Dragon Quest 11: Streiter des Schicksals für die PlayStation 4 im Review: Japanischer Rollenspiel-Koloss alter Schule

Dragon Quest 11: Streiter des Schicksals für die PlayStation 4 im Review: Japanischer Rollenspiel-Koloss alter Schule

Neben Final Fantasy, der Megami Tensei-Familie und Ys dürfte Dragon Quest wohl eine der langlebigsten und einflussreichsten Japano-Rollenspielreihen sein, die es bis in hiesige Breitegrade geschafft hat. Elf Hauptteile und einige Spin Offs (etwa die Dragon Quest Monsters-Titel) kann die immerhin 32 Jahre andauernde Serie mittlerweile seitdem NES-Debüt von 1987 für sich beanspruchen, die das in Japan bis dahin unbekannte Rollenspiel-Genre auf den Heimkonsolen etablierte. Während die Reihe aber in Japan eine wahnsinnig große Gefolgschaft verzeichnen kann, stand die Serie im Westen hingegen immer im Schatten der Final Fantasy-Spiele. Der letzte offizielle Teil, das als MMORPG konzipierte Dragon Quest X (Wii, Wii U, Android, iOS, 3DS, PS4, Switch), hat etwa nie einen westlichen Release erfahren und die beiden Heroes-Ableger von Omega Force waren mit ihrer Musou-Spielmechanik ein eher marginaler Ersatz dafür. Dafür erschien nun aber mit Dragon Quest 11: Streiter des Schicksals Anfang September ein frischer Hauptteil für PlayStation 4 und PC. Und auch Fans des Traditionsunternehmens aus Kyoto gehen nicht leer aus: Für die Nintendo Switch wurde erst heute eine Fassung mit dem Titel „Dragon Quest 11 S" angekündigt. Warum das sehr traditionsbewusste Spiel meine Liebe zu JRPGs klassischer Prägung neu entfacht hat und warum es mit seinem oldschooligen Ansatz dennoch zeitlos anmutet, erfahrt ihr in dieser Review.

KLASSISCHES HELDENNARRATIV

Bereits die Geschichte beginnt sehr klassisch und greift die üblichen Tropen des Genres auf: Wir spielen einen namenlosen bzw. frei benennbaren Helden, der über die gesamte Spielzeit hinweg stumm bleibt. Aufgewachsen in dem kleinen Dorf Kieslingen am Rande der Peripherie, markiert unser 16. Geburtstag die Volljährigkeit. Vorher aber gilt es die traditionelle Zeremonie des Dorfes hinter uns zu bringen - gemeinsam mit unserer Jugendliebe Sandra besteigen wir den örtlichen Gipfel, um dort ein Gebet zu entrichten. Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Die Witterungsverhältnisse entpuppen sich nämlich recht bald als alles andere als ideal. Und der sonst so idyllische Ort wird von allerlei Monstrosität heimgesucht. Als wir schließlich den Gipfel erreichen, greift uns eine geflügelte Kreatur an. Doch kurz bevor Sandra droht in den Abgrund zu stürzen, erglüht das seltsame Mal, das unseren Helden ziert und setzt die innewohnenden magischen Fähigkeiten frei, die Sandra vor dem Fall bewahren.

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Und wie könnte es anders sein? Das Schicksal der Welt lastet auf unseren Schultern. Wir sind, wie sich schlussendlich herausstellt, ein weiteres Mal der Auserwählte, der reinkarnierte „Lichtbringer", der die Welt Erdria vor vielen Jahren vor dunklen Kräften zu schützen vermochte. Dass der Jüngling vom Schicksal zu Höherem auserkoren wurde, haben die Bewohner*Innen des Dorfes bereits geahnt, als sie den als Findelkind aufgezogenen Mittelscheitelträger damals aus dem Fluss gefischt haben. Und so lassen sie ihn dann schließlich auch schweren Herzens ziehen, als der junge Held aufbricht, um seine Bestimmung zu finden. Doch der Weg zum königlichen Hofe verläuft nicht ganz reibungslos, wie erwartet.

Dragon Quest 11: Streiter des Schicksals für die PlayStation 4 im Review: Japanischer Rollenspiel-Koloss alter Schule

Denn dort wird seine Ankunft nicht etwa freudig erwartet, stattdessen begegnet man dem Malträger eher mit Furcht und offener Feindseligkeit. Als „Spross der Finsternis" wird unser ahnungsloser Held gar bezeichnet und schließlich ins finsterste Kellerverließ gesperrt. Zwar gelingt uns, gemeinsam mit dem Mitinsassen und Gelegenheitsdieb Erik, die Flucht, doch müssen wir naturgemäß den seltsamen Reaktionen unserer Mitmenschen auf den Grund gehen.

