Das Foto wurde von Karin Heringshausen zur Verfügüng gestellt.
Ihr Lieben,
ich möchte Euch herzlich bitten, Euch morgen am Dienstag, den 09.08.2011,
um 22.45 Uhr den Dokumentarfilm im Ersten anzuschauen: Geschlossene Gesellschaft.
Kindesmissbrauch an der renommierten Odenwaldschule
Vor einem Jahr beherrschte ein Thema die deutschen Medien und Feuilletons: der Missbrauch an der Odenwaldschule. Es schien, als ob die gesamte deutsche Öffentlichkeit aufarbeiten wollte, was sie elf Jahre zuvor versäumt hatte – dem nachzuforschen, was eigentlich seit November 1999 bekannt war.
An der renommierten Odenwaldschule hatte der charismatische und bis in die höchsten Kreise der deutschen Gesellschaft vernetzte Schulleiter Gerold Becker Kinder missbraucht.
Viele verstörende Details sind im Laufe des Jahres 2010 bekannt geworden.
Viele verstörende Details sind im Laufe des Jahres 2010 über den Missbrauch an der Odenwaldschule bekannt geworden. Der vorläufige "Abschlussbericht" der beiden Anwältinnen, die die Ereignisse im Auftrag der Schule aufarbeiteten, verzeichnet mindestens 132 Fälle seit 1969; allein der langjährige Schulleiter Gerold Becker missbrauchte 86 Jungen, mindestens sechs andere Lehrer zählen außerdem zu den Tätern, die Dunkelziffer liegt vermutlich sehr viel höher.
Was war so schützenswert an der Odenwaldschule?
Die Frage, weshalb gerade an der Heppenheimer Vorzeigeschule Lehrer über Jahrzehnte hinweg Schüler missbrauchen konnten, weshalb so viele davon wussten und sich trotzdem nichts änderte, kann auch der Bericht nicht beantworten. Aber er fordert die Lehrer und Verantwortlichen von damals auf, sich den drängenden Fragen, warum sie nichts sahen und nicht handelten, zu stellen. Was war so schützenswert an der Odenwaldschule? Warum war es für viele Lehrer so schmerzhaft, der Wahrheit ins Auge zu blicken? Zum ersten Mal beantworten nun Hauptverantwortliche der sogenannten Vertuschung von 1998/99 vor der Kamera diese Fragen.
Die Schule stand für das "bessere Deutschland"
Ihnen ging es vor allem darum, dass die Schule keinen Schaden nimmt. Denn sie stand für das "bessere Deutschland". Zivilcourage und "Nie wieder Krieg" waren die wichtigsten Maximen, die in der Nachkriegszeit an diesem Internat galten. Und in den 1960er und 70er Jahren wurde die Odenwaldschule ein Lieblingskind der Reformpädagogik und der westdeutschen linksliberalen Bildungselite, die auch ihre Kinder dorthin schickte: die Weizsäckers, Dönhoffs, Dohnanyis, Neven Du Monts, um nur einige zu nennen.
Zivilcourage und "Nie wieder Krieg" waren die wichtigsten Maximen.
Regina Schillings und Luzia Schmids Film zeigt das große Leid, das den Opfern der sexualisierten Gewalt widerfahren ist. Betroffene wie Jürgen Dehmers, der es durch hartnäckige Aufklärungsarbeit schaffte, dass Hunderte von Opfern nach Jahrzehnten ihr Schweigen brachen, erzählen ihre Geschichte. Altschüler, die als Jugendliche Zeugen des Missbrauchs wurden, berichten, warum sie 30 Jahre lang schwiegen.
Altschüler berichten, warum sie 30 Jahre lang schwiegen.
Die Autorinnen filmten bereits vor der großen Medienenthüllung, als erste Aufklärungsgespräche zwischen der Schule und Betroffenen stattfanden. Sie drehten auf der 100-Jahr-Feier der Schule im Sommer 2010, als ein unerhörter Versuch unternommen wurde: "Wahrheit. Ein Hearing" hieß die Veranstaltung, in der Betroffene auf Lehrer trafen, die wussten, was an ihrer Schule passierte, und die trotzdem nicht redeten. So ist ihr Film auch ein Dokument menschlichen Versagens - und des kolossalen Scheiterns der Erzieher am eigenen Ideal.
Ein Jahr ist vergangen, seit die große Medienlawine über die Odenwaldschule hereinbrach. Die Beteiligten des sogenannten Skandals sammeln die Scherben auf.
Film von Regina Schilling und Luzia Schmid