„Doch die Krise kommt bestimmt.“

Ich höre gerade viel Anarchist Academy und bedauere mal wieder, dass ich nicht ein paar Jahre früher geboren bin. Okay, wir hatten Egotronic, aber gerade in ihrer Direktheit und teilweise Plumpheit stehen A.A. irgendwie für eine Radikalität, die es so heute im deutschen Rap einfach nicht mehr gibt. Selbst die teilweise extrem schlechten Reimketten auf „-ismus“ und „-ist“ wirken, wenn man sie als bewusst eingesetztes Stilmittel interpretiert, besonders radikal: „Es geht uns nicht darum, schöne, lyrisch ausgefeilte Texte zu machen, sondern wir sagen einfach, was Sache ist, wir artikulieren unsere Wut.“ Und – A.A. haben, obwohl sie offensichtlich dumme Antiimps sind, einfach recht. Ihre Texte passen gerade zur heutigen Situation wahrscheinlich besser als zu den Boomzeiten in den 90ern, als alle dachten, der Kapitalismus würde wie von selbst all seine Probleme lösen und die Neonazis wären nur ein Übergangsphänomen. Zu dieser Haltung passt wiederum besser der Spaß-Hedonismus, den die heutigen Anti-d-kiddies so konsumieren. Dass, was A.A. noch satirisch meinten („heute sind wir wirklich kritisch, heute sind wir frei“), praktizieren heute Egotronic & Co., von einigen Frühwerken, die ich nachwievor großartig finde abgesehen, ganz real: die Zeit der Ideologien ist vorbei. Als Egotronic noch was zu sagen hatten außer „Drogen nehmen ist geil“ waren sie schlichtweg noch 90ies, waren noch die würdigen Fortsetzer des Politraps alla A.A. Letztendlich könnte heute die Musik, die auf den meisten Antifa-Partys läuft, im großen und ganzen auch auf der JN-Sommersause laufen. Der Grund, warum das nicht der Fall ist, ist die Borniertheit dieser Kreise, die sich aber in ein paar Jahren sicher auch gelegt haben wird. Irgendwie kommen auch die Nazis in der postideologischen Talkshow-/Diskursethik-/Einheitsbrei-Gesellschaft der letzten Menschen an. Mitte der 90er scheint das noch nicht so gewesen zu sein. Als subversiv gilt es heute schon, musikalisch veralteten 80er- und 90er-Pop zu hören. Naja – immerhin darf man in linken Läden rauchen, Drogen nehmen und nach Herzenslust saufen und das ganze ist billiger als in professionellen Clubs und die Leute ein wenig angenehmer. Wahrscheinlich muss man sich damit in der heutigen Zeit schon zufrieden geben. Auf Anarchist Academy-Konzerten hätte man freilich vielleicht weniger Zulauf, aber auch weniger Probleme mit sexistisch-faschistoiden Schlägern – weil die Texte einfach zu eindeutig sind, überhaupt kein Missverständnis zulassen. Minimal (z.B.) ist hingegen schlichtweg unpolitisch, die Aussage der musikalischen Form ist nichts weiter als „Vorwärts“. Das finden ja alle gut – gerade wiederum in Zeiten der Wirtschaftskrise.

Also – falls einer von A.A. das hier lesen sollte: ich will ein Comeback!

Eine tolle VIVA-Aufzeichnung als Anschauungsmaterial:

A.A. machen freilich nicht nur zeitlos-klassischen Politrap, sondern haben auch was zu „Liebe“ zu sagen. Mein Gott, wie altmodisch. Und A.A. sind nicht einmal ironieresistent, was man ihnen auf den ersten Blick vorwerfen könnte – gerade das hartnäckig-trotzige Durchhalten der „-ismen“-Reime muss als feine Art der Selbstironie verstanden werden, die sich zugleich selbst nicht soweit selbst demontiert, dass es inhaltlich letztendlich doch wieder nur bei einem „Hallo, ich bin der xy und ich will euch heute mal was präsentieren, was ich mir in meinem Zimmerchen so ausgetüfelt habe und danach machen wir Party“ bleibt.

(OMG – von R.A.M. will ich jetzt garnicht erst anfangen.)


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