Pädagogen beklagen sich ja gerne über die heutigen Kinder. Sie wüssten sich nicht mehr zu bewegen, sie könnten nicht mehr mit der Schere hantieren, sie hätten keine Ahnung davon, wie man spielt. Alles Schwarzmalerei, pflegte ich zu denken, denn die Kinder, mit denen unsere Kinder spielen, sind nicht so. Klar, hin und wieder trifft man schon eines, das am liebsten nur fernsehen möchte, aber die meisten klettern mit Vergnügen und grossem Geschick auf Bäume, spielen mit Leidenschaft Theater und wissen, wie man Kuchenteig macht.
Hin und wieder aber begegne ich Kindern, für die es eine echte Herausforderung ist, zehn Minuten lang einer Geschichte zuzuhören. Ihre Kiefer sind nicht mehr stark genug, um ein frisches, knuspriges Brötchen zu kauen, denn etwas anderes als weiches Weissbrot haben sie noch selten zwischen die Zähne bekommen. Ein leeres Blatt und ein paar Farbstifte empfinden sie als Überforderung, denn wo bitte sehr sind da die vorgezeichneten Figuren, die man nur noch ausmalen muss? Es sind Kinder, die sich daran gewöhnt haben, alles pfannenfertig vorgesetzt zu bekommen. Mit ihren eigenen Werken sind sie nie zufrieden, weil sie nicht so grell und perfekt sind wie all das, was sich am Computer herbeizaubern lässt.
Wenn ich solchen Kindern begegne, wird mir jeweils bewusst, dass es doch keine Märchen sind, welche die Pädagogen jeweils über die Kinder von heute erzählen. Und doch erzählen sie nicht die ganze Wahrheit. Denn mit welcher Begeisterung diese Kinder den Teig kneten, wenn sie mal die Gelegenheit dazu bekommen, wie glücklich sie sind, wenn sie einfach mal ohne grosse Vorgaben drauflos malen können, mit welchem Genuss sie „mal etwas anderes als Pommes und Würstchen“ verspeisen, davon hört man selten. Gut, zuerst ist da meist eine gewisse Furcht vor dem Unbekannten, die es zu überwinden gilt, aber wenn sie mal Mut gefasst haben und etwas Neues gewagt haben, sind sie mit mindestens so viel Begeisterung dabei wie die Kinder, für die Kreativität und Herumtollen zum Alltag gehören. Vielleicht sogar mit mehr.