#digifla #13 bazukacho rantet pointiert oder Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.


"Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen"
Verfrühtes Gratulieren zum Geburtstag bringt bekanntlich Unglück. Wenn es danach geht, dann bedeutet die Verspätung meines Beitrags zum Zweijährigen von der digitale Flaneur hoffentlich genau das Gegenteil. Immerhin handelt es sich bei diesem Blog um eine der wenigen veritabel feuilletonistischen Instanzen im WWW, welche es wort- und kenntnisreich verstehen, Popkultur, Poesie und Passion zu einem schillernden Amalgam aus Rezensionen, Referenzen und Reflektionen zu verschmelzen. Es fällt daher nicht schwer, dieser ganz speziellen Mischung aus Zeit- und Feingeist noch viele weitere erfolgreiche Jahre und möglichst viele Leser zu wünschen.
Leider sind differenziertes Denken und unaufgeregte Reflektion noch immer keine Selbstverständlichkeit in der deutschen Blogosphäre. Hysterie, Mobmentalität und Destruktivismus dafür aber schon sehr viel eher. Exemplarisch zeigt sich dies aktuell an der Reaktion eines Großteils der Netizens auf die von Markus Beckedahl und einigen Mitstreitern neu gegründete Kampagnenorganisation "Digitale Gesellschaft e.V. (i. Gr.)" (sic!). Kaum hatte Beckedahl das Projekt auf der re:publica 2011 als politische Interessenvertretung für digitale Bürgerrechte vorgestellt, brach aus den Reihen der Blogger und Twitterer auch schon ein Shitstorm ungeahnten Ausmaßes über ihn und seine Kollegen herein. 
Man fühlt sich durch den Namen und den damit angeblich verknüpften Alleinvertretungsanspruch bevormundet, man bemängelt fehlende Einblicke in die Vereinssatzung, argwöhnt wegen des Ruchs des Lobbyismus, prangert die unzureichende Transparenz der personellen Besetzung an, beklagt die elitäre, undemokratische Struktur des Vereins, macht sich über ungelenke Tweets lustig, erregt sich über sittenwidrige Arbeitsbedingungen für Praktikanten und findet das alles generell erst mal ziemlich scheiße. Der Tonfall wird dabei zunehmend schärfer, herablassender und persönlicher. Insbesondere die Person Markus Beckedahl scheint sich innerhalb weniger Tage vom Geachteten zum Geächteten zu wandeln. Dem Mann, der hinter dem meistgelesenen deutschen Blog netzpolitik.org steht, wird vorgeworfen, mit der Organisation lediglich die Marke seines Kommunikationsunternehmens "new thinking" aufwerten, sich selbst in den Vordergrund spielen und seine Altersversorgung sichern zu wollen.
Um es in einer Sprache zu sagen, welche man in den Kreisen der Kritiker offenbar pflegt und versteht: habt Ihr eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Wieviel Unausgeglichenheit, Ignoranz und Selbstgerechtigkeit muss man eigentlich mitbringen, um sich zu derart hasserfüllten, kleinkarierten und undifferenzierten Statements hinreißen zu lassen, mit denen Ihr seit Tagen meine Timeline verstopft? Markus Beckedahl hat mit seinem Blog und seiner Arbeit in der Internet-Enquete des Deutschen Bundestages für die Netzpolitik mehr getan als irgendeiner von Euch ach so hippen Online-Spackos. 
In Eurer mikroskopisch kleinen Blog-Welt dreht sich alles um Euch selbst und vermittelt Euch das angenehm warme und miefige Gefühl, einer von den ganz, ganz Guten zu sein. Dabei predigt Ihr immer wieder zu den gleichen bestenfalls drei-, vierhundert Bekehrten, die wiederum Euren eigenen Standpunkt bestätigen. Selbstreferenzialität als Lebensgefühl. Per Saldo erreicht Ihr damit absolut GAR NICHTS. Ihr entfacht keine einzige Diskussion mit gesamtgesellschaftlichem Impact, Ihr bewegt keinen einzigen Entscheider zum Umdenken, Ihr tragt einfach nichts dazu bei, die deutsche und europäische Politik für Netzthemen zu sensibilisieren. Vermutlich ist es diese Bedeutungs- und Hilflosigkeit, die bei Euch ein so starkes kompensatorisches Bedürfnis nach einer Selbstinszenierung als Avantgardisten und Netz-Bohemians auslöst.
Es entbehrt daher auch nicht einer recht offenkundigen Ironie, wenn ausgerechnet die Leute, die sich selbst für die digitale Elite halten, Beckedahl mit dem Vorwurf des Elitarismus und des Personenkults überziehen. Und es wirft auch ein Licht auf das eher dürftige Verständnis politischer Vorgänge, das bei vielen der gewohnheitsmäßigen Kritteler vorhanden zu sein scheint. In einer demokratischen Gesellschaft ist es die wichtigste Aufgabe von Politik, möglichst breite Meinungsmehrheiten zu organisieren, um diese sodann in staatliche Willensbildungsprozesse einfließen zu lassen. Je mehr Menschen man mit einer Idee erreicht, je größer die Schar der Unterstützer, desto eher sind die Akteure des politischen Betriebs gezwungen, sich mit der Idee auseinanderzusetzen. 
Anders als offenbar vielen von Euch geht es der Digitalen Gesellschaft eben nicht darum, zu den Bekehrten zu predigen, sondern ein Bewusstsein für die Notwendigkeit digitaler Bürgerrechte bei denjenigen zu schaffen, die sich mit diesen Themen bisher kaum oder gar nicht befasst haben. Jedenfalls in Deutschland befördern ein plakativer, greifbarer Name und eine konventionelle Struktur wie die eines Vereins vermutlich die Offline-Akzeptanz. Und ganz sicher bedarf es dazu Personen mit Wiedererkennungswert, Identifikationspotential und hoher medialer Präsenz. Charismatische Fürsprecher, deren Wort Gewicht hat und von denen gehört wird, die es zu erreichen gilt.
