Die EU will die Besteuerung von Dieselkraftstoff und Benzin angleichen. Die Bevorzugung von Diesel läuft allen guten Absichten längst zuwider. Die europäische Nachfrage nach Diesel ist stark gestiegen.
In einem Liter Dieselkraftstoff ist mehr Energie gebunden als in einem Liter Benzin, in der Folge wird beim Verbrennen eines Liters Diesel mehr CO freigesetzt als beim Abfackeln der gleichen Menge Benzin.
Um diese simple und physikalisch unverhandelbare Tatsache kreisen die Pläne der EU, die Energiesteuer bald einmal ihrem Namen gerecht werden zu lassen und Energieträger künftig auf Basis ihres Energiegehalts zu besteuern. Heute wird Benzin bekanntlich höher besteuert als Diesel.
Es sollte schleierhaft sein, was einen an diesem noblen Vorhaben auf die Barrikaden treiben kann: Der Schritt wäre ein erster, kleiner auf dem Weg zu einer dringend benötigten, größeren Energiewahrheit. Und er könnte helfen, einige Missstände zu beseitigen, die aus der steuerlichen Bevorzugung des Dieselkraftstoffs entstanden sind.
In der verkürzten Darstellung, auf die Landespolitiker, Teile der Autoindustrie und die Taliban-Fraktion der Autofahrerklubs zurückgreifen, bleibt freilich nur eine Botschaft: Autofahren wird (wieder einmal) teurer.
Das ist zwar insofern richtig, als fossile Energieträger nie wieder billiger werden, sondern tendenziell teurer. Doch mit dem weiteren Verschleiern der Kostenwahrheit ist niemandem gedient. Am allerwenigsten übrigens der Umwelt und dem Klima.
Der europäische Boom von Diesel-Pkw der letzten Jahre hat die Nachfrage nach Diesel im Verhältnis (und natürlich auch absolut) stark in die Höhe getrieben. Eine Rohölraffinerie kann aber nicht beliebige Anteile von Benzin und Diesel (und anderen Derivaten wie Kerosin) herstellen. Bei etwa einem Viertel Ottokraftstoff (Benzin oder Super) entsteht nur ein Fünftel Diesel.
Das läuft in einem Markt wie dem europäischen, in dem Diesel-Pkw mittlerweile dominieren, zwangsläufig auf ein Ungleichgewicht hinaus. Mit einer recht simplen Kompensation als Folge: Europäische Raffinerien verschippern Benzin überallhin auf der Welt, wo es gebraucht wird (zum Beispiel in die USA), während wir von anderswoher Diesel importieren müssen (zum Beispiel aus Russland). Die Dimension dieses globalen Treibstoffhandels erzeugt CO2-Emissionen, gegen die nationale Klimaschutzbemühungen lächerlich wirken. Anders als beim Menschen zeitigt Placebo beim Klima keine bekannten positiven Wirkungen.
Selbst wenn Diesel an der Tankstelle – infolge der neuen Energiewahrheit – mehr kosten würde als Benzin (was unverändert in der Hand der Länder liegt), so kämen Dieselfahrer immer noch günstiger davon.
Nicht nur, dass Diesel mehr Energie freisetzt und man mit einem Liter davon folglich weiter kommt als mit einem Liter Super, so ist der Dieselmotor auch die effizientere Verbrennungsmaschine. Die höhere Kilometerleistung bliebe dem Dieselfahrer also unbenommen. Der Verbrauchsvorteil ist umso höher, je mehr man fährt.
Doch es gibt einen Pferdefuß. Oder schlimmer: zwei. Oder sogar eine ganze Reihe. Bemühen wir eine lose Reihenfolge.
Die effizientere Wirkweise des Dieselmotors basiert wesentlich auf einer Verbrennung mit hoher Verdichtung und Luftüberschuss. Mit der unvermeidbaren Folge eines ungünstigen Abgasverhaltens: Stickoxide (NOx, giftig) und Russpartikel (auch giftig; und die gehören, im Verkehr, dem Dieselmotor allein). Um einen Dieselmotor aufgrund dieses kleinen Schönheitsfehlers überhaupt in den Verkehr bringen zu können, müssen ihm die Abgasnormen Freiräume verschaffen. Laut aktueller Euro5-Norm darf er – zum Beispiel – dreimal so viel Stickoxide ausstoßen wie ein Benzinmotor.
Nicht nur, dass diese Toleranzen in aller Regel voll ausgeschöpft werden, verschlechtert sich bei modernen Dieselmotoren auch noch der Anteil des besonders unguten NOim NOx-Gemenge. Dafür gibt es überhaupt keinen Grenzwert. Der Diesel erfreut sich also nicht zuletzt wegen dieser schützenden Hand so großer Beliebtheit. Die Immissionsproblematik des Verkehrs – also NOx und Feinstaub –, an dem Europas Städte (somit die Menschen darin) zunehmend kranken, wird ihm dagegen bislang nicht angerechnet. Tempolimits („IG-Luft“) und Fahrverbote in Städten sind niedlich in ihrer Wirkungslosigkeit, strafen aber alle.
Billiger Diesel ist für die Umwelt also nur beschränkt toll, er ist aber zweifellos gut für die Stimmung der Autofahrer und des Frächter- und Verteilergewerbes, dem Leerfahrten und absurde Transportwege offenbar nur wenig auf die Tasche fallen.
Eine weitere Subventionsleistung erhält der Diesel von den Herstellern. Weil ein solcher heutiger Motor mit aufwendiger Abgasreinigung und bis zu 2000 bar Druck an den Einspritzdüsen in der Herstellung etwa doppelt so teuer ist wie ein Ottomotor, muss ihm etwas geholfen werden. Die Mehrkosten werden auf die gesamte Produktion verteilt, mit anderen Worten: Autos mit Benzinmotor, wenn wir schon vom gequälten Autofahrer reden, wären billiger, als sie tatsächlich sind.
Und sparsamer: Fast ein Jahrzehnt lang wurde die Weiterentwicklung des Ottomotors hintangehalten, erst allmählich kämpft sich die Technik wieder zurück. In der Zwischenzeit erlaubte der vergleichsweise günstige Betrieb eines Dieselautos, dem übrigens auch die Kfz-Steuer auf kW-Basis sehr entgegenkommt, den Siegeszug der SUVs in Europa, als einzigem verlässlich wachsendem Segment. Nicht das ideale Format, um Emissionen jedweder Natur zu reduzieren.
Alles zusammen wird sich in Zukunft aber nicht ausgehen: Klima retten, dicke Autos fahren, und kosten soll es auch nichts.