Dina Meza und der Journalismus in Honduras

Vorbemerkung: Dina Meza vom Internet-Portal “Defensores en Linea” besucht Deutschland, Österreich, Frankreich und England, um auf die Gefährdung von JournalistInnen in Honduras nach dem Putsch hinzuweisen. In Österreich vermieden die Gastgeber (Reporter Ohne Grenzen, Honduras-JournalistInnen-Delegation, Presseclub Concordia) sorgfältig, das Wort “USA” in den Mund zu nehmen, obwohl der Putsch im “Hinterhof” Washingtons natürlich unterstützt wurde.

Recherche unter Gefahr – Seit einem Putsch im Juni 2009 sind JournalistInnen in Honduras bedroht, wenn sie auf Seiten der Resistencia, der zivilgesellschaftlichen Widerstandsbewegung stehen. 33 JournalistInnen wurden bereits getötet,  etwa 30 gelten heute als bedroht und suchen internationale Solidarität.

Dina Meza und der Journalismus in Honduras
Dina Meza
(Foto: Nina Kreuzinger)

Eine von ihnen ist Dina Meza, die auf Einladung von Reporter Ohne Grenzen und des Presseclub Concordia am 22. April 2013 in Wien zu JournalistInnen sprach. Sie hat ausserdem Termine mit dem Außenministerium und bei Medienstaatssekretär Josef Ostermayer. In Dina Mezas Worten ist oft von “Bedrohung” und “Gefahr” die Rede, auch dass Menschen damit unter Druck gesetzt werden, dass man ihre Familien bedroht, speziell die Kinder.

Sie hat ihre Kinder seit vier Monaten nicht mehr gesehen und leidet darunter, betrachtet aber ihre Reise nach Europa auch als Lebensversicherung für die Kinder. “Uns wird die Möglichkeit genommen, unsere Kinder zu umarmen”, sagt sie. Die bereits erwachsenen Kinder müssen Sicherheitsregeln befolgen, die Tochter kann deswegen nachts oft nicht schlafen.

Dina Meza selbst hat wie viele KollegInnen gelernt, immer andere Routen zu nehmen und zu kontrollieren, ob ihr jemand folgt. Sie hat schliesslich staatlichen Schutzmaßnahmen zugestimmt, die aber kein ernsthaftes Angebot waren. Meza wollte nur. dass immer wieder ein Streifenwagen vor ihrem Haus parkt und dass sie die Nummern hoher Polizeifunktionäre bekommt, um sie im Notfall anrufen zu können.

Sie schlug bewusst nichts vor, wo man sich darauf ausreden kann, dass es etwas kostet – aber selbst daraus wurde nichts. Daher ist der einzige Schutz die Bekanntheit im Ausland, unter anderem dank ihrer Reise nach Europa. Stationen sind Österreich, Deutschland, Frankreich und England, wo Meza an einem Programm für VerteidigerInnen von Menschenrechten der Universität York teilnimmt.

Wenig Reiche, viele Arme

In Honduras besteht ein scharfer Gegensatz zwischen von wenigen Clans beherrschten Massenmedien und alternativen Medien, die auf Seiten der Bevölkerung, etwa der Kleinbauern stehen. Es findet auch ein rasanter Ausverkauf der Ressourcen des Landes an multinationale Konzerne statt, gegen den sich besonders die Armen wehren.

Dina Mezas Ausführungen werden ergänzt von den Journalistinnen Nina Holzinger und Andrea Lammas, die der Honduras-JournalistInnen-Delegation angehören und einige Stichworte auch schriftlich zusammengestellt haben. Wie Rubina Möhring von Reporter Ohne Grenzen und Erhard Stackl vom Standard vermeiden sie peinlich, die Dinge beim Namen zu nennen.

Man kann allenfalls zwischen den Zeilen erraten, wer seine Finger beim Putsch im Spiel hatte, denn dieser war eine Reaktion auf die Politik des linksliberalen Präsidenten Zelaya Rosales. Honduras trat dem Staatenbund ALBA bei, dem auch Venezuela, Kuba, Ecuador und Bolivien angehören, und Zelaya wollte Reformen unter Einbeziehung sozialer Bewegungen, da die meisten Menschen in Armut leben, während wenige fast alles besitzen.

