Divide et impera


Die Zahl der Kriege und kriegerischen Auseinandersetzungen auf der Welt nimmt stetig zu. Der Friedensforscher Werner Ruf vertritt hierzu die These, dass aktuell zu beobachten sei, dass “die Verdammten dieser Erde”, wie Frantz Fanon sie vor sechzig Jahren nannte, sich zunehmend erhöben, protestierten und nicht mehr bereit seien, sich mit ihren elenden Lebensbedingungen abzufinden. Oftmals werden derlei „Erhebungen“ jedoch – um wirklichen sozialen Fortschritt sowie die Emanzipation der Armen zu unterbinden – umgelenkt und instrumentalisiert, indem den Sozialprotestlern etwa neue und vermeintlich bessere Herrschaft angedient wird. Eine wichtige Rolle hierbei spielen die mächtigsten Staaten der Welt, die zur Stabilisierung ihrer Macht und Einflussbereiche als konkrete Akteure hinter den Kulissen bereits seit Langem eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung in anderen Ländern verfolgen. Jens Wernicke sprach hierzu mit Wolfang Bittner, dessen aktuelles Buch diese Strategie am Beispiel der Ukraine-Krise deutlich macht.

Herr Bittner, in Ihrem neuen Buch konstatieren Sie eine von den globalen Machtzentren ausgehende „Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung“ in Bezug auf die Ukraine. Auf den NachDenkSeiten erschien hierzu bereits eine Rezension. Wird diese Strategie denn auch jenseits der Ukraine verfolgt?

Die Strategie der Destabilisierung ist nicht neu, ich erinnere nur an die so genannten Farb- oder auch Blumenrevolutionen, zum Beispiel 2003 die Rosenrevolution in Georgien, 2005 die Tulpenrevolution in Kirgisien oder 2010 die Jasminrevolution in Tunesien. Es gab noch mehr dieser Revolten oder Revolutionen. Dabei handelt es sich jedoch offensichtlich um vom CIA gesteuerte Aufstände zur Erzwingung eines Machtwechsels in den betroffenen Ländern, bei denen progressive, freiheitlich-demokratische Kräfte einbezogen und instrumentalisiert werden. Zurzeit erleben wir die Folgen eines solchen Vorgehens auch in Syrien.

Und … wer genau verfolgt sie Ihrer Meinung nach diese „Destabilisierungsstrategie“ weltweit und warum? Welche Interessen manifestieren sich hier?

Das sind wohl hauptsächlich die Wirtschaftseliten mit ihren Kapitalinteressen und ihren zum Teil rechtsextremen Vertretern in den Parlamenten, insbesondere in den USA. Man spricht da vom militärisch-industriellen oder auch wirtschaftlich-militärischen Komplex.

Ist das nicht Antiamerikanismus, was Sie da in Worte fassen? Die USA sind sozusagen schuld am Elend der Welt…?

Überhaupt nicht. Das ist vielmehr eine realistische Einschätzung der US-Außenpolitik und der gesellschaftlichen Situation in diesem Land. Ich habe Freunde in den USA, die der gleichen Meinung sind wie ich. Und meine im Buch geäußerten Ansichten und analytischen Überlegungen werden ja auch von namhaften Wissenschaftlern geteilt. Ich zitiere unter anderem Norman Birnbaum, John Mearsheimer, Jack Matlock, Karel van Wolferen und Daniele Ganser; und auch seriöse Journalisten und Politiker. Aber sobald man sich kritisch zur Politik der USA äußert, insbesondere jetzt hinsichtlich der Konfrontation mit Russland, ist man gleich „antiamerikanisch“ oder ein „Putinversteher“.

Was hierbei rasch übersehen wird, ist, welche Funktion diese „Label“ im öffentlichen Diskurs haben. In Summe geht es nämlich wohl darum, Wichtiges und Richtiges weder denken noch sagen zu dürfen, weil man sonst „falsch“ oder „rechts“ oder „nationalistisch“ oder sonstetwas sei. In der Realität, in der ich lebe, gibt es hingegen viel zu viele Washingtonversteher, und damit meine ich Leute, die oftmals blind und kritiklos menschenverachtende Positionen als human umdeuten und zudem als unhinterfragbar tradieren.

