Im Herbst dieses Jahres werden die ersten Studierenden an der Frankfurt School of Finance & Management im Bachelorstudiengang Digital Innovation & Fintech studieren. Die renommierte private Hochschule bietet den Studiengang als berufsbegleitendes Modell an, bei dem die Studierenden unter der Woche drei Tage im Unternehmen verbringen. Zielgruppe dürften ambitionierte Praktiker aus der Finanzbranche sein, die sich für digitale Geschäftsmodelle im Finanzsektor interessieren und diese entwickeln, managen und umsetzen wollen oder sollen.
Dass digitale Innovationen nahezu in jeder Branche zu gravierenden Änderungen führen werden, ist keine Neuigkeit. Es ist auch keine Neuigkeit, dass die Finanzbranche in Sachen digitale Innovationen bisher recht unkreativ war. Nichtsdestotrotz wurden welche realisiert. Diese liegen aber entweder schon lange zurück (bspw. Onlinebanking) oder aber es sind lediglich inkrementelle Innovationen, die weder an den Geschäftsmodellen noch an den grundlegenden Fundamenten der Branche kratzen. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte aber nicht nur sein sein, dass die etablierten Finanzinstitutionen diese nicht Umsetzen könnten, sondern im Grunde für lange Zeit gar kein Interesse daran bestand. Aufgrund des aktuellen Fintech-Hypes ändert sich diese Einstellung, jedenfalls von den Köpfen der etablierten Unternehmen aus. Hinzu kommt die Sorge diverser Kräfte, dass der Finanzplatz Frankfurt an Bedeutung verliert. Also versucht eine Allianz aus Politik, Branchenvertretern und anderen Stakeholdern in Frankfurt ein Fintech-Zentrum zu etablieren. Einen Baustein dafür stellt der eingangs genannte Studiengang dar.
Die Hoffnung der Initiatoren des Studiengangs dürfte also darauf abzielen, technologieaffine Karrieristen der Finanzbranche zur Schaffung von Innovationen im Finanzsektor zu befähigen. Dafür bedarf es allerdings mehr als nur der Digitalisierung bestehender Prozesse und Geschäftsmodelle. Diejenigen, die diese Innovationen entwickeln, müssen sowohl technische als auch wirtschaftliche und juristische Fähigkeiten mitbringen und darüber hinaus über Kreativität verfügen. Üblicherweise ist bereits das vermitteln einer dieser Fähigkeiten anspruchsvoll genug, um einen ganzen (grundständigen) Studiengang zu füllen. Für einen praxisorientierten Studiengang ist die Aufgabe daher mehr als sportlich einzustufen. Dieser Sachverhalt weckt die Neugier auf die Studieninhalte, welche die durchaus elitär einzustufende Hochschule bietet.
Schaut man sich das Curriculum (http://www.frankfurt-school.de/dms/CLM-Magnolia-Onepager/bachelor/fintech/FinTech.pdf, abgerufen am 07.05.2016) an, offenbart sich die oben beschriebene Problematik in aller Deutlichkeit. Als erstes fällt auf, dass das Thema Mathematik unterrepräsentiert ist. Verteilt auf 7 Semester gibt es lediglich im 1. Semester eine Mathematikvorlesung und im 2. Semester eine Stochastik-Vorlesung. Sicherlich werden auch die Vorlesung im 1. Semester zur Entscheidungstheorie sowie im 6. Semester die Vorlesung zum Thema Big Data einen erheblichen Anteil Mathematik enthalten, um die Grundlagen aufzubauen, die man in der heutigen Zeit zum Verstehen und Entwickeln moderner Technologien benötigt, ist das aber definitiv zu wenig. Die bunte Mischung an IT-Inhalten wirkt ebenfalls wie ein grober Abriss über das, was zwingend erforderlich ist, ein roter Faden ist jedoch nicht erkennbar. Darüber hinaus fehlen Grundlagen, wie z.B. eine Vorlesung zu den unterschiedlichen Protokollen. Ein bisschen Programmieren, ein bisschen Datenbanken, ein bisschen App-Development ein bisschen hiervon und davon aber insgesamt kein wirklich ineinandergreifendes und zusammenwirkendes Programm.