Bei einem von den USA unterstützten Putsch wurde Zelaya am 28. Juni 2009 im Morgengrauen festgenommen und im Pyjama von der US-Basis Palmerola aus nach Costa Rica ausgeflogen; als Marionette übernahm Roberto Michetti von der Liberalen Partei die Präsidentschaft. Während Zelaya mit der Zivilgesellschaft auch über die Zukunft der US-Militärbasis diskutierte, war eine der ersten Amtshandlungen der Putschregierung, fünf weitere Basen einrichten zu lassen.

Zelaya versuchte zurückzukehren, tausende eilten ihm ins Grenzgebiet zu Nicaragua entgegen, doch Polizei und Militär veranstalteten Hetzjagden; er kehrte um, schaffte es aber später, in der brasilianischen Botschaft in Honduras aufzutauchen. Die Botschaft wurde von der Armee wochenlang beschallt und mit Tränengas beschossen; Zelaya ging im Jänner 2010 ins Exil in die Dominikanische Republik.

Dina Meza und der Journalismus in Honduras
Rubina Möhring, Erhard Stackl, Übersetzerin mit Dina Meza,
Andrea Lammers und Nina Kreuzinger

Von 8,3 Millionen EinwohnerInnen unterstützten 1,3 Millionen Forderungen der Resistencia nach einer verfassungsgebenden Versammlung für eine Neugründung des honduranischen Staates. Proteste und Demostrationen werden weiterhin niedergeschlagen, die Menschen leiden unter Repression, aber schliesslich kann Zelaya zurückkehren.

Repression gegen Politiker, Journalisten, Zivilgesellschaft

Mit der neuen Partei LIBRE, der auch VertreterInnen der Resistencia angehören, kandidiert Zelayas Ehefrau Xiomara Castro bei den Präsidentschaftswahlen im November 2013. LIBRE-KandidatInnen sind wie soziale Basisbewegungen und VerteidigerInnen von Menschenrechten (AnwältInnen und JournalistInnen) massivem Druck ausgesetzt, fünf Kandidatinnen wurden bereits ermordet.

Die Angehörigen von Opfern haben wenig Chance auf Gerechtigkeit, denn die Akten zu den Morden liegen wohlverwahrt im Ministerium, heisst es. Dies gilt auch für die Angehörigen jener JournalistInnen, die für das Recht auf freie Meinungsäußerung gestorben sind. Unter den destabilisierten politischen Verhältnissen, bei grosser Armut der Mehrheit der Bevölkerung ist die Kriminalitätsrate auch generell sehr hoch. War bisher Ciudad Juarez in Mexiko die gefährlichste Stadt der Welt, ist es seit heuer San Pedro Sula in Honduras.

Repression gegen JournalistInnen zeigt sich zum einen in formalisierter Weise, etwa indem keine Lizenzen für freie Radios vergeben werden, sodass die RadiomacherInnen “illegal” senden müssen. Zum anderen aber sind ihre Büros von willkürlichen Stromabschaltungen betroffen – und dann, wenn der Strom wieder da ist, könnte man Spiegeleier auf der Audiokonsole braten.

Man muss damit rechnen, immer wieder von Autos verfolgt oder auch in eine Falle gelockt zu werden, wie es einer Journalistin ging, die über korrupte Politiker recherchierte und sich mit einem Informanten treffen wollte. Mit knapper Not konnte sie verhindern, in ein Auto gezerrt zu werden. Kein Wunder, dass einige auch wegen Lebensgefahr das Land verlassen haben.

Dina Meza und der Journalismus in Honduras
Rubina Möhring, Erhard Stackl, Übersetzerin mit Dina Meza,
Andrea Lammers und Nina Kreuzinger

Defensores en Linea ist ein Onlineportal zur Verteidigung der Menschenrechte, dessen Chefredakteurin Dina Meza ist. Hier wird klare Sprache bevorzugt, auch wenn es um Aussagen des neuen US-Außenministers John Kerry geht. Er hat Lateinamerika als Hinterhof der USA bezeichnet, erkennt zwar die Putschisten in Honduras als “demokratisch legitimiert” an, nicht aber den neuen venezolanischen Präsidenten Nicolas Madera.