Ihre Kritik richtet sich also gegen die herrschende Elite und deren Auftreten – und nicht gegen ein Volk oder dessen legitime Interessenartikulation?

Ja, so könnte man das zusammenfassen. Die USA sind ja ein großes Land mit vielen sehr unterschiedlichen politischen Strömungen. Aber sie sind für viele Menschen, auch im eigenen Land, kein Vorbild mehr für Freiheit, Frieden und Demokratie.

Den USA wünschen Sie also Politiker, die das eigne Land als Interventionsfall erkennen… Was wünschen Sie denn den Staaten Europas?

Den Staaten Europas wünsche ich vor allem fähigere Politiker, Persönlichkeiten nämlich, die sich nicht in die verhängnisvolle Politik der US-Eliten einbinden lassen, sondern sich stattdessen auf die Souveränität ihrer Staaten besinnen und die Interessen der Bevölkerung in den Blick nehmen.

Zurzeit ist die ganze Welt in Aufruhr, die Menschen in Europa sind verunsichert und verarmen zunehmend. Und andernorts herrschen Kriege und gibt es Millionen Flüchtlinge. Bei uns wird dann zwar heftig diskutiert, ob wir als Land mehr Flüchtlinge aufnehmen sollten, einer wirklichen Problem- und Ursachenanalyse geht man jedoch aus dem Weg. Wer aber will in einem Land bleiben, wo man ständig um sein Leben fürchten muss? Man muss hier die Ursachen für derlei Verhältnisse beseitigen, ohne das wird eine bessere Zukunft nicht zu haben sein; nicht hier und nicht andernorts auf der Welt.

Und diese Ursachen – das sind…?

Die USA und einzelne NATO-Staaten müssen aufhören, für ihre machtpolitischen und wirtschaftlichen Interessen andere Länder zu unterminieren und politisch aufzumischen. Es ist doch absurd, die Aufnahme von noch mehr Flüchtlingen zur politischen Kernfrage zu erheben, während man gleichzeitig die Zerstörung der Herkunftsländer der Flüchtlinge betreibt. Aber das wird natürlich in den so genannten Leitmedien nicht thematisiert, das ist tabu.

Und wie erklären Sie sich das?

Wir wissen doch inzwischen, was los ist mit den Medien. Diese so genannten Qualitätsmedien sind doch schon lange von Vertretern mächtiger Einzelinteressen unterwandert. Das hört sich zwar für den naiven Bürger wie eine Verschwörungstheorie an, und man mag es auch nicht glauben. Aber die Wissenschaftler Uwe Krüger und Daniele Ganser haben das eingehend untersucht und sind zu überzeugenden Ergebnissen gelangt, die unter anderem auch auf den NachDenkSeiten nachzulesen sind.

Wir können also davon ausgehen, dass offenbar nicht nur führende Politiker, sondern auch viele der maßgeblichen Journalisten „korrumpiert“ sind. Da gibt es de facto-Netzwerke, die von tausenden von Mitarbeitern von furchtbaren hochkriminellen Spionage- und Subversionsinstitutionen unterhalten werden und die bestimmenden Einfluss auf Politik und Medien nehmen.

Das klingt grauenvoll und entmutigend. Sehen Sie denn einen Ausweg aus dieser Situation?

Die belogene Bevölkerung in der aktuellen Europäischen Union der US- und Konzerninteressen hält in ihrer Mehrheit leider still. Sie „döst auf einem Vulkan“, wie es Habermas im vergangenen Jahr einmal formulierte. Allerdings gibt es in jüngster Zeit bei einigen Politikern – jedenfalls in Deutschland – Anzeichen einer Ernüchterung und eines Bewusstseinswandels.

Quelle und gesamter Text: http://www.nachdenkseiten.de/?p=24124

Wolfgang Bittner : „Die Eroberung Europas durch die USA. Eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung am Beispiel der Ereignisse in der Ukraine“.

 


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