Doku Deutschland: Wolken über der Wulffschanze

Die wollen mich nicht nur anschießen. Die wollen mich abschießen. Das war mir im ersten Moment klar. Ich habe zu Betti gesagt, gleich als wir die ersten Nachrichten bekamen, jetzt graben die so lange, bis sie mich haben. Das sind Momente im Leben, da atmet man anders. Man wird sich plötzlich bewusst, wie vergänglich das alles ist und wie wenig man eigentlich erreicht hat. Ich komme aus kleinen Verhältnissen, das wissen Sie sicher. Wir hatten nie viel, aber wir hatten uns viel vorgenommen. Aufsteigerkinder waren wir, wild, aber auch zielbewusst. Ich habe nie gefühlt, dass ich irgendeiner Gegenbewegung angehöre, ich war nie auf Krawall gebürstet. Vielleicht hat das geholfen, dass ich die Leiter recht schnell genommen habe. Ich weiß es nicht.
Betti sagt immer. Chrissi, nimm Dir die Sachen nicht zu Herzen. Viele meinen gar nicht Dich, sondern das Amt. Aber jemand wie ich fühlt nicht wie ein Amtsträger, der fühlt wie Sie und er und hat tausend Fragen. Als wir Flugzeug zurück aus dem Oman saßen, schönes Land da, fortschrittlich, ein Islam mit Dynamik und Fröhlichkeit, sage ich zu Betti, was meinst Du ist jetzt am besten? Soll ich gleich was sagen oder warten. Man hat in diesen Augenblicken ehrlich gesagt wenig Freunde. Und die Berater, die man hat, sind Theroetiker, Medientechnik, Mediendynamik, Grundgesetze des Agendasetting, da kennen die sich aus. Aber wie es dann läuft, fragen Sie die bloß nicht.
Ich habe mich entschieden, erst mal zu warten. Für mich war die Sache doch klar. Das sind alles alte Kamellen, ich habe mir nicht zuschulden kommen lassen, der Erich ist ein alter Freund, väterlich fast, der besticht doch keinen. Mir war das nur damals zu blöd, da mein Privatleben offenzulegen für die grünen Quertreiber. Die haben keinen Stil, kein Gefühl, nehmen keine Rücksicht auf Leute wie mich, die für dieses Land immer den Buckel hinhalten, zehn, zwölf Stunden am Tag. Und angeranzt werden, wenn sie dann mal zu Gast bei Freunden sind.
Betti meinte, machs schriftlich, Chrissi. Du musst was sagen, das ganze Internet ist voll. das geht ja schnell heute, da schießt die Erregungskurve über, dass es nur so schwappt. oft ist es aber auch schnell wieder vorbei, habe ich zu Betti gesagt. Wirst sehen, vor dem Wochenende geben die Ruhe. Wir sind dann ins Schloss gefahren, haben zu Abend gegessen, Kinder ins Bett, was man so macht als Familie. Dass da in Lüttich dieser Mensch herumgeschossen hat, das habe ich erst aus den Tagesthemen erfahren, vorher hatte ich den Fernseher, ist ja immer eine Menge zu machen, wenn man aus dem Urlaub kommt, auch wenn, ehe Sie da was Falsches denken, kein Urlaub war in dem Fall.
Betti sagte dann, als ich ins Bett kam, bei dem kannste dich vielleicht bedanken. Ich habe mich natürlich verwahrt gegen solche pietätlosen Sprüche. Aber Frauen sind praktisch, die sehen oft den Punkt, den man als Mann gar nicht so beachtet. Konnte gut sein, dass sie recht hat, ich bin da ja sowieso eher auf der Seite derjenigen, die sagen, es kommt, wie es soll, wir sind alle in der Hand des Herrn, und wenn es ihm beliebt, uns abzuberufen, dann sind wir so flott weg, so flott kann gar keiner hinterherschauen.
Das gibt einem die Ruhe, gelassen zu bleiben, auch wenn es brennt. Man vertraut einfach darauf, dass sich jemand anderes was denkt und in die richtige Richtung lenkt. Nächsten Morgen, wir hatten gerade das Frühstück abgeräumt, die Betti und ich, da kommt die Geschichte mit dem Lindner. ich hatte mit dem nie so einen Draht und glaube auch nicht, dass erst direkt im Gedanken an mich gemacht. Aber das ist eben das - jemand anders hat sich da sicher gedacht, guter Zeitpunkt für den Christian.
Nein, zu Hause haben wir nie von Rücktritt geredet. Warum hätten wir sollen? Ich hatte mir nichts zuschulden kommen lassen. Nach dem Lindner-Rücktritt dachte ich für einen Moment, das wars jetzt, das zieht die Heuchelmeute jetzt dort rüber. Ich hätte dann vielleicht nicht auf die Berater hören sollen, die mir immer im Ohr lagen mit Entschuldigung schreiben und Reue zeigen. Als die Kanzlerin dann noch anrief mit einem ähnlichen Sermon, ja, kann man sagen, habe ich die Nerven ein bisschen verloren. Der Gedanke war, jetzt noch ein Entschudilgungsschreiben, schriftlich, keine Nachfragen. Dann lassen sie ab von Dir.
Ein gutes Gefühl hatte ich nicht. ich bin ja Anwalt und ich weiß, dass sich der in Gefahr begibt, der Fakten zur Verfügung stellt. Fakten lassen sich prüfen, Widersprüche gibt es immer. Die haben dann auch keine 24 Stunden gebraucht, um mich in die nächste Runde zu treiben. Angeblich war das Geld für unser Häuschen nun doch von Egon und nicht von Erika, die habe ja gar kein Geld. Aber ich frage Sie: Wenn Sie im Lotto gewinnen, bekommen Sie dann Geld von Lotto oder von den Lottospielern? Sehen Sie, ich bin da total sauber. Wenn die Erika das vom Erich hatte, geschenkt! Ich habs von Erika! Dass wir das vorher so besprochen hatte, dafür kann ich doch nichts, das ist einfach eine steuerliche Geschichte.
Betti ahnte Böses, als es gleich wieder losging. "Druck wird stärker" und so. Ich fühlte keinen Druck. Ich hatte mir nichts zuschulden kommen lassen. Erschrocken war ich nur, dass die Kollegen mir nicht beigesprungen sind. Da ist heutzutage keinerlei Solidarität mehr, eine kalte Entfremdung eher, die einem in solchen Momenten doppelt wehtut. Da ist so viel Neid, soviel Gehässigkeit. Wenn man nicht wüsste, dass man das alles für Vaterland auf sich nimmt, für das Volk, das verlässliche Institutionen braucht, dann könnte man direkt hinschmeißen.
Wobei, nicht, dass Sie mich jetzt falsch verstehen. Das ist nicht der Plan, darüber reden wir nicht, die Betti und ich. Ich mache meine Arbeit gern und ich mache sie gut, da können Sie jeden fragen. Wenn ich hier weg soll, dann werden die mich raustragen müssen.
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