Dr. Karl Javorszky: Erst streiten, dann streicheln

Erstellt am 8. November 2011 von Newssquared @Oliver_schreibt

Dr. Karl Javorszky: Erst streiten, dann streicheln

Der amerikanische Psychologe David Schnarch behauptet in seinem Buch Die Psychologie sexueller Leidenschaft, dass Paare, die sich Auseinandersetzungen liefern, im Bett wesentlich mehr Freude aneinander haben, als solche, die ihr Verhältnis in den Dienst der Harmonie stellen. Haben temperamentvolle Partner, die gerne ihrem Ärger in einem offenen Streit Luft machen, tatsächlich besseren beziehungsweise häufigeren Sex?

Dr. Karl Javorszky: Es hilft jedenfalls, wenn man sich emotional öffnen und anvertrauen kann. Dies gilt auch, wenn man «unanständige» und wenig salonfähige Gefühle hat, wie zum Beispiel Eifersucht, Herrschsucht, Verzweiflung oder Ärger. Emotionen sind Emotionen, ob angenehme oder unangenehme. So fühlt man sich als Paar auch bei Auseinandersetzungen doch irgendwie verbunden. Und das kann natürlich nach dem Abkochen der ersten Wut zu umso besserem Sex führen.

Wie muss eine Auseinandersetzung verlaufen, damit es zu harmonisierendem Versöhnungssex kommen kann?

Javorszky: Aufrichtig. In der Fachsprache sagt man authentisch. Wenn es einem eigentlich ziemlich Wurst ist, was man sagt. Wenn es beiderseits echte, nicht geschauspielerte Gefühle sind, findet man zu sich. Beide Partner erleben sich so selbt. Echt, authentisch. Und das hilft dann der Hormonproduktion auf die Sprünge.

Ist Versöhnungssex nicht oftmals nur der Versuch eines Partners, die Probleme unter den Tisch zu kehren, den anderen zu besänftigen und zu halten?

Javorszky: Kann durchaus sein. Aber was ist daran schlimm? Ist es moralisch-ethisch hochwertiger, wenn man ständig hysterische Szenen macht und kein Mensch einem je genug ist, weil man immer etwas zu motzen und kreischen findet?

Wie viel Verlustangst steckt im Versöhnungssex und woran bemerke ich, ob mein Partner wirklich Lust hat oder sich aus Unsicherheit binden will?

Javorszky: Das ist egal. Sie haben vor der eigenen Tür zu kehren und zu checken, ob Sie wirklich Lust haben und/oder Sie sich aus Unsicherheit binden wollen. Jemand, der sich darüber den Kopf zerbricht, was der Partner empfindet und sich nicht über die eigenen Empfindungen klar sein will, ist eine blöde Nervensäge und wird eh keine Beziehung am Leben halten können. Eine Null ist keine gute Gesellschaft, und wer sich selbst Null kennt ist eine Null.

Kann Versöhnungssex vielleicht auch gerade aus der durch einen Streit entstandenen Nähe – weil man sich offen, verletzlich und nackt gezeigt hat – entstehen?

Javorszky: Das ist richtig. Wenn man sich aufrichtig streitet, gibt man etwas preis, also entsteht Vertrauen.

Oder ist gerade das Gefühl, Sex mit einem Fremden, einem Menschen, den man gerade überhaupt nicht versteht, zu haben das Erotisierende an der ganzen Sache?

Javorszky: Die anonyme schnelle Nummer ist ein Bumsen-Aus-Trotz. Sowas ist allenfalls kurzzeitig nützlich, denn sobald Ärger, Eitelkeit, Rache oder Einsamkeit verflogen sind, bleibt nichts als Motivation. Die anonyme schnelle Nummer verneint wie so oft nur die Herrschaft der Mutter, die unverwechselbar ist und Treue und Bindung verlangt.

Handelt es sich bei Versöhnungssex eher um ein Ventil oder um den Ausdruck von Liebe?

Javorszky: Ist Liebe etwas anderes als ein Ventil? Man will dem biologischen Instinktdruck entkommen und sucht sich ein Ventil. Man will dem unerträglichen Gefühl entkommen, sexuell frustriert zu sein und sucht sich jemanden, mit der/dem das geht. Sie meinen wohl, dass Sex nur dann richtig und moralisch zulässig ist, wenn es gesegnet, edel, anständig, von allerhöchsten apostolischen Empfindungen begleitet ist? Dem ist aber nicht so. Die Natur moralisiert nicht. Der ist es egal, ob wir gerade gekuschelt oder gestritten haben. Sex ist Sex und Sex ist gut.

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Versöhnungssex – Erst streiten, dann streicheln

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