Dieser Tipp hat unser Familienleben revolutioniert.

Kennst du das auch?

„Ki-hind, könntest du BITTE deine Jacke AN DEN Haken hängen????!!!“

Und nervt es dich auch?

Dann ist dieser Artikel vielleicht interessant für dich. Er wird lang und ausufernd sein und deshalb unterteile ich ihn in sechs Abschnitte:

Abschnitt 1: Die Ausgangssituation.

Abschnitt 2: Das Problem.

Abschnitt 3: Sinnlose Lösungsvorschläge

Abschnitt 4: Die Mühe-Liste – eine sinnvolle Alternative?

Abschnitt 5: Erfahrungsbericht

Abschnitt 6: Ausblick

Abschnitt 1: Die Ausgangssituation.

Im Grunde hausen wir zu fünft auf 26 Quadratmetern Wohnzimmer,

weil die Kinder sich immer noch weigern, Hausaufgaben und sonstige kindliche Beschäftigungen wie Spielen in ihren Kinderzimmern zu erledigen.

Auf 26 Quadratmetern verputzen wir Kartoffelecken und Fischstäbchen, die Kinder erledigen Hausaufgaben und bauen Lego-Raketen, Murmelbahnen und elektrische Stromkreise, ich schreibe Unterrichtsentwürfe, Blogartikel, Rezensionen und Emails, und in diesem Raum bauen wir an jedem Samstagabend die quadratmetergroße Leinwand auf, um das Highlight der Woche gemeinsam zu genießen: Den Kinofilm mit Beamer, Bananensmoothie und Chips.

Abschnitt 2: Das Problem.

Kinder können eine Sache ziemlich gut:

Alles liegen lassen. Da liegen Kopfhörer, Bücher und stapelweise Decken auf dem Glastisch, angefangene Bilder, Krümel und Memorykarten tummeln sich auf dem Esstisch, und auf dem Holzboden lauern Legosteine, Magnete und Murmeln auf unschuldige Elternfüße.

UND DAS MACHT MICH WAHNSINNIG.

Abschnitt 3: Sinnlose Lösungsvorschläge.

Als Elter hast du nun mehrere Möglichkeiten:

1.Ignoriere das Chaos (, aber es wird dich früher oder später in den Wahnsinn treiben).

2. Ermahne die Kinder (, aber deine Lippen werden bald in blutigen Fetzen in deinem Gesicht hängen).

3. Wirf alles weg, was herumliegt (, aber spätestens bei den teuren Kapla-Steinen wird dein Herz bluten und deine Kinder werden es gar nicht bemerken).

4. Du wirst selber aufräumen (, aber der Groll in deinem Herzen wird mächtig sein).

Abschnitt 4: Die Mühe-Liste – eine sinnvolle Alternative?

Ich erklärte meiner Kollegin die Situation. Meine Kollegin hat für alles eine Lösung. Sie ist auch die einzige Lehrerin, die ich kenne, die ein sauberes Klassenzimmer und eine attraktive Lernatmosphäre herstellen kann.

„Du machst das einfach so“, erklärte sie mir besonnen. Und so machte ich es.

„Meine lieben Kinder“, erklärte ich meinen Kindern beim nächsten Samstagmorgenfrühstück, „ich habe mir überlegt, dass ich von nun eure Teller in die Küche tragen werde, eure Spielzeuge in die Kisten räumen und eure Jacken aufhängen werde.“

Die Kinder blinzelten verwundert.

„Außerdem werde ich abends den Roller in die Garage räumen, die Fußbälle in die Fußballecke und ich werde mir auch die Mühe machen, wenn du morgens nicht aufstehen willst, dich noch ein drittes und viertes Mal liebevoll zu wecken.“

Die Kinder stoppten die Nahrungsaufnahme.

„Ich mache das gerne für euch, denn ich bin eure Mutter und ich gebe mir gerne Mühe für euch.“

Die Kinder schoben ihren Kakao von sich.

„Aber dafür möchte ich auch eine Mühe von euch zurückhaben. Wenn du also die Bastelkiste nicht zurück räumst, dann schreibe ich das auf die Liste. Und dahinter schreibe ich eine Mühe, die ich von dir haben möchte.“

„Was sind das für Mühen?“ fragten meine klugen Kinder.

„Nichts Großartiges“, sagte ich, „Dinge im Haushalt, die eigentlich meine Aufgabe sind, die ich aber oft nicht schaffe. Dinge, die mich nerven. Den Kühlschrank auswischen zum Beispiel. Oder das Klo putzen. Die Regalfächer sauber wischen. Oder die Spinnweben entfernen. Wenn ich eine deiner Aufgaben erledige, dann machst du eine Aufgabe für mich.“

Meinen schlagfertigen Kindern fiel kein Gegenargument ein, wohl aber Proteste:

„Das mache ich auf keinen Fall!“, sagte der Älteste, der in allem und jedem Ungerechtigkeiten wittert.

