Lange bevor ich die erste Geschichte zu Papier gebracht habe, schrieb ich Gedichte. Poesie der Freude, des Kummers, der Angst – und auch der Wut. Und auch in all den Jahren, in denen ich vor allem Prosa schrieb, kamen mir dann und wann auch einige lyrische Verse in den Sinn. Manchmal eine Momentaufnahme, eine Art emotionaler Schnappschuss. Manchmal eigentümliche kleine Geschichten in Gedichtform.
Wir sind uns so fern
Du bist mir so fern,
Dabei wäre ich so gern
Dir so nah und Du
Wirfst Blicke mir zu,
Diese Blicke.
Wir lieben uns und sehen,
Wir wollen nicht auseinander gehen.
Dies hätte ich so gern,
Aber ich bin Dir so fern.
circulus vitiosus
Ich lag auf dem Bett,
Versuchte, zu lesen,
Und dachte doch an Dich.
Da fielen mir die Augen zu,
Und ich träumte davon,
Dass ich, als mir die Augen zu fielen,
An Dich dachte,
Obwohl ich versuchte, zu lesen,
Dort auf dem Bett,
Auf dem ich liege,
versuche, zu lesen,
Und doch an Dich denke.
carpe diem
Der Tag verlor sich in Stunden,
Da ich nur Zeit durch Adern presste.
Geronnen in Trägheit klumpten Sekunden
Zu Minuten, die aufhäuften sich zu Stunden,
In denen Tag um Tag belanglos verstrich
Und ich allmählich verblich.
dies irae
Bleib, wo du bist,
Und wo das auch ist,
Ich will es nicht wissen,
Will nicht erfahren müssen,
Wie es dir geht,
Wie es um dich steht,
Rühr mein Herz nicht an,
Damit es irgendwann
Nicht mehr wehtut,
Nicht so wehtut.