Dolce Vita: Bei Krankheit droht Kontrolle

Von Die Angelones @DieAngelones

Bild: Pixabay

Krankheit wird kontrolliert

Derzeit ist in der Schweiz die Diskussion um Invalidenbetrug wieder angefacht worden. Dies ist auch in Italien nicht anders, doch in Sachen Kontrolle ist der Belpaese wohl einen Hauch strenger. Warum, fragt ihr euch bestimmt. Die Frage ist berechtigt. Wer krank geschrieben wird, ist der Kontrolle unterworfen. Was?!

Die Gesundheitspolizei

Jawohl! Jeder, der in Italien im Angestelltenverhältnis tätig ist und krank geschrieben wird, ist der Gesundheitskontrolle unterworfen. Das bedeutet, dass täglich zwischen 10.00 und 12.00 Uhr und zwischen 17.00 und 19.00 Uhr sogenannte „Gesundheitspolizisten“ an der Tür klingeln und sich vor Ort versichern können, dass der Krankgeschriebene auch tatsächlich das Bett hütet. Oder wenigstens die eigenen vier Wände. Vier Stunden am Tag muss jeder, der krankgeschrieben ist, zu Hause anzutreffen sein. Vier Stunden am Tag, um die herum der Alltag und die ganzen sonstigen Aktivitäten organisiert werden müssen. Bei Personen im Beamtenstatus ist das sogar noch strenger: Sieben Stunden am Tag müssen sie anzutreffen sein, und zwar von 9.00 bis 13.00 Uhr und von 15.00 bis 18.00 Uhr.

Die Kontrollen schlagen aufs Gemüt

Das ist eine ziemliche Jongliererei, möchte man auch mal kurz einkaufen oder spazieren gehen oder sonst etwas unternehmen, das die Moral ein wenig anhebt, denn umsonst ist man ja wohl kaum krankgeschrieben… Und es liegt auf der Hand, dass physische Leiden oft auch eine psychische Komponente haben und der vom Staat auferlegte „Hausarrest“ der Möglichkeit, die Leidenszeit mit irgendwelchen Ausfahrten oder Spaziergängen, und sei dies auch nur der Gang zur Post oder der Einkauf im Supermarkt, zu lindern, einen dicken Strich durch die Rechnung macht. Doch es kommt noch schlimmer: Die angegebenen Zeiten gelten auch für Wochenenden und Feiertage! Die Kontrolle gibt den Takt an, auch am Samstag und Sonntag, an Weihnachten und Ostern. Dabei ist nicht gesagt, dass sie auch tatsächlich erscheint, denn die Sache erfolgt nach dem Stichproben-Prinzip.

Der Alltag rund um die Kontrollen

Was, wenn der Patient nicht an die Tür kommt? Dann gibt es eine Kürzung beim Krankentaggeld, das ja von der INPS, der italienischen Vorsorgeeinrichtung, dem Pendant zur schweizerischen AHV, bezahlt wird und nicht vom Arbeitgeber. Damit soll verhindert werden, dass etwaige „Scheinkranke“ der INPS nicht überflüssig zur Last fallen und das Taggeld nicht ausnutzen. Auf jeden Fall ist die Sache komplexer als gedacht: Mein Mann war kürzlich während fast drei Wochen wegen einem Knieunfall beim Fussballspielen krankgeschrieben. Das war eine richtige Herausforderung in der Familien-Agenda, gemeinsam etwas zu unternehmen, wenn auch nur ein kleiner Einkauf oder die Teilnahme an einem Elternabend, geschweige denn für meinen Mann, einen Fahrdienst unserer drei Sprösslinge zu übernehmen. So haben wir versucht, die Erledigungen und Termine möglichst rund um die vier Stunden herumzubauen und zwar so, dass der „Hausarrest“ ihm und uns so leicht fiel wie möglich. Einzige Ausnahme: Fallen während jener Zeit Arzttermine an, bekommt man ein ausgefülltes Formular vom Arzt in die Hand gedrückt und die Absenz ist gerechtfertigt, sollte die Kontrolle auftauchen.

Was hält ihr von diesem System?

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Sarah Coppola-Weber ist gebürtige Ostschweizerin mit italienischem Pass. Sie lebt mit einem neapolitanischen Ehemann, zwei Töchtern (17 und 14) und einem Sohn (10) seit 18 Jahren in der Nähe von La Spezia. Für “Die Angelones” schreibt die ausgebildete Doula über Familien -, Gesundheits- und Ernährungsthemen sowie Themen, die Eltern den Alltag mit ihren Sprösslingen erleichtern und lässt dabei die LeserInnen am facettenreichen italienischen Alltag teilhaben, wo der Ausnahmezustand oft an der Tagesordnung und von „dolce far niente“ keine Spur ist!

Mehr über Sarah und ihre Familie erfahrt ihr in im spannenden Interview, das wir mit ihr führen durften!

Sarahs bisher erschienenen Beiträge könnt ihr hier nachlesen:

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