Donnerstag mit einem Kommentar von Gerda zur Handke Debatte

Von Xeniana

Ich möchte hier gern noch einmal einen Kommentar von Gerda (sie führt den sehr inspirierenden und wunderbaren Blog gerdakazakou.com) , Raum geben. Liebe Gerda, ich danke dir an dieser Stelle für diesen detaillierten, sehr interessanten und vor allem sehr persönlichen Kommentare zur Debatte um den Nobelpreis für Peter Handke.

Es ist schwer, nach einer solchen Lektüre (TAZ-Artikel von Sila) Worte zu finden. Und doch will ich es versuchen. Sila beschwert sich, dass Handke davonrennt und längst verstorbene Autoren als Zeugen seiner Kunst anruft. Dazu noch die falschen, wie Sila meint. Sila macht Handke mitverantwortlich für die Schrecknisse, die eine Mädchen in Srebrenica passierten. Was erwartet er von Handke? Ein “mea culpa”? Das würde er ihm ins Gesicht spucken. Ist denn eine Verständigung zwischen dem, der sich zu den Opfern zählt, und dem, der es mit den Tätern hielt, überhaupt möglich? Nicht, wenn der eine für sich die ausschließliche Opferrolle für sich in Anspruch nimmt und dem anderen die Schuld des Täters zuteilt. Handke kann da ja nur sprachlos bleiben.
Ich möchte am liebsten auch sprachlos bleiben. Es wäre einfacher. Es wäre auch einfacher, sich der allgemein geltenden Sicht der Dinge anzuschließen. Wie der Gatte sagt: “Hättest du im Geschichtsunterricht aufgepasst”, dann hätte ich nun die richtige Sicht der Dinge: Milosewich der Massenmörder, das bosnische Volk und auch das kosovarische das Opfer. Die NATO-Bombardierungen die Rettung für die Vergewaltigten,die Vertriebenen, die Ermordeten. Sie verhinderten ein “neues Auschwitz” (Fischer)..

Ich habe aufgepasst, sehr sogar. ich habe drei Monate ununterbrochen geweint – nicht über die Ermordung der Bosnier und Kosovaren freilich, denn das hielt ich weitgehend für Gräuelpropaganda, sondern darüber, dass Deutschland seine Rolle in der Welt fand, indem es ein drittes Mal Belgrad zerbombte.
Ich habe später ein paar Waisenkinder von serbischen Bosniern finanziell adoptiert. Etwa 60 000 waren es wohl insgesamt. Vaterlose Kinder wie ich selbst, denn mein Vater fiel in Russland. Auch er ein “Täter”. Eine kleine griechische linke Organisation “Karawane der Solidarität” versuchte, diesen Kindern zu helfen, damit sie und ihre Mütter, sofern die noch existierten, überlebten. Wieviele Flüchtlinge leben noch in den Lagern? Es waren hunderttausende, vertrieben aus der Kraijna (Kroatien), Bosnien und aus dem Kosovo.
Der Krieg, der Jugoslawien zerstörte, hat ungeheures Leid verursacht. Haben die Serben, hat Milosevic diesen Krieg begonnen? allein? Oder wer sonst noch? Wer war an der Zerstörung des Landes interessiert? Wer hat daran mitgewirkt? (einiges kann man dazu bei Wikipedia lesen). Ich habe all die Facetten dieses Krieges, der zugleich ein Übungsfeld für neue Waffen war (depleted Uranium) und eine Vorbereitung für weitere Kriege (Irak, Afganistan, Libyen, Syrien, Iran), tagtäglich verfolgt. Und ich habe Handkes Reaktion damals sehr gut verstanden. Sie war mir sympathisch. Er war nicht feige – ganz im Gegenteil. Er war mutig, denn seine Fürprache für Serbien war im deutschsprachigen Raum unerwünscht. Aber nun ist er offenbar müde geworden und mag nicht mehr reden, wenn die jungen Schriftstelller ihm ihre Wunden zeigen.