DINOSAURIER

571483_web_R_by_DieBibliothekarin_pixelio.deAls ich neulich eine Spiegelung im Glasaufzug sah, von mir und meiner Assistentin, musste ich schlagartig an zwei Dinosaurier denken. Bis heute lässt mich dieser Gedanke nicht los. Dinosaurier weniger wegen der Form, naja, ich will ja realistisch schreiben, auf den zweiten Blick, zumindest ich weise sehr viel Volumen auf, was ich meine ist eher das Gedankengut. Ich, der Arbeitgeber, sorry, ich sollte ja alles gendern, die Arbeitgeberin, die meint, den Ton angeben zu können, und meine Assistentin, die zwar weiß, dass sie Assistentin ist, sich aber darüber hinaus nicht bewusst ist, dass es nicht die Assistentin ist, die den Ton angibt.

Ich weiß, mittlerweile ist es total trendy, sich überall zu Duzen und die Hierarchien verschwinden zu lassen. Ich für meinen Teil habe mich seinerzeit bewusstens für das „Sie“ entschieden. Zugegeben, ich bin kein großer Fan des Duzens und ich befürchte auch, wenn man so eng zusammenarbeitet, dass es schnell familiär wird. Und familiär und Versorgung hatte ich ja schon einmal und das wollte ich nicht noch einmal. Zu freundschaftliche Verhältnisse haben ihre Grenzen. Das kann wahrscheinlich jeder bestätigen, der schon einmal eine Abmahnung im Du-Format kassiert hat. Es klingt komisch und man ist umso überraschter, schließlich waren wir doch Kompagnons, auf einer Ebene, Freunde, gleichberechtigt. Ich bin ganz froh, dass ich das bis jetzt noch nicht schreiben musste. Ich glaube, es zu schreiben ist noch blöder, als es zu lesen. Und egal, was darin steht, es ist nicht so treffend wie die Überraschung, mit der all dies kommt.
Mal davon abgesehen, dass das „Sie“ mit der Assistentin einen praktischen Aspekt hatte, sagt man „Können Sie mir mal die Butter reichen?“ meint man die Assistentin, sagt man „Kannst du mir mal die Butter reichen?“ meint man das Kind.

Die Idee war schon damals gut. Aber dass sie dermaßen gut sein würde, konnte ich im Detail nicht wissen. Damals waren mir kritische Gespräche und Anforderungen und entsprechender Schriftverkehr fremd. Was ich allerdings damals schon kannte, war ein besonderer Umgang Anderer mit meinen Bedürfnissen. Und plötzlich war was vom steinzeitlich angehauchten Versorgungsaspekt wieder da. Jemand, der nicht in der Lage ist, sich selbst zu versorgen, hat gefälligst dankbar und demütig zu sein. Im umgekehrten Schluss heißt das für die Gegenpartei, dass sie mit einer gewissen Arroganz auftreten darf. Im Einzelnen heißt das, dass man Anweisungen als Art Vorschläge wahrnehmen kann, die nicht unbedingt umgesetzt werden müssen. Und wenn man sie dann doch umsetzen will, dann kann man den einen oder anderen Moment vergehen lassen, bis dieser Moment tatsächlich eintritt. Wenn man vorher lieber noch etwas anderes machen würde, weil es einem gerade vielleicht mehr danach ist, so ist das halt so. Und wenn Moment und Ausführung der Anweisung dann wirklich eintreten, dann kann man sicher auch noch über das Wie verfügen. Es ist ja nicht so, dass man das nicht schon häufig genug gemacht hätte und selbst nicht am besten wüsste, wie das alles zu machen ist. Selbsterklärend ist da schon fast, dass man sich eine Aufgabe und wenn es nur so etwas wichtiges ist, wie abzuspülen, sucht, während der andere frühstückt. Was wiederum nicht bedeutet, dass man nicht frühstücken würde, rein zufällig frühstückt man halt, wenn der andere schon fertig ist als ob es unter der eigenen Würde wäre.

Ich komme so mit der Situation, wie sie ist, nicht klar. Es ist nicht so, dass ich nicht versucht habe, das mich störende Verhalten anzusprechen. Zu meiner Überraschung hat man es eingesehen und zu meiner Verwirrung sogar bestätigt. Wie oft muss ich es denn ansprechen und macht es überhaupt noch Sinn, wenn es dann erstmal angenommen wird und dann bei nächster oder übernächster Gelegenheit verfällt man ins alte Verhaltensmuster? Was ich nicht ganz nachvollziehen kann, ist, ob man es doch nicht einsieht, sich trotz aller Bestätigung sich nicht seines Verhaltens bewusst ist, mich für senil hält oder ob es einem einfach nur egal ist. Unter Umständen wirke ich nicht als ernstzunehmende Autorität, trotz meines Namens auf der Lohnbescheinigung. Unter Umständen ist es auch so, dass man Respekt einbüßt, wenn man nicht in der Lage ist, den Namen seines Gegenüber richtig auszusprechen. Trotz aller Bemühungen werde ich hier hierdran auch nichts mehr ändern können.

Die Tür geht auf, die Spiegelung ist weg, was bleibt, ist eine Entscheidung, die ich zu treffen habe.

(Foto: DieBibliothekarin / pixelio.de)


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