31.1.2012 – Niemand schreit in Deutschland derzeit lauter, wenn es um Diffamierungen und Sanktionen gegen die Linkspartei geht, als der dreifache Schützenkönig, ZDF-Fernsehrats-Vertreter und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Immer wieder bringt er sich mit vollmundigen Überwachungs- und Verbotsforderungen in die Schlagzeilen und lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass es ihm deutlich lieber wäre, das Land künftig ohne die linke Opposition mitzuregieren.
Betrachtet man die Äußerungen und Standpunkte führender CSU-Politiker der vergangenen Jahre, dann drängt sich förmlich die Frage auf, inwiefern sich die Christsozialen auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen. Sollte man sich daher mit einem Verbotsverfahren gegen die CSU beschäftigen?
Die Generalsekretäre der CSU
Traditionell leistet sich die CSU immer mindestens einen exponierten Schreihals, der dafür sorgt, dass die Stimme der Christsozialen, trotz eines gesamtdeutschen Wähleranteils von gerade einmal 6,5 Prozent, nicht gänzlich ungehört verhallt.
Denkt man an Politiker wie Franz-Josef Strauß („Was wir hier in diesem Land brauchen, sind mutige Bürger, die die roten Ratten dorthin jagen, wo sie hingehören – in ihre Löcher“, 1974), Friedrich Zimmermann („Gewaltloser Widerstand ist Gewalt“, 1983), Edmund Stoiber („Demnächst wird die Gleichstellungsrichtlinie erzwingen, dass der nächste Bundeskanzler eine Frau wird“, 2000) oder Erwin Huber („Multikulti ist eine Brutstätte von Kriminalität“, 2007), dann fällt auf, dass es immer die Generalsekretäre der Partei waren, denen diese Aufgabe zugeschoben wurde.
Die aktuelle Besetzung des „politischen Geschäftsführers“, Alexander Dobrindt, erreicht zwar weder die Originalität noch das Format seiner Amtsvorgänger. Zum Ausgleich gestaltet er seine Arbeit allerdings besonders laut und macht Defizite in Sachen Charisma durch Disziplin und Berechenbarkeit wett.
Vor allem auf eines kann man sich dabei mittlerweile blind verlassen: Reflexartig und nach einem festen Terminplan prügelt Dobrindt auf DIE LINKE ein. Forderungen nach einer intensivierten Überwachung der Partei durch den Verfassungsschutz, nach einer Streichung staatlicher Zuschüsse oder nach einem Verbotsverfahren wurden im letzten Jahr jeweils zum Beginn der Monate Januar (5.1.2011), August (7.8.2011), Oktober (3.10.2011) und wiederum Januar (3.1.2012) von dem Generalsekretär in die Öffentlichkeit getragen.
Auf juristisch belastbare Argumente, mit denen sich die Verfassungswidrigkeit oder ein Verstoß gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung belegen ließe, verzichtete der studierte Soziologe dabei. Stattdessen greift er zu allen Vorhalten, die einem reaktionären Gemüt zur Linkspartei nur einfallen können. Von „Wege zum Kommunismus“ über „Mauerbau und Schießbefehl“ bis hin zu „kubanischen Telegrammen“ und Aufrufen zum gewalttätigen Widerstand: Dobrindt bedient jedes noch so abgeschmackte Klischee, wenn es nur dem Zweck dient, DIE LINKE zu kriminalisieren und in eine extremistische Ecke zu stellen.
Dobrindt als Populist
Es ist nicht schwer, die aktuelle Rolle von Alexander Dobrindt zu durchschauen. Er soll besonders konservative Wähler „bei der Stange halten“, gegen den drohenden Verlust der Regierungsmehrheit in Bayern ankämpfen und dafür sorgen, dass die CSU auch für besonders stramme Reaktionäre politische Heimat bleibt.
Um dieses Ziel zu erreichen, beschränkt sich Alexander Dobrindt übrigens nicht auf das „Linken-Bashing“. Auch die Grünen sind vor seinem höchst selektiven Demokratieverständnis keineswegs sicher. So hatte er im Zusammenhang mit den Stuttgart 21 Protesten im Jahr 2010 gesagt:
„Die Grünen sind keine Partei, sondern der politische Arm von Krawallmachern, Steinwerfern und Brandstiftern.“
Den ersten grünen Ministerpräsident, Winfried Kretschmann, hält er für eine „Fehlbesetzung“. Durch diese Äußerung hatte er sogar die Kritik des ehemaligen Präsidenten des Landtags von Baden-Württemberg, Willi Stächele (CDU) auf sich gezogen, der Dobrindt maßregelte:
„Der Respekt vor dem Wähler gebietet einen anständigen Umgang mit dem designierten Ministerpräsidenten.“
Auch über seine ganz persönlichen Grenzbeschreibungen der parlamentarischen Demokratie hinaus ist der Generalsekretär in den eigenen Reihen umstritten. Als Reaktion auf ein europakritisches Positionspapier aus Dobrindts Feder warf ihm der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok vor, seine „Unkenntnis“ werde „nur durch seinen Populismus übertroffen“.
Parteikollege Manfred Weber (CSU) rechnet im gleichen Zusammenhang sogar damit, dass die „CSU in der Europapolitik künftig nicht mehr ernstgenommen wird“, wenn Dobrindt „Rechtspopulisten“ nachlaufe.
