Die Zeit ist reif ..

Von Stevenblack

Hallo, grüß euch, liebe Freunde und Leser/Innen, momentan fühle ich mich etwas ausgelaugt und brauch mal eine kurze schöpferische Verschnaufpause. Ich bin sicher, ihr versteht das.

Und obwohl ich um Worte nun wirklich nicht verlegen bin, für einen Autoren wäre dies auch fatal, kann ich euch eigentlich gar nicht richtig beschreiben, was für Gefühle mich währen des Lesens dieser “Missbrauch Schilderung” ergriffen hatten. Wir bekommen sehr selten die Gelegenheit, wo die Opfer sich uns in solch offener und mutiger Weise mitteilen und daher würde ich diesen Artikel gerne jedem Leser ans Herz legen. Man MUSS sich vergegenwärtigen, daß es solche Mistkerle gibt, wie dieser VATER und leider, wahrscheinlich MEHR solche Typen existieren, als wir denken würden – und denken möchten. 

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Die Zeit ist reif – zur Pädophilie Debatte

AUTOR: Anja RÖHL

Einen der wichtigsten Männer, der offen die Pädophilie propagiert hat, habe ich in der eigenen Familie gehabt, er heißt Klaus Rainer Röhl und war mein Vater. Er lebt noch, aber der Satz: „Er ist mein Vater“ will mir nicht über die Lippen.

Schon als ich noch sehr klein war, lange bevor ich in die Pubertät kam, hat er mir immer gesagt, welch eine sinnliche und erotische Haut doch Kinder hätten, „ganz im Gegensatz zu Frauen jenseits des 13. Lebensjahres“. Nur Kinder bis zum 13. Lebensjahr seien für ihn überhaupt erotisch anziehend. Dazu hat er gelacht und seine Späße mit mir getrieben, er „batschte“ mich auf die Wangen und „batschte“ (so nannte er diese Schläge) scheinbar ebenso ziellos auf meine Oberschenkel, beides meist bis zur Schmerzgrenze, bis ich nämlich sagte: Hör auf, Papi, es tut weh. Daraufhin seine Antwort, ich solle mich nicht so anstellen. „Ein deutsches Mädchen“ weine nicht.

Er verriet mir ebenso früh auch, dass er mich schon auf dem Wickeltisch erotisch gefunden habe und setzte mir auch des Öfteren seine Theorie auseinander, dass junge Mädchen besser durch ältere, erfahrenere Männer defloriert werden sollten, da die jüngeren sich meist zu ungeschickt anstellen würden. Nun mag es merkwürdig anmuten, dass Begriffe wie erotisch, deflorieren, sinnlich usw. überhaupt offen an Kinder gewandt diskutiert werden, aber das gehörte wohl zum Spiel, in das wir Kinder verfangen wurden, damit wir es nie anders als normal empfinden sollten, was da geschah.


Klaus Rainer Röhl mit seiner Frau Ulrike Meinhof 1966, als Anja 11 Jahre alt war. Foto EVA

Ab meinem 11. Lebensjahr zeigte er mir regelmäßig Massen von erotischen Fotos, die er für die Zeitung Konkret auswählen wollte, erklärte mir dazu, dass es vor allem darauf ankäme, dass die Mädchen jung aussähen, unschuldig und verschämt. Das käme am besten bei den Lesern an.

Schon von früher Kindheit an nahm er mich oft allein mit in seine Kurzurlaube nach Sylt. Am Strand nahm er mich dann an die Hand und ging mit mir „Frauen ausgucken“, auch da war ihm immer wichtigstes Kriterium die Jugendlichkeit, ich dürfte „mitbestimmen“, welche am „sinnlichsten“ sei, obgleich, wie gesagt, sie natürlich gegen Mädchen vor dem 13. Lebensjahr nie ankämen, die eben einfach die sinnlichste Haut hätten, da sie noch nicht geküsst, noch nicht geweckt worden seien und daher einfach die stärkste Verführungskraft besäßen, was sie auch wüssten, natürlich.

Als ich 14 Jahre alt war nahm er in meinem unmittelbaren Beisein eine Beziehung zu einer 16-jährigen Jugendlichen auf, obgleich er damals eine feste Freundin in Köln und zwei lockerere in Hamburg besaß.

Mein Vater sprach oft von Frauen als „Nutten“ oder „Huren“, das waren seine Lieblingswörter, er sagte es besonders zu ehemaligen, also abgelegten Freundinnen und er sagte es auch zu einer Freundin, wenn er sich nur gerade mal ein bisschen über sie geärgert hatte. Aber er sagte es immer im Streit. Ich höre diese Worte in Verbindung mit dem Wort Schlampe, in Streits gegen meine Mutter gerichtet, seit ich denken kann. Ulrike war die einzige Frau, der gegenüber er es sich nur sehr selten getraute, dieses Wort als Waffe zu benutzen.

Meine beiden Tanten waren schon in den 50-iger Jahren Zeuginnen solcher Szenen und sind als junge Mädchen von meinem Vater ganz selbstverständlich auch mit sexuellen Anspielungen traktiert worden.

Die sexuellen Anspielungen vollzogen sich dabei durchaus im Beisein anderer Leute, als Witz verbrämt. Das Besondere aber lag dabei stets in der Mischung zwischen einerseits begehrenden, schwärmerischen Sätzen, andererseits abwertenden und demütigenden Sätzen. Ich selbst habe, sowohl über abgelegte Freundinnen, als auch über meine Tanten, als diese längst erwachsen waren, ausnahmslos abwertende Sätze aus dem Munde meines Vaters zu hören bekommen. Diese Abwertungen waren stets sexistisch, gemein und taten weh.

