Ewiges Dolce far niente: Hach – wie gut es die Italiener doch haben, nicht?
Sommer, Sonne, Strandleben: Dolce Vita pur! Meint ihr jetzt wohl, aber für In-Italien-Lebende ist es nicht ganz einfach, zur Hochsaison in diesem Land zu wohnen. Mal abgesehen von der Hitze, die vieles im italienischen Alltag ein wenig komplexer gestaltet, wenn die altbewährte Siesta wieder zum Zug kommt und sich der Rhythmus notgedrungen ändert.
Die Geschäfte wechseln von Winter- zu Sommeröffnungszeiten, wo nachmittags vor fünf Uhr nix zu wollen ist. Ämter und Geschäfte laufen auf Sparflamme. Man tut sich gut daran, etwaige Behördengänge möglichst vormittags zu erledigen. Und zwar so früh wie möglich. Denn nach zehn Uhr beginnt die Hitze – che caldo! – und man kehrt schnellstmöglichst nach Hause zurück, um den mörderischen Rekordtemperaturen zu entfliehen – bei geschlossenen Fensterläden, notabene! Und mit eingeschaltetem Ventilator, der für ein ständiges laues Lüftchen sorgt. Wer unter freiem Himmel arbeitet, ändert notgedrungen ebenfalls den Tagesrhythmus und beginnt frühmorgens, um dann kurz nach Mittag das Tagewerk hinzulegen. Und unsereiner sitzt bereits morgens schweissüberströmt im nicht klimatisierten Büro und versucht, diese Zeilen einigermassen ordentlich aufs Blatt zu bringen. Oder ein mehr oder weniger gescheites Geschäftstelefonat zu erledigen. Oder eine sinnvolle Recherche zu betreiben.
In der Freizeit werden wir dann von den Arbeitskämpfen in der brütigen Bürohitze erlöst und dürfen uns fröhlich unters gutgelaunte Ferienpublikum mischen – das ist unsere Geheimwaffe. Niemand weiss von unserem Doppelleben, wir, die jetzt so lässig im Strandsessel die Seele baumeln lassen und so tun, wie wenn wir ewig der Dolce Vita frönen würden.
Che bella vita! Aber Achtung – am nächsten Morgen läutet der Wecker dann doch wieder!
Da beginnt für mich der Genuss an der Sache: Mit den Kids im Schlepptau mache ich mich auf den Weg ins blaue Paradies, und werde dort für den Kinderreichtum belohnt: Je mehr Kids, desto mehr Rabatt. Und auch wenn es keine verfügbaren Parkplätze mehr gibt, dann wird das Unmögliche möglich gemacht. Ach nein, mit sovielen Kindern können wir Ihnen den Shuttlebus zum Strand doch nicht zumuten! Tja, so schlage ich dem Land mit der tiefsten Geburtenrate Europas ein Schnäppchen. Es lohnt sich halt doch, mit drei Sprösslingen und dem einen oder anderen Spielkameraden einen Nachmittag am Meer zu verbringen. Vor allem, wenn diese zu den Wasserratten gehören und mehr Zeit unter Wasser als auf dem Liegestuhl verbringen. Den ich dann ganz genussvoll für mich alleine in Anspruch nehmen darf – und mich ganz ohne schlechtes Gewissen meiner Lieblingslektüre zuwenden oder endlich tiefgründige Gespräche mit einer guten Freundin führen kann.
Um Ferragosto herum (15. August) wird unser Einfallsreichtum in Sachen Kinderunterhaltung auf die Probe gestellt, denn dann ist es an den Stränden zu voll und zu laut und unsereins versteckt sich lieber an einem lauschigen Plätzchen am Fluss oder picknickt unter schattigen Bäumen. Doch auch abends wird für unsereiner viel geboten – im Sommer jagt ein Feuerwerk das andere und Volksfeste schiessen wie Pilze aus dem Boden. Che bella vita! Aber Achtung – nicht zu spät ins Bett, denn morgen, im Gegensatz zu den Feriengästen, schrillt uns der Wecker aus dem süssen Nichtstun….. und da soll mal einer sagen, in Italien werde nicht gearbeitet! Aber das ist ein anderes Thema. In diesem Sinne grüsse ich schweissüberströmt aus der Hitze Italiens und verschwinde gleich an meinen Lieblingsstrand….ciao!
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Sarah Coppola-Weber ist gebürtige Ostschweizerin mit italienischem Pass. Sie lebt mit einem neapolitanischen Ehemann, zwei Töchtern (15 und 12) und einem Sohn (8) seit 17 Jahren in der Nähe von La Spezia. Für “Die Angelones” schreibt die ausgebildete Doula über Familien -, Gesundheits- und Ernährungsthemen sowie Themen, die Eltern den Alltag mit ihren Sprösslingen erleichtern und lässt dabei die LeserInnen am facettenreichen italienischen Alltag teilhaben, wo der Ausnahmezustand oft an der Tagesordnung und von „dolce far niente“ keine Spur ist!
Mehr über Sarah und ihre Familie erfährt ihr in im spannenden Interview, das wir mit ihr führen durften!
Seid gespannt auf Sarahs nächsten Beitrag, in welchem sie uns über eine der liebsten Freizeitbeschäftigungen der Italiener erzählen wird!
Sarahs bisher erschienenen Beiträge könnt ihr hier nachlesen:
- Familientrip nach Rom
- Schule aus: Dolce Vita für Italiens Sprösslinge
- Ob “Happy Hour” oder “Apericena” – Kinder unerwünscht!
- Tanti auguri: Kindergeburtstag all’italiana
- Besser als sein Ruf: Das italienische Gesundheitssystem
- Vom Schlangenstehen in der Schneckenpost
- Von wegen Januarloch – In Italien heisst es “Ausverkauf”!
- Festtage all’ italiana: Es geht nichts über Gaumenfreuden
- Alles eine Frage der Verantwortung
- Italien: Sport und andere Aktivitäten im Leben der bambini
- Nach drei Monaten Schulferien: Endlich heisst es Back to School in Italien