Dorfsaujournalismus

Hagen Rether hat es als erster benannt: Wir echauffieren uns jede Woche, manchmal auch zwei, über ein Thema und steigern uns von Montag bis Sonntag von 0 auf 100. Man erkennt diese Kampagnen an der Formel: " ... als bisher bekannt."
Beispiele aus dem ersten Quartal:
In der vergangenen Nacht ist wesentlich mehr Neuschnee gefallen, als bisher bekannt.
Auf den erworbenen Datenträgern sind wesentlich mehr Steuerhinterzieher verzeichnet, als bisher bekannt.
An der Reisedelegation des Bundesaußenministers haben wesentlich mehr FDP nahe Unternehmer teilgenommen, als bisher bekannt.
Oder auch:
Im Haushalt des bekannten Meteorologen sind wesentlich mehr Messer gefunden worden, als bisher bekannt.
Zum einen werden mit dieser Redewendung Banalalitäten zu einer Nachricht aufgebauscht. Zum anderen suggerieren sie investigative Tätigkeit des Berichterstatters: "Bekannt ist das, was uns bekannt gemacht werden. Aaber, ich habe mal tiefer gewühlt..."
Die Irreführung liegt darin, dass hier Irrelevantes aufgewertet wird aber sogetan wird, als habe man Relevantes mühevoll ans Tageslicht gebracht. Der Beweis für die Irrelevanz de Kampagne ist, dass sie in der nächsten Woche von einer neuen Kampagne abgelöst wird.
Oder ist es so, dass selbst wichtige Befunde nicht weiter verfolgt werden, wenn es nach einer Woche Stoff für eine neue plakative Kampagne gibt? Das wäre fatal.
Rether machte den Rythmus der Wochenmagazine für diesen Modus verantwortlich. Pro Jahr schaffen wir 50 bis 52 Themen. Aber schon nach zwei Wochen haben wir vergessen, worüber wir uns mal richtig aufgeregt haben.

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