Der Inbegriff Italiens: Un Cappuccino!
Südtialien – ein bisschen Wilder Westen?
Zugegeben: Italienreisende überfällt der Kulturschock schon am Grenzübergang in Chiasso-Brogeda, denn kaum ist die Grenze passiert, weist die Strasse Schlaglöcher auf und die Tempolimiten werden plötzlich nicht mehr respektiert. Erreicht man die Destination, kommt man auch dort auf die Welt: Schlangestehen an der Bar, viel Verkehr und Lärm überall. Je südlicher desto schlimmer. Wirklich?
Ist im Süden Italiens wirklich alles so schlimm?
Spaghettigraben – der Röstigraben Italiens
Wie ihr vielleicht wisst, verfügt auch Italien über eine Art „Röschtigraben“, den man wohl eher zum „Spaghettigraben“ umtaufen sollte. Viele Nordländer, insbesondere Norditaliener, hegen grosse Vorurteile gegenüber dem Süden. Dieser sei angeblich voll von Mafiosi, habe mit dem Abfall ein Dauerproblem und mit der Arbeitslosigkeit sowieso. Und der Verkehr sei total chaotisch, die Landsleute lärmig. Doch Halt! Ich als Süditalien-Liebhaberin muss an dieser Stelle mal ein klares Wort sprechen: Der Süden ist in manchen Dingen dem Norden voraus!
Der Süden Italiens ist in manchen Dingen dem Norden voraus
Allen voran in der Herzlichkeit der Menschen – diese ist in keinem anderen Winkel des Belpaese zu übertreffen. Auch wenn diese etwas lauter daherkommt. Die Grosszügigkeit, mit der sie das wenige teilen, was sie besitzen, einen zu Tisch laden und bekochen, lässt so manches Herz dahinschmelzen. Sie sind stets so gut gelaunt, wie wenn sie die Sonne im Herzen hätten. Man lebt im Hier und Jetzt, das Leben ist fordernd, man muss sich durchwinden, aber irgendwie klappt es immer. Mit wenig viel erreichen, lautet das Lebensmotto. Die Mafia hat wohl ihre Wurzeln im Süden, was nicht zuletzt der Armut zuzuschreiben ist, dennoch ist Süden nicht gleich Mafia, denn diese gibt es überall, wie diverse Schlagzeilen bestätigen. Unter anderen Namen, in anderen Formen.
S wie Sizilien oder Schweiz
Was den Abfall betrifft, habe ich Neapel diesen Sommer sauberer angetroffen als Venedig vor zehn Jahren. Und in Pompeji, wo Familie und Freunde meines Gatten wohnen, wurde die Abfalltrennung früher eingeführt als bei mir in Südligurien. In jedem Privathaushalt hing ein detailliert-durchorganisierter Abfallkalender, der bei uns erst vor fünf Jahren in Kraft trat. In Sizilien wurde mir dies noch deutlicher vor Augen geführt: Die Vermieterin der Ferienwohnung bat uns, die Abfalltrennung genau durchzuführen. Eine Wissenschaft für sich! Und das Tüpfli auf dem i: Sogar sonntags wurden die öffentlichen Kübel geleert. Ich konnte meinen Augen kaum glauben. Die Strände waren pieksauber, die Strassen ebenfalls und die Autos fein säuberlich parkiert. Ich wähnte mich in der Schweiz! Und als die Autos am Fussgängerstreifen hielten, wurde es mir schon fast peinlich. Das ist ja schon fast zuviel des Guten.
Leben im Hier und Jetzt
In Sachen Arbeit herrscht im Süden die Hauptregel „Arbeit gibt es nicht, man muss sie erfinden“! Wie, fragt ihr euch jetzt wohl. Kleine Anekdote: Nach einem Fussballmatch fuhren weder Metro noch Bus. Also organisierten wir ein Taxi. Der Taxifahrer holte uns planmässig ab und fuhr in Richtung Stadt. Plötzlich fragte er uns, ob wir fünf Minuten Zeit hätten (es war schon kurz nach Mitternacht und wir waren bettreif, aber ok, wir sind ja in den Ferien) und so brachte er uns zum schönsten Aussichtspunkt Neapels überhaupt. Klar, dass wir ihm neben den vereinbarten 30 Euro noch ein grosszügiges Trinkgeld gaben. Am nächsten Tag sahen wir beim Frühstück in der Bar eine Kutsche vorüberziehen, und erkannten auf den zweiten Blick den Taxifahrer, der uns fröhlich zurief. Was für ein Gelächter! Das heisst, sich den Job zu erfinden. In seinem Fall: Touristen umherchauffieren, per Taxi oder hoch zu Ross. Auch in unserem neapolitanischen Freundeskreis gibt es Leute mit kreativen Jobs; die eine arbeitet auf Stör als Kosmetikerin, andere verdienen sich ihr täglich Brot mit aufwändigen Dekorationen aus Styropor. Fragt jetzt nicht nach der Altersvorsorge, im Süden lebt man im Jetzt. Und irgendwie wird man sich auch durchs Alter wursteln, so wie man das jeden Tag macht.
Wie gut kennt ihr den Süden Italiens? Was gefällt euch am Süden von Bella Italia? Was weniger?
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Sarah Coppola-Weber ist gebürtige Ostschweizerin mit italienischem Pass. Sie lebt mit einem neapolitanischen Ehemann, zwei Töchtern (16 und 13) und einem Sohn (9) seit 17 Jahren in der Nähe von La Spezia. Für “Die Angelones” schreibt die ausgebildete Doula über Familien -, Gesundheits- und Ernährungsthemen sowie Themen, die Eltern den Alltag mit ihren Sprösslingen erleichtern und lässt dabei die LeserInnen am facettenreichen italienischen Alltag teilhaben, wo der Ausnahmezustand oft an der Tagesordnung und von „dolce far niente“ keine Spur ist!
Mehr über Sarah und ihre Familie erfahrt ihr in im spannenden Interview, das wir mit ihr führen durften!
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