In der ARD Talkshow Günther Jauch vom vergangenen Sonntag sorgte Dobrindt für neuen Zündstoff. Während selbst innerhalb der Union die Auffassung vorherrscht, dass die aktuelle Beobachtungs- und Überwachungspraxis des Inlandsgeheimdienstes gegenüber Abgeordneten der Linkspartei zumindest überdacht und unter Umständen neu geregelt werden müsse, geht der Generalsekretär dort in die Vollen:
„Es wäre richtig, die Beobachtung zu intensivieren, dass alle beobachtet werden und dass man dies auch in allen Bundesländern tut.“
Gleichzeitig schließt er in der Talksendung nicht aus, dass auch ein Verbot der Linkspartei zum CSU-Thema werden könne:
„Natürlich kann am Ende auch der Gang nach Karlsruhe stehen und sich die Frage nach einem Verbotsantrag stellen.“
Mit diesen Äußerungen wird der Generalsekretär seinem Ruf als polternder Populist mit ausgeprägtem Hang zum rechten Ufer in vollem Umfang gerecht. Seine Mission läuft dabei hauptsächlich auf das Ziel hinaus, die Linkspartei zu kriminalisieren. Erwähnt man sie nur häufig genug im Zusammenhang mit Extremismus, Verfassungsschutz, Überwachung und Staatskommunismus, dann wird, so malt es sich das der Soziologe Dobrindt wohl aus, in der Bevölkerung zumindest ein bisschen davon hängenbleiben.
Angesichts des jüngst bekannt gewordenen Ausmaßes von Beobachtung und Überwachung soll sich kein Bürger, der sich ratsuchend an einen linken Abgeordneten wendet, mehr sicher sein, ob vertraulich gesprochene Worte nicht doch ihren Weg in die Akten des Verfassungsschutzes finden.
Die wehrhafte Demokratie
Zugegeben: Wenn ausgerechnet ein CSU Politiker das Verbot einer linken Partei fordert, dann regt sich unwillkürlich ein Reflex, den Ball zurückzuspielen. Immerhin bieten öffentliche Auftritte und Äußerungen prominenter Vertreter der Christsozialen einleuchtende Vorlagen, um im Gegenzug einmal darüber nachzudenken, ob sich die kleine Schwester der CDU eigentlich selber auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt.
Wenn Hans-Peter Uhl darüber schwadroniert, dass Deutschland von Sicherheitsleuten regiert wird oder sich in Sachen Internetsperren von der chinesischen Regierung inspirieren lassen will, wenn der bayerische Minister für Schule und Kultus auf seiner Internetseite „Bayern gegen Linksextremismus“ die Linkspartei zu den gefährlichen und extremistischen Organisationen in Deutschland zählt oder Bayerns Innenminister Herrmann fordert, die Kosten von Polizeieinsätzen bei Demonstrationen auf die Demonstranten umzulegen oder darauf besteht, das bayerische Asylrecht weiterhin so zu gestalten, dass die Art der Unterbringung die Bereitschaft der Betroffenen, in ihre Heimat zurückzukehren, fördert, dann muss man sich schon fragen, aus welchem Grund der Verfassungsschutz nicht zur Abwechslung einmal die Funktionäre und Abgeordneten der CSU beobachtet.
Diese reflexartige Reaktion ist allerdings ebenso falsch, wie die unerträglichen Vorstöße der CSU gegen ihre politischen Gegner. Denn zum einen muss es ein Merkmal von Demokratie sein, gerade mit einer großen Bandbreite an politischen Auffassungen umgehen zu können. Und hierzu gehören eben auch Standpunkte jenseits der Höhe der Zeit, deren Vertreter von einer vermeintlich christlichen Leitkultur und einem Hang zum Patriotismus getragen sind.
Zum anderen sprechen nicht nur die jüngsten Erfahrungen mit dem Inlandsgeheimdienst dafür, einmal grundsätzlich darüber nachzudenken, ob der sogenannte Verfassungsschutz noch zeitgemäß ist und ob er, angesichts von Arbeitsweise und Arbeitsergebnissen überhaupt noch gebraucht wird.
Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, fand bei Günther Jauch deutliche und zutreffende Worte, als es um die offensichtlichen Versäumnisse des Inlandsgeheimdienstes bezüglich der Zwickauer Nazi-Terrorzelle ging:
„Wenn der Verfassungsschutz wirklich nichts gemerkt hat, ist er überflüssig. Wenn er doch etwas bemerkt, aber nicht eingegriffen hat, ist er gefährlich.“
Während es also tatsächlich gute Gründe gibt, die für eine Abschaffung des Verfassungsschutzes sprechen, sollte man mit der CSU gelassener umgehen. Auch wenn die Standpunkte der Partei und ihrer Vertreter den Boden des Grundgesetzes häufig verlassen: Das sollte die „wehrhafte Demokratie“ schon aushalten können, ohne dass wir ein Verbotsverfahren gegen die Christsozialen anstreben müssen.
Ärgerlich ist es höchstens, dass mit der CSU eine Splitterpartei mit sektiererischem Potenzial insgesamt drei Bundesminister stellt. Besonders kritisch erscheint hierbei, dass sich ausgerechnet das Innenministerium – und damit die vorgesetzte Stelle aller Verfassungsschutzbehörden – in den Händen der Christsozialen befindet.
Hans-Peter Friedrich sollte sich daher beeilen, klarzustellen, dass er in seiner Amtsführung nicht den kruden Vorstellungen seines Generalsekretärs folgt. Bislang ist er einen solchen Beweis allerdings schuldig geblieben.