Das Kommando im “patio”

Die USA sind es ja gewohnt, Präsidenten, Militärs, Minister und Abgeordnete in anderen Ländern zu entfernen (was Defensores en Linea nicht auf Lateinamerika beschränken sollte, denn es gehört generell zur Politik der USA allen gegenüber, die sich nicht unterwerfen wollen). Gelobt wird der bolivianische Präsident Evo Morales, der auf die Gleichheit der lateinamerikanischen Völker verweist und auf die intensiven Beziehungen zu Europa, Russland, China und Brasilien. Trotz aller Repression auch seitens der USA verstehen sich Staaten als souverän und unabhängig.

Mainstream-Medien wird in Honduras nicht mehr geglaubt, weil sie im Besitz von Clans sind und manipulieren, den zivilen Widerstand als Sache von “Gesindel” darstellen. Dina Meza, die auch Programmleiterin des Radios der Menschenrechtsorganisation COFADEH ist, meint, dass ihr selbst ein Preis eine Weile half, mit dem sie Amnesty 2007 auszeichnete. Damals wurde sie eingeschüchtert, weil sie über die Praktiken privater Sicherheitsfirmen recherchierte, die sich selbst nicht offen dargestellt sehen wollten.

Nicht ohne Risiko ist es auch, über Konflikte zwischen Grossgrundbesitzern und der regionalen Bevölkerung zu berichten. Verfolgt werden JournalistInnen auch wegen angeblicher “Diffamierungskampagnen” gegen das Militär, das ja den Putschisten dient. An heiklen Themen bietet die Situation in Honduras genug – man denke an Ölförderkonzessionen für British Gas und daran, dass vor der Lüste große Vorkommen an Öl und Gas vermutet werden.

Oder daran, dass drei “Chartercities”, exterritoriale Freihandelszonen mit eigener Gesetzgebung und eigenen Sicherheitskräften geplant sind. Ein Drittel des Landes gehört mittlerweile Bergbauunternehmen, sogar Flüsse können privatisiert werden, damit ausländische Investoren Wasserkraftwerke bauen. US-unterstützter Ausverkauf, Raubbau und Repression werden so einfach nicht beendet werden, auch wenn im Herbst gewählt wird. Schon jetzt wird damit gerechnet, dass die Ergebnisse verfälscht werden, damit LIBRE und Resistencia nicht an die Macht kommen.

Nicht auf Seiten der Bevölkerung sind, von Ausnahmen abgesehen, die dominierenden offiziellen Religionen. Den Islam gibt es als Enklave, wobei Moscheen von den USA überwacht werden, von wegen, dort könnten potenzielle Terroristen aus und eingehen. Die katholische Kirche unterwirft sich den Putschisten, hat aber auch Priester in ihren Reihen, die Widerstand leisten und daher wie andere in Gefahr geraten, unter Repressionen zu leiden. Eine grosse Rolle spielen Evangelikale aus den USA, die durch Wohltätigkeit versuchen, sich eine Basis zu schaffen – ein Nebeneffekt der gemachten Armut nicht nur in diesem Land.

So fern ist Honduras nicht, bedenkt man, dass auch in EU-Staaten Druck seitens der USA ausgeübt wird, was überall spürbar ist, etwa wenn es um Datenschutz geht. Wer sein eigenes Land verrät und den Schutz der USA genießt, wird kaum von jemandem in die Schranken gewiesen, während Menschen, die wie die JournalistInnen in Honduras die Dinge beim Namen nennen, Repression ausgesetzt sind. Interessanterweise ist dies für Reporter Ohne Grenzen, Amnesty, den Presseclub Concordia aber absolut in Ordnung, müsste man doch ansonsten Farbe bekennen.

Dina Meza und der Journalismus in Honduras
Übersetzerin mit Dina Meza

Allerdings leben alle ganz gut vom Wegsehen, sodass man vergeblich an deren Solidarität appelliert. Im Gegenteil, jene JournalistInnen, die über manipulative Massenmedien etwa in Honduras aufseufzen, verbreiten oft selbst Desinformationen, wenn es um das eigene Land geht oder sehen zu, wie andere dies tun. Sie haben in Wahrheit keine andere Rolle als jene der in Sicherheit und Wohlstand lebenden JournalistInnen in Honduras, die sich in den Dienst von Propaganda stellen.

