Doch keine Rabenmutter?

Von Beautifulvenditti

„Was bist du doch für eine Rabenmutter“, schalt ich mich, als ich mich daran machte, meine Überstunden auszurechnen. „Kaum hat du einen Job, tust du genau das, was du nie hättest tun wollen: Du kommst zu spät zum Mittagessen, wimmelst die Kinder ab, weil du noch ganz schnell einen Anruf tätigen musst, für den die Zeit im Büro nicht mehr gereicht hat, du bist so ausgelaugt, dass du einschläfst, kaum hast du dem Zoowärter das Bilderbuch fertig erzählt und zudem bist du ganz einfach unausstehlich. Die armen Kinder, die werden später einmal sagen, du hättest das Familienzentrum mehr geliebt als deinen eigenen Nachwuchs.“

Wenn ich mal so richtig in Schwung gekommen bin mit Selbstvorwürfen, gibt es kein Halten mehr und so schwor ich mir am späten Freitagnachmittag, dass ich mich an diesem Wochenende voll und ganz auf meine Familie konzentrieren würde. Keine Mails herunterladen, keine Papiere fertigstellen und schon gar nicht „nur mal schnell rüber rennen, um noch ganz kurz ein paar Möbel aufzustellen“. Ich würde es allen beweisen, dass ich zwar meine Arbeit liebe, dass ich aber ganz bestimmt kein Workaholic bin.

Und ich hätte mich auch daran gehalten, hätten mich Luise und der FeuerwehrRitterRömerPirat nicht angefleht, ihnen am Freitag vor dem Schlafengehen keine Geschichte zu erzählen, sondern mit ihnen ins Familienzentrum zu gehen, um „ein kleines bisschen einzurichten“. Zuerst versuchte ich ja, hart zu bleiben. Ich erklärte meinen Kindern, dass die Arbeit nicht das Wichtigste ist im Leben, dass man hin und wieder auch abschalten muss und dass ich nun wirklich wieder mal zu Hause bleiben möchte. Die Beiden aber liessen nicht locker, bettelten und flehten so lange, bis ich schliesslich nachgab und mit ihnen ging. „Aber nur ganz kurz. Ich schraube zwei Tischchen zusammen und dann gehen wir wieder“, warnte ich.

Also schraubte ich zwei Tischchen zusammen, dann rief ich meine Kinder herbei, die es sich derweilen in der Kaffee-Ecke gemütlich gemacht hatten. Ich rief und rief und rief, doch sie kamen sehr lange nicht. Also wurde ich ein kleines bisschen laut und dann kamen sie missmutig angeschlurft. „Wir haben gerade so schön gespielt“, klagten sie „und jetzt willst du schon wieder nach Hause gehen.“ Ich versuchte ihnen klar zu machen, dass ich wahrlich genug gearbeitet hätte und dass ich jetzt ganz gerne Feierabend machen möchte und dass sie sich auf der Stelle ihre Schuhe und Jacken anziehen sollten. Schliesslich gaben sie missmutig nach und meinten, als ich den Schlüssel aus dem Schloss zog: „Das nächste Mal nehmen wir dir den Schlüssel weg und dann schliessen wir uns hier ein und dann kommen wir nie wieder nach Hause. Denn hier ist es viel schöner.“

Ich nehme mal an, ich bin doch keine Rabenmutter. Immerhin habe ich einen Job ausgesucht, der meine Kinder so sehr begeistert, dass ich froh sein muss, wenn sie mich hin und wieder mal eine Pause einlegen lassen.