Ich ignorierte ihn.

„Du hast Zeit bis zum Samstag Abend. Wenn du deine Mühen bis dahin nicht erledigt hast, machst du sie in der Zeit, während die anderen den Kinofilm sehen. Ich helfe dir auch.“

Es gab keine Proteste mehr. Es klang so logisch. Und so machen wir es seither.

Abschnitt 5: Erfahrungsbericht.

Die Kinder haben seither viel gelernt.

„Mama!!“, rief der Älteste vor einer Woche empört, „das muss ein Fehler sein, hier steht, dass ich die Treppe fegen soll!“

„Wieso ist das ein Fehler?“, erkundigte ich mich.

„Maxe hat doch letzte Woche die Treppe schon gefegt?“

„Dann schau dir die Treppe doch mal an.“

„Mama?! Die Treppe ist ja schon wieder schmutzig?“

Hausarbeit ist eine Sisyphos-Arbeit.

Auch Maxe hat etwas gelernt:

„Mama, ich will das nicht machen. Das ist so anstrengend.“

„Ja“, sagte ich, milde nickend, „da hast du etwas Wichtiges begriffen, Hausarbeit ist richtig, richtig anstrengend.“

Sohni dagegen hat etwas ganz anderes begriffen:

„Mama, ich habe jetzt ALLE Schubladen gewischt. Kann ich das auch auf die Mühe-Liste schreiben?“

„Wow!“, lobe ich ihn, „alle Schubladen?? Vielen Dank! Dafür mache ich mir gerne noch eine Mühe für dich!“

In der Schule klappt das auch. Nicht immer, aber häufig:

„Frau Solanum?“, fragte mich ein Schüler, „ich habe meinen Test verloren.“

„Auweia“, sagte ich, „du solltest ihn doch deinen Eltern zeigen.“

„Kann ich den noch einmal schreiben?“

„Leider nicht, mein Lieber.“

„Was soll ich denn dann tun?“

„Das ist kein Problem. Ich mache mir die Mühe und rufe deine Mama an und sage ihr das Ergebnis von dem Test.“

„Okeee.“ Dietrich blinzelte misstrauisch in die Sonne.

„Und dafür, dass ich mir solche Mühe für dich gebe, möchte ich auch etwas zurück haben“, erklärte ich, „du kannst etwas für mich tun. Du könntest mir zum Beispiel ein schönes Plakat machen, über das Scharbockskraut. Das können wir dann ins Klassenzimmer hängen.“

Dietrich blinzelte stärker. Er neigte seinen Kopf: „Wissen Sie was, Frau Solanum“, sagte er, „ich suche den Test noch einmal.“

Und dann rannte er davon.

Einige Schüler sind für solche kleinen Mühen nicht empfänglich. Aber das macht nichts. Es gibt ja auch große Mühen. Nach den Osterferien zum Beispiel, da streiche ich mit Richard den Klassenraum. Das wird wohl einige Stunden dauern.

Insgesamt bin ich viel gelassener geworden. Bei meinen Schülern übe ich noch, aber in der Familie klappt das schon ganz gut. Ich muss nicht mehr meckern. Ich wiederhole mich nicht mehr. Ich schimpfe nicht. Ich frage freundlich: „Soll ich deinen Roller wegräumen oder willst du das machen?“

Abschnitt 6: Ausblick

Mir fallen noch viele Anwendungsmöglichkeiten ein. Es kostet natürlich Kraft. Meine Kinder tobten und meckerten. Aber dann putzten sie die Spinnweben weg, ließen den Kühlschrank blinken und holten den Staubsauger aus der Kammer. Außerdem räumen sie seither den Roller in die Garage, packen die Scheren zurück in den Bastelschrank und achten darauf, ihre Jacken an den Haken zu hängen.

Wenn sie dermaleinst vorhaben, ihre Hausaufgaben zu ignorieren, werde ich es ihnen erlauben. Ich werde ihnen dann alternativ eine Liste mit Hausarbeiten zusammen stellen. Wenn sie einen schlechten Schulabschluss haben, sollten sie wenigstens gut putzen können. Genau so werde ich es ihnen erklären.*

*Nachbemerkung: Bevor man kleine Mühen verteilt, sollte man natürlich überprüfen, aus welchem Grund das Kind bestimmte Dinge nicht erledigen kann. Dies muss einwandfrei geklärt sein.


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