Die Zukunft des Röstens !?

Von Andre

Sie kennen bestimmt diese Werbung eines Versicherers, die sich etwas über die vielzähligen Optionen bei der Kaffeebestellung lustig macht: „Möchten Sie klein oder gross? Aus Brasilien oder Äthiopien? Dunkel oder hell geröstet? Mit oder ohne Zucker?“ und so weiter. In einem progressiven Spezialitäten-Café würden vielleicht sogar noch weitere Fragen zur Auswahl stehen, wie zum Beispiel welche Aufbereitungsform einem besser schmeckt oder mit welcher Brühmethode extrahiert werden soll. Mit ganz ähnlichen Fragen ist sich der qualitätsbewusste Konsument ja auch beim Bohnenkauf für den Heimgebrauch konfrontiert, wenn man den präferierten Onlineshop durchstöbert oder beim Händler des Vertrauens vor dem Regal steht. Die Kaffee Avantgardisten hatten nach Transparenz geschrien und nun haben sie den Salat: Vom Namen des Farmers über die Anbauhöhe der Bohnen stehen heute allerlei mehr oder weniger hilfreiche Informationen auf dem Etikett. Wenn Ihnen das bereits zu viel des Guten war, dann machen Sie sich auf etwas gefasst: Denn das Ende dieser Entwicklung ist vermutlich noch nicht erreicht.

Zumindest dann nicht, wenn man das neuste Angebot der Zürcher Kleinrösterei Black & Blaze anschaut und das Potential dessen im Kopf noch etwas weiterspinnt. Das ganze nennt sich „CustomRoast“, also massgeschneiderte Röstung, und erlaubt es, 500g eines aktuellen Kaffees für einen kleinen Aufpreis individuell geröstet zu bestellen. Dass man denselben Kaffee sowohl als Espressoröstung wie auch als Filterröstung kaufen kann, ist zwar bei einigen Röstereien bereits Status quo, und für Grosskunden wie Gastronomen sind individuelle Röstungen sicherlich auch nichts neues, aber was hier offeriert wird, geht noch einen Schritt weiter. Zum bestellten Kaffee erhält man nämlich auch noch ein Blatt mit dem Röstprofil, d.h. mit allen Parametern und Kennzahlen die eine moderne Röstmaschine so ausspuckt, inklusive graphisch visualisierter Röstkurve. Zugegeben, für die meisten Leute – und da zähle ich mich mit meinem sich auf Buchwissen beschränktem Sachverstand mit ein – mag diese Information zunächst einmal unverständlich und entsprechend irrelevant erscheinen. Aber andererseits kann man ja auch nur verstehen bzw. zu verstehen lernen, was man auch tatsächlich zu Gesicht bekommt. Wenn ich nur gelesen hätte, was der Unterschied zwischen einem trocken und nass aufbereitetem Kaffee ist, jedoch nie die Gelegenheit gehabt hätte diesen Unterschied zu schmecken, wäre diese Information für mich auch heute noch kaum mehr als „nice to know“, jedoch eher unnütz. Weshalb soll der interessierte Kunde also nicht auch die Unterschiede von verschiedenen Röstprofilen kennenlernen, bzw. ihm die Chance dazu gegeben werden? Natürlich führt dieses Gedankenexperiment zu diversen Fragen für die Zukunft, wie zum Beispiel, ob oder wie viel Entscheidung beim Rösten wirklich vom Experten zum Kunden ausgelagert werden kann und soll? Was ist die Aufgabe des Rösters – einen Kundenwunsch bedingungslos zu befriedigen oder dem Kunden seine Vorstellung von guter Qualität zu vermitteln? Kann man die Röstkurve auf einige Eckpunkte abstrahieren, um sie dem Laien zugänglicher zu machen und dessen Wünsche einfacher aufnehmen zu können? Bleibt das ganze bloss eine Spielerei für eine Handvoll „Geeks“, oder kann dies sogar langfristig zu einem neuen Verhältnis zwischen Röster und Kunde führen, bei dem der Röster die individuellen Vorlieben der Stammkundschaft noch besser kennen lernen kann und entsprechend auch darauf eingehen? Steht in ein paar Jahren auf jeder Kaffeepackung neben dem Namen des Farmers auch unser eigene? Findet man bald anstelle der aktuellen Bezeichnungen wie „dunkel“, „mittel“, oder „hell“ geröstet (was angesichts einer fehlenden Norm je nach Röster für dasselbe stehen kann) vielleicht bald eine Röstkuve auf jedem Pack Kaffee? Vermutlich ist das momentan noch alles etwas illusorisch, aber der erste Schritt eines vielleicht langen und interessanten Prozesses wurde getan und lässt die Herzen von Zürichs Kaffeefans etwas höher schlagen. Oder möchten Sie nicht auch Ihr ganz persönliches Pack Kaffee? Eben.