Es ist daher nur folgerichtig, wenn sich jemand als Gesicht des Vereins hergibt. Einer muss es eben einfach machen und angesichts seiner bereits angesprochenen Verdienste um die Netzpolitik hätte es für diese Position mit Sicherheit schlechtere Kandidaten als Beckedahl gegeben. Von den Kritikern hält sich natürlich insgeheim mindestens jeder zweite für eine bessere Besetzung und man braucht kein abgeschlossenes Psychologiestudium, um hierin auch einen der Hauptgründe für die Vehemenz der Häme gegenüber dem Verein und vor allem der Person Beckedahls zu sehen. 
Früher hasste man Sascha Lobo, weil er es verstanden hat, sich mit Netzthemen und geschickter Selbstvermarktung das luxuriöse Leben zu finanzieren, das man selber gerne hätte. Und nun hasst man eben Beckedahl, weil es ihm vergönnt ist, auf allen Kanälen als die Galionsfigur der Netzwelt stilisiert zu werden, die man selber gerne wäre.  
Ganz ähnlich dürfte es sich auch mit einem weiteren zentralen Kritikpunkt, nämlich der Strukturierung als Lobbyverein, verhalten. Man kann nur Fördermitglied werden, darf also nur zahlen, aber nicht mit entscheiden. Vor allem aber darf man nicht mit in der ersten Reihe stehen, wenn die Kameras sich auf selbige richten. Schon gemein, dass da einige Leute einfach mal den Arsch hochbekommen, eine Organisation aufbauen, über Kontakte zu Politik und etablierten Medien verfügen und dann auch noch ihre eigenen Spielregeln machen, die nicht darauf ausgelegt sind, jedem Einwohner von Kleinbloggersdorf eine Plattform für seinen überbordenden Geltungsdrang zu verschaffen. 
Vor lauter verletzter Eitelkeit übersieht man dann auch geflissentlich, dass ein Lobbyverein mit straffer Führung einfach mehr Aussicht auf Erfolg in Sachen politischer Einflussnahme und Durchführung schlagkräftiger Kampagnen hat. Es muss schon ein gerüttelt Maß an Verunsicherung auslösen, wenn plötzlich jemand tatkräftig und begleitet von medialer Aufmerksamkeit die Sachen anpackt, über die man seine eigene Persönlichkeit zu einem wesentlichen Teil definiert, ohne sie jemals mit nennenswertem Erfolg selbst auf die Kette bekommen zu haben. Wären den Kritikern Netzpolitik und digitale Bürgerrechte wirklich wichtiger als ihr eigener Stolz, so würden sie sich zunächst einmal darüber freuen, dass mit dem Verein ein weiteres Werkzeug im netzpolitischen Instrumentarium hinzugekommen ist. 
Und so wie jedes Werkzeug seine spezifische Funktion und Funktionsweise besitzt, so hat auch der Verein ein eigenes Profil, eine eigene Zielsetzung und einen eigenen Modus Operandi. Er ergänzt die Bestrebungen und Tätigkeiten des CCC, des FoeBuD e.V., der Piratenpartei, des AK Vorrat und des AK Zensur, aber er ersetzt sie nicht. 
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang übrigens, dass man nicht einmal abwartet, bis der Verein seine Arbeit aufgenommen, geschweige denn überhaupt die gerichtliche Anerkennung bekommen hat. Es besteht ja die Möglichkeit, dass er tatsächlich Erfolg hat, etwas bewegt und Netzthemen dank seiner Bemühungen vielleicht sogar einmal wahlentscheidend werden. Das wäre natürlich unerträglich, da man selber ja keinen Anteil daran hätte. 
Prophylaktisch schießt man also schon mal aus allen Rohren, veranstaltet einen riesigen Budenzauber und versucht, die Sache madig zu machen, bevor irgendetwas passiert ist. Wenn ich es nicht haben kann, dann mach ich's kaputt. Brav der Mobmentalität folgend, die schon Jaron Lanier zutreffend als eine der übelsten durch das Netz verursachten menschlichen Deformationen beschrieb, springen Kreti und Plethi gedankenlos auf den Zug auf und stimmen mit ein beim fröhlichen #digiges Bashing. Machen alle, muss ja gut sein.
Der Teufel scheißt eben immer auf den größten Haufen.
Autor: bazukacho, iD.EOLOGY netlabel
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Der (verspätete) Gratulant: bazukacho, iD.EOLOGY netlabel
iD_EOLOGY sollte dem CC-affinen Netzbewohner und -bewanderer eigentlich ein Begriff sein, aber eine kleene Würdigung kann ja nie schaden. Der Klangkosmos des Labels erstreckt sich von dubbigen, subsonischen Magenschmeichlern über brüchig-entkontextulisierte Electronicaschichtungen bis hin zu träumerisch-verspielten Sphärenausritte der ausgefallenen Art.  Wohlfühlmusik eben. Zuhörmusik, Musik als Erlebnis und Genuss - und gratis & markenrechtentschlackt ist sie auch. Watt will Mensch mehr?

 

Und dass sich die Macher auf deutlich mehr verstehen, als "bloss" durch alternative Publikationsformen den sankrosanten Ungeist des Marktes kritisch zu hinterfragen sollte anhand des obrigen, eleganten Rant eindrücklich belegt sein - oder?

    Koordinaten: id.eology (Website) / id.eology


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