Peter Greenaway vergleicht die Bedeutung von Rembrandts "Nachtwache" mit ikonografischen Bildern wie der "Mona Lisa", "Das letzte Abendmahl" und Michelangelos Deckenfresken der Sixtinischen Kapelle. War "Nightwatching" Greenaways gewagter Versuch, auf Zwang basierendes Schöpfertum, das zu Rembrandts künstlerischem wie sozialem Niedergang geführt hat, als theaterhaftes, obszönes, zuweilen kriminalistisches Monumentalgerangel zu verfremden, schob er einige Zeit später diese Dokumentation nach, um sich der "Nachtwache" analytisch zu verschreiben: 31 Rätsel untersucht Greenaway, fungiert selber als fachkundiger Kommentator, Interpret und gewitzter Befrager. Rembrandt, so Greenaway, brach mit der Tradition zeitgenössischer Kompaniestillleben: künstliches Licht, Teufelsverkleidungen, homoerotisch-phallische Symbolismen; "Nachtwache" – eine codierte Mordverschwörung und eine Hand zum Betrachter, die dazu auffordert, die relevanten Schichten unter den irrelevanten investigativ abzutragen. Greenaways These, die meisten Menschen seien "visuelle Analphabeten", entkräftet seine didaktische Beweisaufnahme wider Erwarten, denn so erhellend wie sein Bildaufsatz strukturiert ist (der Regisseur wird als Expertenstimme zentralisiert eingeblendet), so groß ist die Lust, auf anschließende Bilderkundschaft zu gehen. Auch wenn ein paar seiner Ansätze steile Behauptungen sind (Rembrandt ehre Velázquez, indem er manchen Akteur wie ein Zwerg gestaltete), schwelgt Greenaway obsessiv in der Anmut niederländischer Malerei, in der mehr zu stecken scheint, als es die unwiederbringliche Finsternis der "Nachtwache" zulassen will. Rembrandts verstecktes Auge blickt auf uns.
6 | 10