Dissfunktionale Störung

Azealia Banks „Fantasea“
Die Feststellung, Schätzchen Azealia Banks sei seit dem letztjährigen Debüt ihres Songs „212“ in aller Munde, mag zwar zutreffend sein, ist aber in Kenntnis der dazugehörigen Lyrics möglicherweise etwas unpassend. Fest steht jedenfalls, dass kaum eine anderer ‚female rap star‘ nach Missy Elliot für so viel Aufmerksamkeit sorgte - die 21jährige steht seit ihrem Überhit unter einer Art verschärfter Dauerbewachung. Gern darf man das auch Gier nennen, denn die gesamte Branche wartet sehnsüchtig auf jedes noch so kleine Schnipselchen, das sie von der passenderweise sehr smarten Newcomerin in Sensation, besser: SENSATION! übersetzen kann; die Rhymes werden auf den Seziertischen der Redaktionen zerlegt, auf Diss-Funktion hin überprüft und nötigenfalls noch kräftig aufgepumpt. Nun, das Mädchen gibt bereitwillig die Rotzgöre und so werden die Spalten unter dem Motto „Azealia vs. ...“ schnell mit Namen wie Kreayshawn oder Nicki Minaj gefüttert – der Soundtrack dazu: Who cares?
Schon deshalb, weil Azealia Banks neben vielen guten Eindrücken auch so manchen traurigen hinterließ (Stichwort: Lagerfeld) darf man nun froh sein, dass mit „Fantasea“ endlich das erste ernstzunehmende Komplettwerk erschienen ist – all ears on! Produziert wurde das, was offiziell nicht Longplayer, sondern szeneüblich Mixtape genannt wird, von Paul Epworth, dem Mann also, der schon Adele, Primal Scream, Kate Nash, Bloc Party und Florence And The Machine zu viel beachteten Arbeitsproben verhalf. Achtzehn meistenteils neuwertige Titel enthällt also der – ähmm, Datensatz – wie erwartet ist beileibe nicht alles so ‚mindblowing‘ wie „212“, Ähnliches ließ sich im Übrigen auch schon von früheren Tapes wie „Jumanji“ und „1991“ sagen.
Der Einstieg mit dem Prodigy-Mashup „Out of Space“ gelingt prächtig, deren proklamierter Schlachtruf „Pay close attention, I’ll take your brain to another dimension!” kann ansatzlos auf die Lady umgeschrieben werden. Die besseren Titel der ersten Hälfte erinnern, kaum ohne Grund, sehr stark an ihren “Ausbildungsbeginn” beim Dancehall/House-Duo Major Lazer, mit Diplo hatte die Banks ja vorab schon “Fuck Up The Fun” gestrickt. Von der kurzen Einleitung “Ima Read” jedenfalls über “Fierce”, “Chips” und “Nathan” pocht es extradumpf und gewaltig, gepaart mit fetten Synthies und ihrem rauen Dirt' Speech ist das allerbestes Clubfutter. Manchmal, wie beim Titeltrack, drehen die Casiotones allzu irre am Rad, das kann dann unter Umständen auch mal etwas nerven, bleibt aber die Ausnahme.

Die zweite Hälfte gibt sich dann etwas weniger beatlastig, hier darf’’s auch mal soulig (“Us”) werden, gern auch ein paar Steeldrums (“Jumanji”) und softerer Rap (“L8R”), gleichwohl hält sich Azealia Banks auch bei diesen Stücken nicht mit derber Ansprache zurück. Bezeichnenderweise bezieht sie diesen Ansporn nicht etwa aus einer sonst ja gern als Monstranz hochgehaltenen Ghettokindheit – sie wurde, so in einem Interview mit der NYTimes, von ihrer alleinerziehenden Mutter eher ausreichend denn nachteilig umsorgt – “My mom did a really good job of keeping me stimulated.“ An düsteren Vergleichen war trotzdem kein Mangel, „I had a healthy juxtaposition of, like, good and bad.“ Viel Attitüde also und dennoch genügend Glaubwürdigkeit – zusammen mit dem turmhohen Ego, welches ihr attestiert wird, die beste Mischung, um das Geschäft in Schwung zu halten. Der Anfang jedenfalls ist gemacht und der kann sich durchaus hören lassen. http://www.azealiabanks.com/

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