Doch noch mal Kriminalität
Eigentlich wollte ich es mit dem Thema Kriminalität bewenden lassen. Ich hatte ja über den Rückgang der erfassten Fälle in der Kriminalstatistik berichtet. Ein paar Einschränkungen, warum man daraus nicht 1:1 auf die Entwicklung der Kriminalität schließen kann, hatte ich schon selbst angesprochen, der Leser Gerald Fix hatte noch einige ergänzt. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, ist er aber so wie ich der Meinung, dass die Daten aber auch einen tatsächlichen Rückgang der Kriminalität widerspiegeln und nicht nur einen statistischen Effekt.
Doch das Statistische Bundesamt hat ausgerechnet jetzt eine Übersicht zur Entwicklung der Verurteilten veröffentlicht (die Presseinfo dazu gibt es hier). Demnach ist deren Zahl von 2010 bis 2012 (neueste Daten) deutlich gesunken, nämlich um 4,8 Prozent. Vor allem die Zahl der verurteilten Jugendlichen ging zurück, nämlich um 18,8 Prozent.
Prozentualer Rückgang der Zahl der Verurteilten insgesamt (oben), der Jugendlichen (darunter), der Heranwachsenden (18 bis unter 20 Jährige) und der Erwachsenen (ganz unten) für das Jahr 2012 (rot) und 2011 (grau) jeweils zum Jahr 2010. Quelle: Statistisches Bundesamt
Hier wäre ich mit der Interpretation aber tatsächlich sehr vorsichtig. Das ausgerechnet die Zahl der verurteilten Jugendlichen so stark zurückgegangen ist, hängt natürlich auch mit der geringen Zahl an unter 18-Jährigen zusammen. Allerdings betrug der Rückgang nicht rund 19 Prozent und auch die Zahl der Verurteilten insgesamt ging zurück.
Trotzdem wäre ich sehr vorsichtig, aus der Statistik auf einen Kriminalitätsrückgang zu schließen. Die Zahl der Verurteilten hängt - noch mehr als die Kriminalitätsstatistik des BKA - von sehr vielen Faktoren ab. Zunächst sind das alle, die der Leser Gerald Fix und ich schon für die Kriminalitätsstatistik aufgeführt haben. Hinzu kommt aber noch die Frage, ob ein Verbrechen aufgeklärt wird. Nach Angaben der Polizei hat vor allem der Einbruchsdiebstahl durch osteuropäische Banden zugenommen. Der aber wird seltener aufgeklärt als der Mord an der Schwiegermutter, bei dem die Schwiegertochter am besten noch mit dem blutigen Messer in der Hand überrascht wird.
Und schließlich wirkt hier das Verhalten der Gerichte. Auch Richter sind ja nur Menschen und keine Roboter, sie lassen persönliche Vorstellungen in ihre Urteile einfließen und urteilen mal (den Tätern gegenüber) wohlwollend und mal streng. Sprechen sie viele Angeklagte frei, sinkt die Zahl der Verurteilten.
Noch mehr gilt das übrigens für die Statistik der Häftlinge. Deren Zahl ist vor rund 40 Jahren deutlich gesunken, nicht aber wegen sinkender Kriminalität (ganz im Gegenteil, damals nahm die Kriminalität tatsächlich zu), sondern wegen der Großen Starrechtsreform, die 1969 abgeschlossen wurde.
In Kombination mit den Daten der Kriminalitätsstatistik würde ich übrigens vermuten, dass der Rückgang der Verurteilten auch auf weniger Straftaten zurückzuführen ist. Doch das ist nur eine Vermutung. Für eine Analyse der Kriminalitätsentwicklung wären die Daten kaum geeignet.