger Geschichte, in einem internen Memo an seine Mitarbeiter.
Die Konkurrenz, so hält der ehemalige Microsoft Manager seinen Leuten vor, nimmt nicht mehr Marktanteile, sondern gleich ganze “Ökosysteme” mit, weil ein Handy heute nicht nur ein Handy ist sondern zu einer “Familie”, zu einer Umwelt, zu einem “Ökosystem” – einem bestimmten Betriebssystem, Appstore, Entwickler-Community, Nutzer-Community gehört.
Sprich: Wenn ein Kunde von Symbian beispielsweise zu Android wechselt, ist er aus der Nokia Welt erst einmal unrettbar weg. Aber: Ist Nokia kein Ökosystem? Noch nicht wirklich.
Der Fluch der Marktanteile
Nokias Marktanteile bröseln, etwa in Deutschland, wo Nokia einst stark war. (Wundert uns das? War da nicht was in Bochum?)
Als Nicht-Finne und nicht groß geworden im Nokia-Ökosystem hat Elop hat schnell erkannt, wo die Probleme liegen. Branchenkennern waren diese Probleme schon lange bewußt.
Nokia hatte viele geniale Ideen, brauchte aber immer eine ganze Weile, bis die Sachen halbwegs lieferbar waren und dann dauerte es wieder weitere Zeit, bis die Produkte ausgereift waren.
Die Zeit ist schnelllebiger geworden. Nokia’s Qualität und Service ließ nach Ansicht kritischer Geister seit einiger Zeit unter dem Diktat von Kostendruck zu wünschen übrig. Eine völlig verwirrende Modellpolitik, wo ein bestimmtes Modell möglichst in allen Preislagen angeboten wurde, das kam am Markt nicht gut an.
Nokia und die Software
Nokia und seine Betriebssoftware, ein Dauerthema. Sie brauchte immer einige Anläufe, der erfahrene Kunde kaufte generell erst das “i” Modell und wurde dafür belohnt.
Nokia und externe Software – immer wieder ein Drama. Schon die legendäre Nokia Data Suite, um zwischen dem kultigen Modell 2110 und dem PC Daten auszutauschen oder zu sichern, brauchte einige Updates, bis sie wenigstens “einigermaßen” rund lief.
Heute ist die Nokia PC-Suite wirklich ausgereift und wird sofort von einer völlig überfrachteten Ovi-Suite abgelöst, welche die treuen Nutzer wieder zur Verzweiflung treibt.
Kunden die sich in Foren über Probleme mit Nokia Produkten ausließen. Wurden sie immer rechtzeitig ernst genommen? Wurden ihre Kritiken und Probleme umgesetzt?
Hardware-Produzenten in China lernen inzwischen schneller als das Licht und schaufeln im Minutentakt neue Modelle zu allerniedrigsten Preisen auf den Markt.
Ovi, das Tor… wohin?
Der Nokia Strategiewechsel von Hardware zu “Diensten” und Software, die Einführung der Plattform Ovi, das wurde vom Fachhandel vor Ort regelrecht boykottiert, die wollten lieber das Handy für 1 Euro verkaufen, weil viele Kunden das so gelernt haben. Software erklären und einrichten? Das kostet doch nur und bringt uns nichts.
Anderswo funktionierte das von vorneherein, weil Apple sich die absolute “Einfachheit” auf die Fahnen geschrieben hat. Es muss absolut einfach sein und funktionieren. Nur das wirkt.
Muss Nokia unbedingt mit Symbian weiter machen?
Sicher, Symbian ist in einer Sackgasse angekommen. Wenn Nokia jetzt aber Symbian holter-di-polter-über Bord wirft, werden die verbliebenen loyalen Kunden endgültig sauer sein. Also müssen mindestens Migrationsstrategien her. Ist es möglich, lieb gewonnene Symbian Applikationen irgendwie auf eine neue Plattform zu bekommen?
