Man kann Jeff Beesley nicht den anmaßenden Totschlagvorwurf machen, dass er die überaus psychologische King-Vorlage, eine geradlinige, gänzlich im Kopf des Antihelden verknotete Rachestory, die erstmals 1993 im Kurzgeschichtenband "Nightmares and Dreamscapes" erschien, nicht verstanden hat. Im Gegenteil: Beesley hat die Vorlage sehr wohl verstanden, weil er meistens gar nicht so übel zwischen dichterischer Freiheit für eine Spielfilmdramaturgie (aus Jahren der Vorbereitung werden Monate), zitiertem Referenzmaterial (Kamerafahrten über aufgedruckte Straßenmittelstreifen à la Billy Wilder, David Lynch) und nah am vorgegebenen Handlungsgerüst festgenagelter Adaptionsarbeit inszeniert (einige lakonische Metaphern wurden direkt 1:1 übernommen). Da King die Handlung aus den Augen der traumatisierten Titelfigur mit inneren Monologen ausschmückt, ist eine filmische Transformation dessen für ein Massenpublikum mehr als schwierig, wenn der Film nicht zum prätentiösen Kunstfilm mutieren soll.
"Dolan's Cadillac" passt sich aus diesem Grund lieber umso konsequenter der Zeit an. Gefilmt in kristallklarem Hochglanz, wühlt Beesley in der Kiste manipulierter Tricks zur Emotionssteigerung des mainstreamigen Genrefilms: Zeitraffer und Zeitlupe, Bonbonfarbfilter, Kameradrehungen um 180°, ein wummernder Soundtrack (großartig: Gerald Packer). Und bemächtigt sich der Werkzeuge des 21. Jahrhunderts: Apfel-Computer, Handys, kugelsichere Luxusschlitten. "Dolan's Cadillac" kann aller handwerklichen Leistungen zum Trotz allerdings nicht jenes Prädikat eines unausgegorenen Films ungenutzter Möglichkeiten kaschieren, obschon die Möglichkeiten spürbar sind – Dolans Blick, als er seine neue "Fracht" begutachtet (im philosphischen Ausnahmezustand: Christian Slater), Tom (Wes Bentley), als er nach gelungener Rache vom FBI angerufen wird.
Zu ungenutzt bleiben sie, die Möglichkeiten für ein mehrdimensionale(re)s Moralstück um die seelischen wie körperlichen Randerscheinungen konsequenter Umsetzung des unwiderstehlichen Drangs nach Vergeltung. Dass zum Beispiel die tote Ehefrau (farblos: Emmanuelle Vaugier) als geschundener wie blutender Geist an allerlei Ecken erscheint, riecht beträchtlich nach Klischee. Richtig emotional wird es ohnehin nicht, dafür vermag Wes Bentley keinen würdigen, keinen lebendigen Darsteller zu imitieren, um Ambivalenz auszudrücken. Die Ehe beider ist sowieso eine (Film-)Ehe des Ungefähren, nicht des Nachvollziehbaren. Statt der minutiösen Detailarbeit von King, einen mörderischen Plan in die Tat umzusetzen, begnügt sich Beesley mit schnellem Sicherheitsdenken, dessen essentielle Gewissensentscheidung(en) von Mitgefühl und Hass, darüber ein Mensch zu bleiben oder ein Monster zu werden, von einem Frame in den darauffolgenden entschieden wird. Ungemein unterhaltsam sind eigentlich nur die durchtriebenen Slater-Shows, ebenso wie der letzte Akt des spannenden Duells, in dem sich Täter und Opfer spiegeln.
5 | 10