ILLUSTRE PARTY

Im Laufe unserer Reise schließen sich uns neben dem besagten Partner-In-Crime Erik auch noch weitere Mitstreiter aus den unterschiedlichsten Motivationen heraus an - etwa das weibliche Magier-Duo Veronica und Serena (die vergleichbar zu Maya und Meena aus DQ IV sind), der betagte Rab, die tapfere Martial Arts-Expertin Jade sowie der eitle Gaukler Sylvando. Die Riege an ebenso illustren wie heterogenen Mitstreitern und ihre Kommunikationsdynamik untereinander ist dabei erstaunlich gut auf den Punkt gebracht. Die Charakterzeichnung gelingt dem Serienvater- und Hauptschreiber Yuji Horii in Dragon Quest 11 ausnehmend gut: Beinahe jeder Charakter ist vielschichtig und mehrdimensional angelegt, die Motivationen und inneren Konflikte wirken weitgehend nachvollziehbar und bringen einem die Figuren tatsächlich näher - sodass es einen als Spieler*In tatsächlich tangiert, wenn diese in akuter Gefahr schweben. Nicht zuletzt trägt dazu auch die wirklich hochwertige englische Vertonung bei, die für den westlichen Release produziert worden ist. Die Sprecher sind wunderbar gecastet, liefern durchweg grandiose Arbeit ab und tragen viel zum Charme und zur Lebendigkeit in der Interaktion zwischen Charakteren bei. Lediglich unser Held, der in Gesprächskontexten mehr wie ein profilloser und stummer Avatar wirkt, erscheint in diesen Situationen merkwürdig deplatziert. Hier hätte man ggf. mehr Interaktion seitens der Spieler*Innen implementieren können, möglicherweise ein ähnliches Dialogsystem wie in den Mass Effect- oder Dragon Age-Titel. Vermutlich hat man sich aber auch mit Blick auf den „Back to the Roots"-Ansatz des Titels dagegen entschieden.

Kenner der Dragon Quest-Reihe werden übrigens immer wieder auf bestimmte Archetypen treffen, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Reihe ziehen und auch in DQ 11 ihre Momente haben: Verzogene Königsanwärter, reichlich doofe Berufskriminelle oder laszive Bunny Girls - und natürlich darf in diesem Zusammenhang gerade der ewig schlüpfrige Puff Puff-Running Gag nicht fehlen. Dazu mehr im nachfolgenden Videoclip *räusper*

Jedenfalls schafft es DQ 11 die bekannten Trademarks clever zu variieren und der sehr traditionellen Erzählweise dennoch frische Impulse abzuringen. Der Ton pendelt zwischen klamaukig-albern, emotional fesselnd bis tieftraurig und dramatisch und vermag zu jedem Zeitpunkt eine ausgewogene Balance zu halten. Und obgleich die Welt vergleichsweise offen gestaltet und weitläufig konzipiert ist, und auch zum Erforschen einlädt, halten die Macher narrativ zu jedem Zeitpunkt die Zügel in der Hand. So ist Das ist schlicht intelligentes Writing.

MALERISCHES ARTDESIGN IM UNVERKENNBAREN TORIYAMA-STIL

Und das korrespondiert ganz hervorragend mit dem schicken Artdesign, für das seit jeher Dragon Ball Mangaka Akira Toriyama verantwortlich ist (der übrigens auch bei Yuji Horii's anderem Meisterwerk Chrono Trigger beteiligt war). Sowohl die Architektur, als auch die malerischen Kulissen und die Figuren tragen dabei natürlich unverkennbar seine Handschrift. Es ist schön zu sehen, wie liebevoll detailliert die Bewohner dieser Welt ausschauen und wie greifbar und treffend das Artdesign auch Stimmungen und Gefühle transportieren kann. Natürlich muss man den sehr uniquen Toriyama-Stil mögen, um Dragon Quest vollends genießen zu können. Dennoch wirkt alles herzlich stimmig und liebevoll aufgemacht: Die stimmungsvolle visuelle Präsentation kaschiert auch einige technische Unzulänglichkeiten: Sicherlich, manche Ladesequenzen sind einen Tacken zu lang, das Anti-Aliasing könnte einen stückweit sanfter ausfallen, die FPS geschmeidiger und einige wenige Umgebungstexturen könnten bisschen höher aufgelöst sein. Als Ganzes wirken diese Wehwehchen aber belanglos. DQ 11 wollte nie technisches Wunderkind für Grafikfetischisten sein, liefert aber mit dem Unreal Engine 4-Unterbau dennoch qualitativ hochwertige Kost ab. Die Farben sind knallig, die Umgebungen facettenreich: Saftig grüne Wiesen, unwirtliche Wüstenebenen, verschneite Gebirgspassagen, düster-schummrige Höhlen, gemütliche Käffer und architektonisch beeindruckende Metropolen. Dragon Quest 11 umspannt einmal alle Klimazonen- und Populationsgrade, die mit allerlei Vehikeln wie Pferden, Piratenschiffen oder fliegenden Drachen bereist werden können, und geizt dabei nicht mit feinen Details.

