Pierre Dragon hat einen neuen Fall: Schleuserbanden und Menschenhandel mitten in Paris Überrachenderweise führt ihn das nicht nur ins Rotlichtmilieu, sondern auch in die Textilbranche und damit direkt zu den Lesern. Oder haben Sie kein billiges T-Shirt einer großen Modekette? Ach, Sie haben darauf geachtet, dass es nicht aus Billiglohnlndern kommt ... Naiv.
Im Regelfall bin ich kein Freund der schriftlichen Wiedergabe von Waschzetteln oder Klappentexten, aber in diesem Fall mache ich eine Ausnahme, weil diese drei Sätze einfach eine ernstzunehmende Wucht entwickeln können, wir Rezensenten nennen sowas auch gerne schallende Ohrfeige.
Zum Comic: Pierre Dragon ist ein Tarnname, ein Alias. Dragon ist ein verdeckter Ermittler im Dienste der R.G. - Renseignements Généreux, der geheimdienstlichen Abteilung der französischen Polizei. Ein Mann vom Fach, Geheimdienstbulle, harter Hund.
Frederik Peeters, der Zeichner hat die Interviews, die er mit Dragon geführt hat zu atemberaubend lebensnahen Szenen und glaubwürdigen Momentaufnahmen verfugt, die die Ermittlungstätigkeiten als präzise Miniaturen abzubilden verstehen.
Während im ersten Teil der oftmals triste Beschattungsalltag bei der Verfolgung großangelegter, schmutziger Transaktionen und der organisierten Geldwäsche im diplomatischen Milieu (mit politischer Duldung des französischen Staates) geschildert wurde, wechselt der Comic in diesem Band nun auf die Strassenperspektive. Im scharfen Gegensatz zu Riad an der Seine ist das Verbrechen hier nicht abstrakt und entrückt, fährt nicht in abgedunkelten Limosinen durch die Pariser Nacht der besseren Viertel, sondern leidet unter der ständigen Furcht vor Razzien und Abchiebung.
Es sind die Illegalen, die sans papiers, denen dieser Comic zugewandt ist, die bettelarmen Unsichtbaren, die in den billigen Bordellen ausbluten, die in illegalen Schneidereien in den Banlieus für große Ketten kostenneutraler schupften. Say it, the dirty word - Sweetshops mitten in Paris.
Dragon schildert die Ermittlungsarbeit minutiös, all der Frust, all die Wut, all die Willkür. Spricht offen von den rassistischen Vorurteilen von Kollegen, vom dem eine Hand wäscht die andere Prinzip, von den vereitelten Razzien und von den treuen Spitzeln, ohne die er als Ermittler vollkommen chancenlos wäre.
Was mich an dem Comic fasziniert ist zweierlei. Zum einen die Gabe Peeters so präzise, dichte und glaubwürdige Bilder zu entwerfen, dass man ihm die Abbildung der Wirklichkeit abnimmt, denn es eine große Herausforderung an die darstellende Kunst, kritisch & spannend zu erzählen ohne in die dokumentarische Ödnis zu verfallen. Aber auch die Deutlichkeit mit der Dragon den Polizeialltag schildert, frei von klebriger Heroisierung oder aufdringlichem Machismogebaren, ist bewundernswert.
Bangkog Belleville ist (ebenso wie der erste Band) ein sehr spannendes erzählerisches Experiment, welches dem politischen Comic eine neue, hochrealistische Nuance hinzufügt, daher meine klare Flaneurempfehlung!
Ich verspreche euch, (mindestens) eine Szene in diesem Comic wird euch wütend machen, eine andere betroffen und bei einer weiteren werdet ihr die Magensäfte auf ihrem Weg nach oben spüren. Peeters erzählt in harten, impressiven Bildern, die man so schnell nicht vergessen wird - und Sie glauben dass das in Ketten schlagen eine vergangene Tradition in Europas Städten sei ... Naiv.
Brandaktuell, hochspannend und vielleicht ein Hebel auch mal die nicht ohnehin schon menschenrechtbewegten auf die hässliche Fratze des globalisierten Marktes aufmerksam zu machen und vielleicht auch ein probates Mittel, die allzu flachen Klischees über Polizeiarbeit und Bullenschweine zu überdenken. Die beiden etwas anderen Polizeiromane findet ihr hier (Band I & Band II).