Ohne das Programm detailliert auseinanderzunehmen stellt man sich unweigerlich noch weitere Fragen. Beispielsweise taucht nirgendwo im Curriculum der Begriff Produktentwicklung auf. Eine mindestens 4-6 CP umfassende Vorlesung sollte sich mit den Grundlagen der Produktentwicklung befassen. Mit einem geringeren Umfang dürfte wohl kaum eine Befähigung entstehen können, die eine professionelle Auseinandersetzung mit dem Thema Innovationen ermöglicht. Ein bisschen Auseinandersetzung mit Value Proposition Design im Rahmen der Vorlesung Digital Entrepreneurship reicht dafür nämlich nicht. Was ist mit Recht? Wie soll jemand, der lediglich eine Vorlesung mit Rechtsinhalten besucht, sich im deutschen Regulierungs-Dschungel behaupten können? Und aus welchem Grund kommen die Wirtschaftsinhalte so kurz? Weiterhin stellt sich die Frage, wie ein Studiengang mit dem Begriff Innovation titeln kann, ohne Inhalte des Innovationsmanagements zu vermitteln. Es stellt sich auch die Frage, warum wesentliche Inhalte, die eigentlich Grundlagen für alle Absolventen darstellen sollten, anstelle von Kernmodulen als Spezialisierungsmodule vorkommen. Man könnte noch weitere Fragen aufwerfen, dass das Programm noch Schwachstellen aufweist, sollte jedoch klargestellt sein.
Wo Schatten ist, ist allerdings auch Licht. Positiv fällt insbesondere das Wahlmodul Business and Society auf. Dieser Aspekt, unter dem Innovationen (also Produkte und Geschäftsmodelle) immer beleuchtet werden müssen, wirkt auf den ersten Blick zwar weich, stellt aber eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung neuer Ideen dar. Was nutzt ein noch so gutes Produkt, wenn es weder innerhalb des eigenen Unternehmens, noch von den Kunden akzeptiert wird? Ebenfalls positiv zu erwähnen ist die Tatsache, dass man sich dem Thema IT-Sicherheit widmet. Zwar wirkt diese typisch deutsche Gründlichkeit in Anbetracht fehlender allgemeiner IT-Grundlagen putzig, nichtsdestotrotz ist es ein zentrales Thema, an dem niemand vorbeikommt, der mit IT-basierten Geschäftsmodellen, Produkten und Dienstleistungen Geld verdienen will. Ein weiterer Pluspunkt, der positiv hervorgehoben werden kann, ist das Praxisprojekt. Dieses ist allerdings erst im 7. Semester vorgesehen. Hochschuldidaktische Ansätze anderer Wissenschaftseinrichtungen haben aber gezeigt, dass Praxisprojekte in frühen Studienphasen besser aufgehoben sind, da sie für mehr Motivation bei den Studierenden sorgen und gleichzeitig noch losgelöst von kreativitätsvernichtenden Fachgrundlagen bessere Lösungsansätze liefern.
Sowohl der fehlende rote Faden des Curriculums als auch die fehlenden Inhalte sind Indizien, dass der Studiengang mit heißer Nadel gestrickt wurde. Die vollständige Neugestaltung eines derartigen Studiengangs hätte mehr Zeit und sicherlich auch mehr Input anderer bedurft. Eine Gestaltung, die auf einem Wirtschaftsinformatik-Studiengang aufbaut und um unternehmerische Inhalte angereichert wurde, wäre für die Kürze der Zeit die vermutlich bessere Herangehensweise gewesen. Wer also wirklich digitale Innovationen entwickeln möchte oder sich befähigen will, ein erfolgreiches Fintech-Startup zu gründen, dürfte mit diesem Studiengang eher schlecht beraten sein. Für Karrieristen, die innerhalb eines größeren Unternehmens mit einer modern wirkenden Ausbildung einer renommierten Institution ihre Aufstiegschancen verbessern möchten, stellt der Studiengang hingegen einen empfehlenswerten Pfad dar. Man sollte sich jedoch im Klaren darüber sein, dass es eine Wette auf einen anhaltenden Fintech-Hype ist und man keinesfalls die fachpraktischen Fähigkeiten vermittelt bekommt, die ein Absolvent eines grundständigen Studiengangs mitbringt.
Für den Standort Frankfurt ist der Studiengang ebenfalls positiv zu werten. Damit wird der Anspruch des Standorts Frankfurt verdeutlicht, weiterhin eine gewisse Position innerhalb der sich wandelnden Finanzwelt einzunehmen.
Darüber, dass man einen Fintech-Studiengang braucht, muss man generell nicht streiten. Anstelle von Maschinenbau kann man ja auch Fahrzeugtechnik studieren, ohne Naserümpfen hervorzubringen. Allerdings geht mit jeder Spezialisierung eine gewisse Sicht für das berühmte große Ganze verloren. Aber gerade das ist wichtig, wenn man Innovationen schaffen möchte. Wer über eine Immatrikulation nachdenkt, sollte sich vielleicht vorher mit dem folgenden Zitat von Antoine de Saint-Exupéry auseinandersetzen.
„Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht die Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.“