Gerade die dynamischen Elemente sind es auch, die zur Lebendigkeit der Spielwelt beitragen. Zwar ist das Zeit- und Wettersystem nicht durchgängig dynamisch, sondern partiell auch scriptbasiert - Dennoch beeinflusst der Tag-/Nacht- und Witterungswechsel auch die Tier- und Pflanzenwelt von Erdria - So sind die Monster, die nachts durch die Gegend wandern in der Regel gefährlicher als die tagaktiven Zeitgenossen. Bei Regen tauchen andere Monster auf, als bei Sonnenschein. Und hin und wieder sehen wir auch ein Monster oder Tier an einem gemütlichen Fleck vor sich hindösen. In dem Fall können wir uns galant an den Widersachern vorbeischleichen. Und natürlich werden auch bestimmte Events durch diese Faktoren getriggert.

ALTBACKENE SOUNDKULISSEN

Etwas mehr Schelte gibt es hingegen für die Soundkulisse. Einerseits bietet der Score des traditionellen Serienkomponisten Koichi Fujiyama zwar gewohnte Hausmannskost. Die Arrangements sind qualitativ natürlich weiterhin über alle Maße erhaben und fangen die verschiedenen Stimmungen situativ gut ein. Orchestrale Breitseite, wenn es dramatischer zugeht, trauernde Streicher in melancholischen Passagen und intensive Up Tempo-Nummern in Gefahrensituationen. So weit, so klassisch. Problematisch sind aber die ausgiebigen Wiederholungen der wohlbekannten Themse, hier hat man sich schlicht an den Oldies sattgehört - Und auch die Soundeffekte beim Öffnen von Truhen, beim Treppensteigen sind dieselben wie anno dazumal. Das sorgt nicht etwa für einen nostalgischen Aha-Effekt, sondern wirkt anachronistisch und verstaubt. Hier hätte man die alte Themes nehmen können, und Variationen und Remixes derselbigen in einem moderneren Gewand präsentieren können - ähnlich wie es bei der visuellen Präsentation gehandhabt wurde, wo der Spagat zwischen Old- und New School wunderbar funktioniert.

Dragon Quest 11: Streiter des Schicksals für die PlayStation 4 im Review: Japanischer Rollenspiel-Koloss alter Schule RUNDENBASIERTES KAMPFSYSTEM, WIE HAB ICH DICH VERMISST

Old Schoolig, aber gar nicht bieder wirkt auch das traditionsbewusste, rundenbasierte Kampfsystem - In Zeiten, in denen überwiegend Active Time Battle-orientierte Echtzeitkämpfe die Regel sind, wirkt die Rückkehr zur klassischen Form des Kampfes ebenso vertraut, wie bemerkenswert frisch. Die Innovationen gegenüber den klassischen Titeln sind eher moderat. Je nach Positionierung gegenüber dem Widersacher, Zufallskämpfe gibt es hier abgesehen vom Meeresgebiet nicht, können wir die Runde natürlich mit entsprechenden Vor- oder Nachteilen starten. Die Aktionen der bis zu vier Kämpfer*Innen umfassenden Party lassen sich entweder manuell festlegen, oder können wahlweise auch der KI überlassen werden. Und ähnlich wie beispielsweise in der Tales of-Reihe kann auch eine Figur gesteuert werden, während den drei Mitstreitern spezifische Rollen- und Verhaltensschematazugewiesen werden. Während des Kampfes kann unmittelbar Einfluss auf das Kampfgeschehen genommen werden - Aktive Kämpfer*Innen lassen sich gegen Passive austauschen, Ausrüstungen können mitten im Kampf angepasst werden. Ansonsten gibt es die üblichen JRPG-Komponenten im Kampf: Die Möglichkeit der Flucht, Itemnutzung, Wahl zwischen physischen und magischen Angriffen oder Positionierung in Defensivhaltung. Die magischen Fähigkeiten lassen sich bei höherem Nutzungsaufkommen natürlich entsprechend aufleveln. DQ 11 ist ein Beispiel dafür, dass ein funktionierendes und gut ausbalanciertes System schlicht keine selbstzweckhaften Innovationen braucht.