Honduras ist sehr nah

Es ist bekannt, dass im österreichischen Verteidigungsministerium nicht der Minister regiert, sondern der Kabinettschef – er ist auch wichtiger als der Bundespräsident. Wen der Kabinettschef, dessen Rückendeckung nur von einem mächtigeren Staat kommen kann, im Visier hat, der wird mit allen Mitteln schikaniert. Den früheren Verteidigungsminister, der etwa ein Gegner des US-Raketenschildes war, schottete er ab, überwachte ihn, setzte ihn unter Druck – dadurch, dass Norbert Darabos jetzt SPÖ-Geschäftsführer ist, hat sich an seiner Situation nichts geändert. Minister kommen und gehen, der Kabinettschef bleibt.

Auch die Richtung stimmt – denn das dann via SPÖ verfolgte “Profiheer”, das in einer Volksbefragung zum Glück abgelehnt wurde, wäre auf Interventionsarmee, Kampfeinsätze und NATO-Beitritt hinausgelaufen. JournalistInnen, die über alles entsetzt sind, was in fernen Ländern passiert, waren Handlanger der Manipulation, denn während unterschiedliche Menschen von der Abschottung Darabos’ sprachen, schufen die Medien Bilder vom sich angeblich bei Soldaten so unwohl fühlenden Ex-Zivildiener. Das ist das österreichische Äquivalent zum “Gesindel” im zivilen Widerstand gegen die US-gestützten Putschisten in Honduras.

Hierzulande gibt es daher ebenfalls nur die Möglichkeit der Alternativmedien und der Diskussion u.a. in Foren, um öffentlich wahrnehmbar zu sagen, was Sache ist. Es ist kein Wunder, dass ich durch Repression und Verleumdungen, durch instrumentalisierte Justiz (die nie die exakte Berichterstattung betrifft, aber dazu benutzt wird, meine Person als Mensch zu vernichten), massiv geschädigt werde. Es wirkt absurd, dass österreichische Ministerien zwar um das Schicksal von JournalistInnen in Honduras besorgt sind, aber zugesehen haben, wie ein österreichischer Minister unter Druck gesetzt wird und auch weiter zusehen – etwa dabei, dass eine Journalistin, die dies thematisiert, unter Repression leidet. Beinahe jedes meiner Menschenrechte wurde schon verletzt – an Reporter Ohne Grenzen, Concordia und viele andere wandte ich mich vergeblich; ein Leben in Armut ist nur eine der Begleiterscheinungen.

Offenbar ist hierzulande undenkbar, dass man sich verbündet, sich wehrt, sich nichts gefallen lässt – muss es erst den meisten Menschen wie Campesinos und Campesinas gehen, bis sich etwas rührt? So aber denken alle ausschliesslich an ihre Position und ihr Einkommen – würde man in Österreich einmal wirklich etwas tun, statt die Wenigen permanent im Stich lassen, die sich gegen Willkür wehren, könnte man ja etwas riskieren. Es ist natürlich auch unverständlich, dass einige sagen, sie haben den Druck auf Darabos zwar wahrgenommen, aber NUR er selbst müsse halt was dagegen unternehmen – das bedeutet, dass jedes Individuum und erst recht ein Politiker allem schutzlos preisgegeben ist.

Druck zu thematisieren, Machtverhältnisse abseits von Vorgaben der Verfassung aufzuzeigen scheint hierzulande wirklich ein Tabubruch zu sein. So gesehen sind Menschen in Lateinamerika ein wenig zu beneiden, denn sie reden offen darüber. Sie verbergen Druck und Drohungen nicht vor ihren Kindern, sondern besprechen mit ihnen Sicherheitsmassnahmen. Sie nehmen in Kauf, dass es Kinder belastet, auf sich aufpassen zu müssen – aber sie verschaffen damit sich selbst und allen anderen die Freiheit, für die Freiheit zu kämpfen.


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