©ARD
Ein Auto fährt eine Hauptstraße entlang, rechts und links erscheinen Bauten, die Sicht wird dunkler, rauchende Schornsteine, eine trostlose Gegend, aus dem Off dudelt die Nationalhymne vor sich hin. Man merkt schon früh, wohin die Reise von Petra Schmidt-Schallers Abschieds-Tatort führt. Es geht um Flüchtlinge, um einen aktuellen wie realen Fall und um Polizeigewalt sowie institutionellen Rassismus. Drehbuch-Autor Stefan Kolditz (u.a. Das Muli) und Regisseur Thomas Stuber leisten mit „Verbrannt“ aber keine wirklich gelungene Arbeit, sondern bloß einen wirklich schwierig zu betrachtenden Themen-Tatort mit gefährlicher Aussage.„Digger, ich heule gleich“, sagt Kommissar Falke (Wotan Wilke Möhring). So ist dem geneigten Krimi-Fan spätestens nach dem etwas wirren Ende zumute, wo es nur noch heißt: Alles Hagen, oder was?
Alles Hagen, oder was? ©NDR/Alexander Fischerkoesen
In Wirklichkeit verbrannte der Oury Jalloh vor 10 Jahren im Polizei-Gewahrsam unter dubiosen Umständen. Bis heute sind die genauen Tat-Umstände nicht aufgeklärt. Schmidt Schallers Kommissarin Lorenz und Kollege Falke (Wotan Wilke Möhring) ermitteln hier im Umfeld des Polizei-Präsidiums einer nicht weiter namentlich bezeichneten niedersächsichen Provinz-Stadt, der es schlecht geht. Die Stahl-Industrie wanderte ab, aus Kneipen werden Griechen-Restaurants und aus Bäckerei Läden mit türkischen Spezialitäten. Kassiererinnen im Supermarkt regen sich über die Alkohol kaufenden Flüchtlinge auf, die ihr Geld kassieren und sich damit voll laufen lassen. Schnell rücken die Polizisten der örtlichen Dienststelle in den Ermittlungs-Fokus, denn der an seiner Pritsche festgekettete Flüchtling hätte sich niemals selbst anzünden können. Da muss nachgeholfen worden sein, zeigt sich flott.
Der Krimi saugt sich aber auch weniger aus der Suche nach dem Täter seine Spannung, die ist (zu) schnell für erfahrene Fans zu erraten. Am Ende behilft sich der Film dann noch einer den Polizisten zufällig zugespielten Videosequenz. Mühsam legt der Streifen vorher die ein oder andere falsche Fährte, beispielsweise indem er dem Toten eine nicht auf viel Gegenliebe gestoßene Liebschaft mit der Tochter des Stadt-Arztes (Peter Jordan) andichtet. Ne, krimitechnisch gleicht „Verbrannt“ einem 0815-Desaster.
Ein Fall, der stinkt...©NDR/Alexander Fischerkoesen
Weitaus interessanter hingegen – und da stößt der Film endgültig an seine Grenzen – ist der weitaus größere Aspekt hinsichtlich der örtlichen Polizeidienststelle. Bereits früher machte das Präsidium um Dienststellen-Leiter Werl (Werner Wölbern) mit mehreren zwielichtigen, rassistisch angehauchten Vorfällen von sich reden. Man merkt: Der tote „Neger“, so wie er oft bezeichnet wird, ist kein großer Verlust. In dieser Stadt gibt’s schließlich schon genügend Probleme – wozu dann noch ein Flüchtlingsheim? Die Polizisten sind durch die Bank weg argwöhnisch gegenüber den beiden Bundespolizisten Falke und Lorenz, rassistisch sind sie sowieso, der eine – zufälligerweise ein Bekannter von Lorenz – hört im Auto „Ak's im Wandschrank“, auf der Grillparty des Chefs läuft passenderweise „Auf uns“ von Andreas Bourani. Plakativer geht’s wirklich nimmer.
Als dann eine Kollegin auspacken möchte, wird ihr gedroht. Die Polizei, dein Freund und Helfer? In diesem Tatort ist das ganz und gar nicht der Fall. Auf der Grillparty anlässlich des Tages der deutschen Einheit hängt darüber hinaus auch noch eine Deutschlandfahne gut sichtbar, man brüllt „Auf Deutschland“. Die Polizisten in Stubers Tatort wirken ständig wie Verbrecher, am Ende darf Werl dann eine alles unterbietende Rede schwingen. Man befinde sich im Krieg, warum sei der Tod eines – ich zitiere - „Negers“ mehr wert als der eines deutsches Polizisten?
Wie immer, wenn sich die Sonntagskrimi-Reihe an ein echtes, gesellschaftskritisches Thema ranmacht, verrennt es sich in plakativen Phrasen. Die Aussage ist eindeutig, schwarz und weiß sind logischerweise auch klar auszumachen. Schmidt-Schaller, ähnlich wie Groth letzte Woche, geht zum rechten Zeitpunkt. Denn wenn das Buch von Kolditz dem eigentlich guten Mimen Wölbern dann noch irgendwelche Ausschnitte von der Nibelungen-Saga in den Mund legt und er munter was von „Ich bin Hagen“ faselt, dann ist die Messe gelesen. Der sonderbare Schlusspunkt eines unrunden Abends, bei dem auch Serdar Somuncu eine kleine Rolle übernimmt als Anwalt. Irgendwie genauso merkwürdig wie so vieles in den 90 Minuten.
©NDR/Alexander Fischerkoesen
BEWERTUNG: 2,5/10Titel: Tatort: VerbranntErstausstrahlung: 11.10.2015Genre: KrimiRegisseur: Thomas StuberDarsteller: u.a. Wotan Wilke Möhring, Petra Schmidt-Schaller, Werner Wölbern