Nun also doch, nach langer Verleugnung ist es geschehen : Der Wutbürger ist im politischen Establishment angekommen !
Lange wurde er als Nichtwähler demokratisch diffamiert, oder als extremistische Randerscheinung in die Bedeutungslosigkeit verbannt.
Nun rächt sich diese Logik die den gefährlichsten Typus von Wählern außer acht ließ: Den Abwähler! Dem Gefährlichsten weil er in seinem Anspruch keine demokratische Wahl trifft sondern einzig mit der Motivation der Rache die Wahlkabine betritt. Der Frust-Wähler der sich sozial verachtet und ausgegrenzt sieht, sieht sich nicht mehr in einem demokratischen Umfeld eingebettet, sondern von einem elitären Herrschaftssystem unterdrückt.
Es ist ein gewisses Paradox um, das er nun seine vermeintlich letzte Möglichkeit der demokratischen Einflussnahme nützt, um jenen an die Macht zu helfen die eine Null-Toleranz-Politik versprechen.
Woher kommt dieser Hass ?
Die alte Weisheit das die Politik (eigentlich ein Großteil der Gesellschaft) auf dem rechten Auge blind ist, hat nicht nur im Umfeld der NSU Morde wieder mal ihre Bestätigung gefunden. Nein, das ist nur die Spitze des Eisbergs!
Die bittere Wahrheit ist, das in dieser Zeit des Umbruchs in der Verteilungsspielräume kleiner werden, wir zunehmend einen Zerfall der demokratischen Sittlichkeit erleben. Unabhängig vom sozialen Status oder vom sprachlichen Ausdruck beobachte ich immer öfter eine Logik die nach dem Motto agiert: Erst ich, und dann …..!
In dieser Logik in der der Andere im besten Fall Konkurrent, im Schlimmsten ein Feind ist wird das soziale Kollektiv der demokratischen Gesellschaft immer mehr vom Gesetz der Verdrängung abgelöst. Soziale Hygiene mutiert zum Sozialneid. Opfer werden zu Tätern und Systemgewinner zu Kriminellen. Der Hartz IV Empfänger, der ausländische Vergewaltiger, der kriminelle Bänker oder der geldgierige Politiker um nur ein paar Stereotypen aufzuzeigen ,die sich als gesellschaftsfähiges Feindbild in der wütenden Gesellschaft manifestiert haben. Es fällt auf das in dieser Gemeinschaft der Abwähler nicht mehr nach demokratischen Alternativen gesucht, sondern der maximale Protest zum Ausdruck gebracht wird. Es spielt dabei im übrigen keine Rolle wenn die neue Protestpartei selbst kein schlüssiges Programm hat, Hauptsache sie bestätigt glaubwürdig gängige Vorurteile!
In diesem Zusammenhang muß aber erwähnt werden das auch an der demokratischen Front seit Jahren Volksverdummung gepflegt wurde. Da wird im demokratischen Sektor mit Gesichtern Wahlkampf gemacht statt mit Ideen oder „unsere“ Kanzlerin angepriesen obgleich eine Regierung gesucht wird. Da werden maximale Versprechen gemacht deren Einlösung zum Teil nie geplant ist und vieles mehr!
An die Macht gelangt werden dann politische Entscheidungen als „Alternativlos“ verkauft und der Dialog mit den Bürgern weitgehend eingestellt.
Nun müssen wichtige Klientels bedient – und Genossen auf Linie gebracht werden. Hierbei wurde in den letzten Jahrzehnten die demokratische Streitkultur zunehmend der Systempflege geopfert. Einem System das im Traditionellen erstarrt ist und die Fähigkeit verloren hat sich aus eigenem Antrieb zu erneuern. Ein System das aber mit fast sakraler Ehrfurcht gepflegt wird!
Bundestagspräsident N. Lammert wird nicht müde immer wieder zu betonen das es sich hierbei um das beste System handelt das es gibt. Was mich stört an dieser Aussage ist das Absolute!
Wieder mal Alternativlos?!
Hier offenbart sich die Schwäche einer Neon-liberalen Gesellschaft denn hier wo nun die breite Masse der Gesellschaft Zweifel an der Alternativlosigkeit des gegenwärtigen Systems anmeldet, wird es immer offensichtlicher das man sich in einem starren System verfangen hat. Gezwungenermaßen findet man sich jetzt in einer Situation in der man versuchen muß, das System vor dem wütenden Bürger zu schützen, denn wie N. Lammert schon sagte:
„Wir haben kein besseres!“