[Dieses und Jenes] Die Wiederentdeckung der Bibliothek

Ende Juli war es mal wieder so weit. Im Portemonnaie war etwas Geld übrig und ich war dreist genug, damit in die Stadtbibliothek zu gehen. Ich erkaufte mir ein Jahr Wonne, ein Jahr E-Books und ein Jahr Printbücher. Dafür, dass ich meine Ausbildung in einer Bibliothek gemacht habe, dauerte es lange bis ich wieder den Weg zurück in eine fand. Schon komisch, aber jetzt bin ich wieder da und habe bereits fleißig ausgeliehen.

Es ist ein komisches Gefühl, Bücher die man liest, wieder abzugeben. Die Liebe ist recht kurz. Dabei habe ich neue Kategorien in der Bibliothek für mich entdeckt und merke: Der Mensch wird auch mit seinen Lesegewohnheiten älter. Habe ich früher immer schnell eine Auswahl an Jugendbüchern getroffen, stand ich die Tage verwirrt vor den Regalen und fand nichts, was mich interessierte. Ist die Zeit der Jugendbücher vorbei oder nur abgeschwächt? Ich schlenderte durch die Bibliothek und entdeckte die Kiste: „Wünsche werden wahr“. Kiste ist ein blödes Wort, heißt es doch „Medienaufbewahrung“. Es standen dort einige Romane, ich in Blogs gesehen habe, seichtes und hochtragendes und ich war mir nicht sicher, ob ich fündig werden würde. Ich entdeckte ein schwarzes Buch mit einer unscheinbaren, doch hübschen Frau darauf. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ich so Susan Sontag entdeckte, die mir in meinem Studium oft begegnet ist. Ihre Essays zur Popkultur wurden durchgenommen, ihre Worte recht sperrig, das Thema nicht geliebt. Und nun sollte es Susan Sontag sein? Es war „Tod einer Untröstlichen“ – das Buch ihres Sohnes über ihren Tod oder besser: ihren Kampf ums Überleben. Es sollte ein Buch werden, dass mir klar machte, was Leben und Worte für einen Menschen bedeuten könnten und sollten.

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Außerdem nahm ich „Mal Aria“ mit. Ein Buch, für das mein Freund mich belächeln sollte. Oder war es eher ein Auslachen? Der Roman ist aus der Perspektive einer Mücke geschrieben, die die fast immer tödliche Krankheit in einer Zeit beschreibt, in der jeder an einer anderen Krankheit leidet. Die nächste Entdeckungstour führte mich zur Abteilung: „Literaturempfehlungen“. Christine Westermann, Volker Weidermann und andere „Literaturexperten“ hatten Bücher empfohlen und ich durfte stöbern. Gefunden habe ich eines, das lange auf meiner Wunschliste stand: „Alles zählt“ von Verena Lueken. Eine Frau hat abermals Krebs und verwebt ihr Leben mit allerlei Büchern, Songs und Theaterstücken. Ihr seht, die Themen waren nicht einfach – nur Krankheit und Tod. In jedem dieser Bücher aber war Hoffnung zu finden und so viele schöne Wörter, gezirkelte Sätze und weitere wunderbare Buchempfehlungen – ich hatte ziemliches Glück. Zum Schluss wählte ich noch „Verdi – Ein Roman in neun Phantasien“ aus. Musik – etwas, was mich immer anspricht.

Der erste Besuch also ein voller Erfolg. Es folgte ein zweiter, meine Liebe zu Susan Sontag ist gerade ungebrochen und durch Verena Lueken entdeckte ich James Salter und seine Romane. „Verbrannte Tage“ verschlang ich, empfehle Salter gerade jedem, der sich nicht wehren kann. Noch vor ein paar Tagen undenkbar, dass ich einen US-amerikanischen Schriftsteller lese, dessen Worte mal banal und mal existentialistisch sind. Scheinbar ist eine Leserin erwachsen geworden, aus zu kleinen Schuhen herausgewachsen, die ich benennen könnte mit Jugendbüchern, Kinderbüchern und rosafarbenen Romanen. Gibt es so etwas? Leseentwicklung klar, aber kann man im „Alter“ noch zu Dingen greifen, die anscheinend schwierig erschienen? Oder brauchte ich das Ende vom Studium, um zu erkennen, dass Romane und die Schriftsteller, die ich lesen musste, auch ein Vergnügen sein können? Ich bin so vermessen und wage mich vielleicht die nächsten Monate an „Der Zauberberg“ heran, an einen Thomas Mann, der mich nur mit „Die Buddenbrooks“ begeistern konnte und das erst nach dem zweiten Mal.

Ein bisschen bin ich vom Thema abgekommen, wollte nur sagen, dass Bibliotheken schön sind und ihre Wiederentdeckung auch. Zudem seht ihr, dass ich momentan ein Händchen für die Auswahl habe und mich über jedes Wort freue, das ich lesen darf.


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