Die zweite Staffel von “The Walking Dead”

Von Denis Sasse @filmtogo

Ja, schlurfen sie denn nun wie im Original “Dawn of the Dead” von 1978 oder rennen sie wie im Remake von 2004? Oder können sie gar Parkour (“Day of the Dead”, 2006) oder reden wirres Zeug wie im leider irgendwie untergegangenen “Pontypool”? Als 2010 damit begonnen wurde, die erfolgreiche Comicbuch-Serie “The Walking Dead” zu verfilmen, war der Jubel unter Comic- und Zombiefans groß. Und das nicht grundlos, schließlich stand mit Frank Darabont (“Die Verurteilten”, “Der Nebel”) ein großer Name der Produktion als Produzent, Drehbuchautor und Regisseur vor. Auch konnte Comicschöpfer Robert Kirkman als einer der Ausführenden Produzenten gewonnen werden. Die ersten sechs Folgen von Staffel 1 waren dann auch der erhoffte Erfolg. Überraschend hart und konsequent die Gangart, dem Comic treu und doch frei die Umsetzung und Ausgestaltung der einzelnen Episoden – so lässt sich die TV-Serie “The Walking Dead” am ehesten zusammenfassen. Und das ist es, was Fans der Comicbücher freut: auch als treuer Leser weiß man nicht, was in der TV-Adaption als nächstes passiert.

“The Walking Dead” erzählt die Geschichte des Polizisten Rick Grimes, der bei einer Autoverfolgung angeschossen wir und ins Koma fällt. Vier Wochen später wacht er auf und findet nur Verwüstung und Einsamkeit vor (was dummerweise auch die Ausgangssituation des guten aber überbewerteten “28 Days Later” war). Diese erste Folge ist ein Musterbeispiel für Atmosphäre, ähnlich der ersten zehn Minuten von Dawn ’04. Der völlig orientierungslose Rick findet verwüstete Krankenhausflure vor, eine abgenagte Leiche, eine verrammelte Tür mit der Aufschrift “Don’t open, Dead inside!”… Vor dem Krankenhaus unzählige Leichensäcke, verwaiste Militärfahrzeuge, Einsamkeit. Gibt es ein besseres Intro? Nicht für einen Zombiefilm. Schließlich trifft er in der von Zombies überrannten Stadt Atlanta auf eine Gruppe Überlebender. Unter ihnen Frau und Kind! Und sein bester Freund Shane, der sich um Ricks Familie gekümmert und sie in Sicherheit gebracht hat. Das sich Shane nun ja, etwas zu intensiv um Ricks Frau Lori gekümmert hat, weiß Rick noch nicht. Die Gruppe schlägt sich nach Alabama durch, wo es ein Gegenmittel geben soll. Sie folgen einer Radiodurchsage und treffen in einem abgeschotteten Komplex auf Dr. Jenner. Der Gute ist schon etwas durchgedreht und plant alle mit sich in die Luft zu sprengen. Es gelingt Rick ihn zu überreden, die Gruppe gehen zu lassen. Und so bläst sich Jenner alleine samt Gebäude (in einer leider ziemlich mies getricksten Sequenz) in die Luft.

Die erste Staffel wurde dann auch zum erhofften Erfolg. Die Zombies waren endgültig im Mainstream angekommen. Vorbei die Zeiten, in denen ein “Dawn of the Dead” in so ziemlich jedem europäischen Land eine eigene (Stummel)Fassung bekommen hat. Heute kämpft sogar ein Brad Pitt gegen Zombies, siehe “World War Z”.

© Photo by Bob Mahoney/AMC / Lori Grimes (Sarah Wayne Callies), Shane Walsh (Jon Bernthal), Rick Grimes (Andrew Lincoln), Daryl Dixon (Norman Reedus), Andrea (Laurie Holden), Glenn (Steven Yeun) and Carol Peletier (Melissa McBride) in der ersten Folge der zweiten Staffeln von “The Walking Dead”

Spoilerei!

Staffel 2 steht unter dem Stern der inneren Konflikte und Zerwürfnisse. Doch vor allem geht es um die Beziehung zwischen Rick und Shane. Die ehemals besten Freunde konkurrieren nicht nur um Ricks Frau, sondern auch um die Führerschaft innerhalb der Gruppe. Während Rick an erster Stelle seine Familie schützen will, ist Shane der hitzköpfige Draufgänger. Allein dieser Konflikt und Ricks konsequente family first-Einstellung ist großartig umgesetzt. Es ist klar, irgendwann kommt es zum großen Knall zwischen den Männern. Dazu kommt, das Lori schwanger ist. Sie gesteht Rick ihre Affäre mit Shane, das Kind sei aber nicht von diesem sondern von Rick. Und was macht Rick? Zum Glück keine Szene. Er sieht die Gesamtsituation. „Du hast gedacht ich bin tot…“ Er akzeptiert, versteht, verzeiht. Toll geschrieben, großartig gespielt. Und was macht Shane? Der geht davon aus – klar – das Lori von ihm schwanger ist. Ein Pulverfass, ein toll gespieltes obendrein.

Die Gruppe findet Unterschlupf auf der Farm des Patriarchen Hershel. Hier arrangiert man sich, hilft einander. Doch der Friede währt nicht ewig. Innere Konflikte brodeln hoch, Beziehungen krieseln, andere werden erst noch geknüpft. Und auch unsere Protagonisten müssen immer wieder Stückchen ihrer Menschlichkeit aufgeben. Als man in einer Scheune auf dem Grundstück der Hershel-Farm eingepferchte Zombies entdeckt, kommt es zur Eskalation unter den Lebenden. Denn Hershel weigert sich, die hier eingesperrten zombiefizierten Familienmitglieder endgültig zu töten. Es folgt die nächste große Szene…

Die zweite “Walking Dead”-Staffel hat viele tolle Momente und Highlights, keine Frage. Dennoch zieht sich gerade die erste Hälfte der 13 Folgen merklich. Mancher Konflikt wird zu ausgiebig durchgenudelt und ein viel zu großer Teil wird mit der Suche nach dem verschollenen Mädchen Sophia verbracht. Gut sieben Episoden lang ist sie Thema Nummer Eins. Die Auflösung ist zwar toll, doch weniger Vorlauf hätte nicht geschadet. Dieses Manko wird jedoch durch “schöne” Momente wettgemacht, wie zum Beispiel dem Zombie, der sich – zumindest in der uncut Fassung – durch eine Autoscheibe beißt und dabei einiges an Haut und Fleisch einbüßt. Eine ähnlich intensive Szene erwartet den Zuschauer in der ersten Folge von Staffel 3, als Rick einem Polizeizombie eine Gasmaske abreißt.

“The Walking Dead” Staffel 2 ist für Fans der Serie und Zombiefans im Allgemeinen eine Pflichtveranstaltung. Da in der DVD Box zudem haufenweise Making ofs enthalten sind und die Folgen in der ungeschnittenen US-Version vorliegen, führt an einer Anschaffung kein Weg vorbei.

Renatus Töpke