Könnte das MeeGo sein oder wird es doch gleich Android? Oder muß es Windows Mobile 7 sein, das in einigen Punkten auch noch Baustelle ist, auch wenn das im Moment noch keiner laut sagen mag?
Windows Mobile 7 statt Symbian?
Wird Elop, der Intention seines ehemaligen Arbeitgebers folgen und künftig Windows Mobile 7 auf seine Telefone aufspielen? Nokia Legende Anssi Vanjokki hat sich lange Jahre dagegen gewehrt, aus gutem Grund.
Mit Windows Mobile 7 wäre Nokia zwar zunächst schnell wieder im Markt, aber um dem Preis der beliebigen Verwechselbarkeit. Microsoft schreibt bekanntlich strenge Regeln vor, die eine Differenzierung für den einzelnen Hersteller kaum erlauben. Wenn chinesische Waschküchen ohnehin schneller und besser produzieren können, mag da zwar auch “Nokia” draufstehen, aber was hat das mit dem kultig/schrägen finnischen Design zu tun?
Hat sich Elop die Langzeitstabilität der Produkte seiner Konkurrenten einmal angeschaut? Kann es “nachhaltig” sein, alle 10 Minuten ein neues Gerät mit noch schnellerem Prozessor und noch mehr Möglichkeiten, aber mit halbfertiger Software und wenig bis kaum Support auf den Markt zu werfen?
Was wollen eigentlich die Kunden?
Sollte sich Elop nicht auch einmal die Meinung der kaufenden Kundenbasis anhören?
Die möchten Produkte, die funktionieren, wo Fehler schnell erkannt und behoben werden, wo ein Produkt auch nach dem Verkauf noch ein Produkt ist und die Lösung nicht darin besteht, dem unzufriedenen Kunden einfach das nächste halbfertige Produkt vor die Nase zu halten.
Die Kunden möchten für ein gekauftes Produkt auch nach dem Kauf noch Zubehör, Beratung und Service. Sie möchten Telefone, die in ihre Autos passen (weil die Autoindustrie immer um Jahr hinterher hinkt, wo aktuelle Telefone bereits vergriffen sind)
Nokia Finnland bald Geschichte?
Wird Elop alle Traditionen, die Nokia ausgemacht haben, künftig über Bord werfen? Wird Nokia zu einem internationalen Konzern von vielen, der sein Hauptquartier nach Silicon-Valley (USA) verlegt und für den Finnland ein bald gänzlich vergessener unwichtiger Außenposten (“liegt das nicht irgendwo in Russland?”) sein wird?
Vermutlich wird bei Nokia kein Stein auf dem anderen bleiben. Aber ob am Ende noch irgendwas übrig bleibt, was an “Nokia” erinnert und was die Marke “Nokia” ausmacht?
Dabei hätte Nokia noch immer genügend Potenzial. Und wenn man einfach mal hinginge, bewährte und bis heute genutzte Geräte (z.B. das 6310i) in einer zeitgemäßen Neuauflage brächte. Das wäre nachhaltig. Nur zu Erinnerung: Apple hat mit genau einem einzigen Handymodell durchschlagenden Erfolg. Wieviele verschiedene Modelle Nokia derzeit anbietet, keiner weiß es genau.
Muss Nokia auf immer und ewig Weltmarktführer bleiben? Muß es sicher nicht. Etwas Nachdenken, Nachhaltigkeit und Qualitätsbewußtsein ließe sich auch heute noch gut verkaufen, das dürfte dann ruhig etwas teurer sein. Apple gibts auch nicht im Sonderangebot.
Meine Lösung:
Nokia als nordische Kultmarke, die eine Philosophie verkörpert, als Nokia Ökosystem, Nokia als Lebensgefühl – Apple macht doch auch nichts anderes.
Schlagwörter: Android, brennende Plattform, Nokia, Stephen Elop, Symbian, Windows Mobile 7