Zu Beginn meiner DJ-Karriere fragte ich meine Co-DJs immer: „Und was spielen wir als nächstes" ... „Und was spielen wir jetzt" ... „was spielen wir danach?"
Heute weiß ich nur eines: die Musik darf nicht ausgehen. Ich beobachte die Tanzfläche und das Publikum. Im Hinterkopf habe ich eine grobe Struktur für die Musikauswahl.
Dann lasse ich mein Bauchgefühl das nächste Lied auswählen. Oder mein Kopf sagt mir: keine Experimente, gehe auf Nummer sicher und spiele X.
Eine der häufigsten Fragen, die ich gestellt bekomme ist, ob ich die Musik eines Abends im voraus plane. Natürlich weiß ich, welches Lied ich als nächstes spielen werde. Aber sehr selten weiß ich, welcher Song in 20 Minuten laufen wird.
Wenn ich bemerke, dass die Musik nicht gut genug ankommt, dann werfe ich meine komplette Planung bereits beim übernächsten Lied über den Haufen und spiele etwas ganz anderes.
Planlos mit einem Ziel vor Augen
Aus DJ-Sicht lässt sich ein Abend nicht peinlich genau planen und die Reihenfolge der Lieder nicht im voraus festlegen.
Würde ich genau planen, welche Lieder ich in welcher Reihenfolge spiele, würde ich die Möglichkeit verschenken steuernd eingreifen zu können. Was passiert, wenn der Abend eine halbe Stunde früher anfängt, oder 20 Minuten später?
Das heißt allerdings nicht, dass ich nicht vorbereitet wäre.
Vorbereitung fürs DJ Set schadet nicht
Zunächst muss ich alle Songs kennen, die ich dabei habe. So gesehen fängt die Planung bereits an, wenn ich die Plattenkoffer sowie CDs einpacke und die MP3s auf dem USB-Stick vorbereite.
Jeder Song hat eine bestimmte Wirkung auf die Tanzfläche. Mir geht es darum, aus den Liedern das Maximum an Wirkung für die Tanzfläche zu erzielen. Deshalb spiele ich manche Lieder erst Nachts um vier Uhr. Vorher gespielt würde mir der Song die Stimmung zu sehr herunterziehen. Natürlich könnte ich den Top-1-Hit bereits zu Beginn der Party spielen, aber die Wirkung würde verpuffen.
Welche Songs in welcher Reihenfolge
Wichtig ist der Spannungsbogen im Verlauf der Nacht. Von ruhigeren Songs am Beginn, über die Kracher der Prime-Time bis zu eher monotonen und melancholischerem Sound am Schluss.
Die besten Erfahrungen machte ich, wenn ich während der Party improvisiere. Es ist ein Improvisieren innerhalb einer vorgegebenen Struktur. Diese Struktur bietet mir Orientierung. Dabei bleibt meine Musikauswahl immer flexibel. Wenn ich merke, dass es eine bessere Option gibt, spiele ich dieses Lied.
Auflegen ist wie Schach spielen: Finde den idealen Zug fürs nächste Lied
Den ständigen Wechsel an musikalischen Möglichkeiten kannst du dir als strategisches Schachspiel vorstellen. Jeder Zug der anderen Partei (Reaktion der Tanzfläche, des Publikums) verändert alle Möglichkeiten die sich ergeben.
Betrachtet man alle möglichen Kombinationen von Spielzügen, dann bleibt nur ein idealer Zug übrig. Das nächste Lied steht fest.
Reaktions-Korrelationen
Genauso ist es beim Auflegen. Ich spiele ein Lied, beobachte die Reaktion. Und je nachdem, wie das Lied ankommt, verändert es meine Optionen.
Hinzu kommt die Erfahrung, dass ich mich an alle erfolgreichen Spielzüge der letzten Jahre erinnern kann. Die Wirkung mancher Lieder hängt zusammen: wenn Lied A funktioniert, dann funktioniert in allen Fällen auch Lied B.
Wenn ich beim Tanzflächen-Schachspiel also zu Lied B greife, dann bin ich mir 100 % sicher, dass es funktionieren wird. Alleine aus der Tatsache heraus, weil ich Lied A vor vier Stunden getestet habe. Die Korrelation beider Lieder kenne ich aus Erfahrung.
Die obige Beschreibung gilt für Sets, die ich komplett alleine spiele. Sieben Stunden habe ich freie Hand über die Musikauswahl. Ich muss mich mit niemand abstimmen. Das ist aber nicht immer so.
Rücksicht nehmen als Headliner-DJ
Als Headliner bin ich nicht mehr so flexibel. Ich nehme Rücksicht auf die anderen DJs und positioniere mein Set innerhalb des gesamten Abends.
Wenn ich also um 1:30 Uhr an der Reihe bin, dann ist das Vorprogramm und die Experimentierphase vorbei. Ich bin an der Reihe und muss den Laden ab dem ersten Lied kicken. Erst nach dem dritten Song gebe ich etwas nach und experimentiere mehr.
Trotzdem improvisiere ich auch in dieser Situation. Mein Set ist nicht festgelegt. Ein Headliner-Set benötigt deshalb mehr Vorbereitungszeit, weil ich weniger Spielzeit zur Verfügung habe. In 60 Minuten oder 90 Minuten kann ich weniger Lieder spielen, als über 7 Stunden.
Deshalb brauche ich viel weniger Songs oder anders ausgedrückt, ich habe weniger Chancen Lieder auszuprobieren. Jeder Song muss sitzen und der Laden muss toben. Über die psychologischen Auswirkungen und den Druck in solchen Situationen werde ich getrennt etwas schreiben. Das ist ein ganz eigenes Thema.
Für ein Headliner-Set bereite ich maximal 30 Titel vor. Stelle ich aber fest, dass das Publikum nicht so richtig mitzieht, dann verlasse ich sofort alle Planungen. Ich vergesse alle Vorbereitungen und passe mich der Situation an. Denn nichts ist frustrierender als eine Tanzfläche schrittweise leer zu spielen.
Ich hatte auch schon Headliner-Abende, da fiel mir bei meinem Vorgänger auf, dass er die Frauen von der Tanzfläche spielte. Deshalb musste ich zunächst dagegen ansteuern. Erst danach konnte ich den Opener-Song spielen, den ich eigentlich geplant hatte.
Genau diese Improvisationskunst macht das Auflegen für mich so viel entspannter. Heute frage ich nicht mehr „... und was spielen wir als nächstes?"
Wie planst du die Musik einer Party-Nacht? Bereitest du zum Beispiel Mini-Sets mit 20 Minuten vor?