Double Standards and Full Spectrum Dominance

Mathias Bröckers, Paul Schreyer. Wir sind die Guten. Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Medien manipulieren

KenJebsenMathiasBroekersInterview

KenFM im Gespräch mit Mathias Bröckers – Foto: © Screenshot aus dem 2-stündigen Interview (1)

Es war an der Zeit. Seit dem Beginn dessen, was neutral noch am besten als Ukraine-Krise bezeichnet werden kann, wurde zum ersten Mal ein Phänomen sichtbar, das in dieser Dimension neu war. Große Teile der Bevölkerung wandten sich ab von der Art und Weise, wie in den großen Tageszeitungen, Journalen und im öffentlich-rechtlichen Fernsehen darüber berichtet wurde. Es war nicht mehr die Kritik einer politisierten, nicht parteipolitisch gebundenen Opposition, sondern die derer, die normalerweise die Quoten ausmachen. Ganz normale Konsumenten der Nachrichten und des politischen Journalismus begannen sich die Augen zu reiben über die einseitige Parteinahme in der Berichterstattung, über die Verdrehung von Tatsachen, über die Anwendung propagandistischer Legenden und über die ständigen Versuche, den Konflikt zu eskalieren. Die ehemalige Russland-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz hatte in einem langen Interview ihr Unbehagen über das zu beobachtende journalistische Handwerk zum Ausdruck gebracht und wurde damit zum Renner auf YouTube (2).
 

Nun, endlich, haben Mathias Bröckers und Paul Schreyer das Ärgernis eines kriegstreibenden Journalismus und die dahinter stehenden tatsächlich wirkenden Kräfte in einem Buch systematisiert aufbereitet. Unter dem Titel “Wir sind die Guten. Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Meiden manipulieren” haben sie das Thema aufgegriffen und liefern mit einer Reihe der angestellten Betrachtungen sehr nützliches Material, das gebraucht wird, in dem gegenwärtig herrschenden bellizistischen Dunst die eine oder andere verlorene Seele noch retten zu können.

Zum Beispiel widmet sich das Buch der tatsächlichen Geschichte der ukrainischen Nation, die in dieser Form gerade einmal 20 Jahre aufweist, sondern immer aufgeteilt und /oder annektiert war, mal von Russen, mal von Polen und mal von Deutschen. Des Weiteren wird sehr pregnant der gegenwärtige Weltatlas der Öl-Pipelines aufgezeichnet und damit illustriert, inwieweit die USA bzw. die aus den USA agierenden Ölkonzerne kein Interesse daran haben können, dass Versorgungsadern vom Iran über Syrien bis ans Mittelmeer entstehen oder eine russisch-iranische Versorgungslinie nach Indien entsteht. Es geht um Weltherrschaft und den in der Bush-Ära geprägten Begriff der Full Spectrum Dominance. Um diesen zu erreichen, ist es seit den Tagen der britischen Weltherrschaft durchaus üblich, mit so genannten doppelten Standards zu operieren, d.h. durchaus mit Schurken zu operieren, wenn sie nur nützlich sind und und politisch Zivilisierte über die Klinge springen zu lassen, wenn sie der Full Spectrum Dominance im Weg stehen.

Auch die inneren politischen Kräfte der Ukraine werden analysiert. Das alleine führt schon dazu, dass man sich die Augen reibt angesichts der semantischen Fragmente, die einem von der Süddeutschen bis hin zum Heute Journal vor die Füße geworfen werden. An Beispielen wie der Aufbereitung einer Legende um den so genannten Schokoladenkönig Poroschenko, der sein Geld aber auch mit Waffen verdient, erhält die Leserschaft noch einmal eine Lehrstunde über das Wirken journalistischer Propaganda genauso wie an der Rekonstruktion der Berichterstattung über den Abschuss der MH17, die lanciert ist, um den Konflikt zu eskalieren und nicht, um Geschehenes aufzuklären. Alle Analysen sind eingebettet in einen Bezug zu dem Wirken amerikanischer Lobbies und Think Tanks, wodurch vieles tatsächlich noch einmal in einem anderen Licht erscheint.

Es wird deutlich, dass sich in der Eskalation des Konfliktes um die Ukraine Europa und vor allem Deutschland in die Geiselhaft amerikanischer Interessen hat nehmen lassen. Die von den beiden Autoren angedeutete Alternative, die Ukraine als einen eurasischen Brückenstaat zu denken und Russland wiederum als Partner im Wirtschaftskontakt zu Asien scheint angesichts der desaströsen Befindlichkeit der anglo-amerikanischen Ökonomien wie politischen Systeme eine vielleicht lebenswichtige Variante zu sein.
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