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Je nach Länge des Kampfes, kann unsere Party auch mit erhöhten Statuswerten kämpfen, die unter spezifischen Konditionen in besonders mächtigen Koop-Attacken münden können. Diese sind vor allem im Kampf gegen die Bossgegner vonnöten. Der Schwierigkeitsgrad ist als moderat zu bezeichnen. Auch JRPG-Laien kommen weitgehend gut klar - Lediglich die genannten Bosse sind durchaus anspruchsvoll und erfordern entweder ein gezieltes Anwenden bestimmter Strategien oder eine entsprechende Vorlaufszeit mit grindlastigen Levelphasen.

Puristen, die den ganz harten Kurs einschlagen wollen, können sich die sogenannten „Drakonischen Regeln" auferlegen, die das Spiel wesentlich schwerer machen. So kann man sich bestimmte Handicaps verpassen - Beispielsweise kann man einstellen, dass es nicht möglich ist, aus Kämpfen zu fliehen, Items zu nutzen oder bestimmte Ausrüstungsgegenstände anzulegen. Diese Regeln lassen sich im Zweifelsfall nachträglich deaktivieren. Regeln zu aktivieren geht nach Spielbeginn allerdings nicht mehr. Dafür ist es möglich, an bestimmten Stellen im Spiel, die Punkte auf dem Skilltree neu zu verteilen, sodass man in der Hinsicht recht flexibel ist, sofern man sich unter Umständen ein bisschen bei der Schwerpunktsetzung verrannt hat.

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Wie es eben so ist, lassen die (kreativ designten) Monster neben Gold und Erfahrungspunkten, auch gerne Items und Ressourcen fallen. Diese können in einem rezeptbasierten Crafting-System aufgewendet werden, um besseres Equipment herzustellen. Das funktioniert, indem man zunächst in Büchern und alten Schriften nach Rezepten sucht, dann die entsprechenden Ressourcen zusammensucht und dann in einem reaktiven Crafting-Minispiel den Schmiedehammer schwingt, um Waffen, Schmuck oder Rüstungsgegenstände zusammenzubasteln.

GEWALTIGER UMFANG

Doch das ist nicht die einzige Form der Zerstreuung, die Dragon Quest 11: Streiter des Schicksals bietet. Neben der gewohnten und umfangreichen Suche nach versteckten Schätzen und Minimedaillen, können wir im Casino beim Pokern oder an den einarmigen Banditen unser Kapital aufstocken (oder merklich reduzieren), Wetten auf Pferderennen abschließen, Schnitzeljagden mit der Armbrust absolvieren und etliche Nebenquests entgegennehmen, die uns die NPCs dieser Welt anbieten. Das können sowohl kleinere Bring- und Hol-Aufgaben sein, als auch mehrstufige Quests mit einer eigenständigen Backstory.

Während man für die Hauptstory rund 40, 50 Spielstunden aufwenden muss, kommen wir mit allen anderen Aktivitäten recht locker in den dreistelligen Bereich.

KEIN AUTOSAVE

Automatische Speichermechanismen gibt es ebenfalls weitgehend nicht, stattdessen wird zumeist klassisch in den Kirchen abgespeichert. An diesen Stellen, und an gesegneten Statuen können auch weiterhin gefallene Partymitglieder belebt werden oder negative Statusveränderungen geheilt werden. Nach dem Ableben aller Partymitglieder startet man dann üblicherweise auch an dieser Stelle - Ein direktes Einsetzen in die Kampfhandlung ist somit nicht möglich.

Dragon Quest 11 bietet neun Speicherslots - Das könnte je nach Spielstil gegebenenfalls ein Defizit sein, hat mich aber nicht merklich beeinträchtigt. Und auch die Menüführung ist weitgehend klassisch geblieben, wenn man von Auto Healing-Komfort Features einmal absieht. Der konsequente „Zurück zu den Wurzeln"-Ansatz ist also mehr oder minder auf allen Ebenen präsent.

Bei Amazon bestellen: Dragon Quest 11: Streiter des Schicksals [PlayStation 4] Fazit

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