Ähnliches hat sich später bei meinen Geschwistern und mir wiederholt, während er mich als Kind sehr stark umschmeichelte, hat er mich „jenseits des 14. Lebensjahres“ meinen Geschwistern, aber auch anderen Leuten gegenüber, in starkem Maße abgewertet. Dies vor allem in sexistischer Weise, also äußerlich, ich hätte fettige Haare, zu dicke Beine, zu schmale Lippen, eben unattraktiv.
Mit fünf Jahren war ich mit meinem Vater für vierzehn Tage im Winterurlaub in Rottach-Egern. Wir teilten in Urlauben ein Doppelbett im Hotelzimmer.

Nachdem es um einen Palatschinken und anschließende Bauchschmerzen zu einem heftigen und lauten Streit in eben diesem Zimmer gekommen war, wobei er mir vorwarf, ich hätte mein Erbrechen selbst provoziert, durch zu viel Palatschinken essen, ich daraufhin in Tränen ausbrach, umarmte er mich, begann zu schluchzen, bezeichnete sich als Arschloch und bat mich vehement um Verzeihung. Im weiteren Verlauf dieser „Verzeihungssituation“ nannte er mich „seine einzige Frau“, „seine Liebste und das Allerletzte, was ihm noch geblieben sei“, so dass er mir unbändig leid tat. Er bat mich dann unter dem Vorwand des Nachmittagsschlafes und des Vertragens in unser großes Bett und drängte sich, erst als ich beinahe schlief, von hinten an mich heran, ich fühlte etwas Hartes, er umklammerte mich, stöhnte…als ich erwachsen war, wusste ich, er hatte an meinem Körper onaniert, was er als Verzweiflung, mit Schluchzen zu kaschieren versuchte.

Mein Vater ging, wie er häufig vor Zeugen kund tat, davon aus, dass Mädchen gerne ihre Väter verführen würden und sich also des Begehrens, das sie auslösten, sehr wohl bewusst seien. Er nannte Mädchen zwischen fünf und zwölf „kleine Lolitas“ und bezeichnete sie als „kokett“ und „gerissen“. Er sagte solche Dinge in meinem Beisein schon zu Zweijährigen und bezeichnete in meiner Gegenwart meine kleine Halbschwester Bettina des Öfteren als das „sinnlichste Baby, das er je kennen gelernt habe“.
Mein Vater war ein quicklebendiger Quatschmacher und konnte Kinder schnell zu Spielen begeistern, so eroberte er sich im Handumdrehen ihr Vertrauen, ihre Liebe und ihre Zuneigung. Hatte er die aber, schien sie ihm schnell lästig zu werden, denn er provozierte Streits mit ihnen, wie mit Erwachsenen, denen dann die immer gleichen sentimentalen Verzeihungsrituale folgten. Diese spielten sich ausnahmslos in den Kinderzimmern beim Gutnachtsagen ab, also, wenn es keine anderen erwachsenen Zeugen gab. Bei diesen Verzeihungsritualen nahm er das Kind auf den Schoß, krümmte sich über ihm zusammen, weinte und schluchzte und drückte es unmerklich gegen sein Geschlechtsteil.

Ich kann es nicht zählen, wie häufig er mir gegenüber, von frühester Kindheit an bis zum vierzehnten Lebensjahr (er hielt sich an seine Einstellungen und ließ mich nach meinem vierzehnten Lebensjahr in Ruhe) nach solchen Streits davon sprach, was für ein Arschloch und wie abgrundtief schlecht er sei, nicht ohne mich dabei heftig zu umarmen, schluchzend zu umklammern, zu streicheln und davon zu sprechen, dass ich „die einzige Frau (!) sei, die er lieben würde“.

Ich war zwölf Jahre alt, er saß mit einer, wie er mir vorher erklärt hatte, „abgelegten Liebsten“ in seinem Wohnzimmer, Liebeslieder tönten aus dem Plattenspieler, Kerzenschein, auf der Couch wollte er ihr gerade näher kommen, ich sah schon seine Hände auf ihrer Brust, da stieß ich, aus Angst zu stören, gegen eine Lampe und bekam einen elektrischen Schlag. Mein anschließendes Schreien veranlasste ihn zu einem Wutanfall, in dessen Verlauf er sehr laut und beleidigend wurde. Ich lief weinend nach oben, in eine der Dachkammern, in denen ich damals manchmal schlief, und es dauerte nicht lange, so kam er hinterher.

Mich ergriff die Angst schon, als ich nur seine Schritte auf der Treppe hörte. Er trat ein und sagte, H. hätte ihn geschickt, er sei ungerecht gewesen und solle sich doch mit mir wieder vertragen. Das wolle er jetzt tun. Mit diesen Worten kam er im dunklen Zimmer näher, setzte sich an meinen Bettrand, begann zu stammeln, dass es ihm leid tue. Es war merkwürdig, wenn ihm etwas leid tat, dann muss das unmittelbar seine Sexualität angefacht haben, denn er beteuerte es nun immer heftiger, immer vehementer und steigerte sich so sehr hinein, dass er bald wieder davon sprach, dass er ein Arschloch sei, ich ihm verzeihen solle, ihm bitte, bitte, doch verzeihen sollte!

Die Heftigkeit machte ihn scheinbar unruhig und er fuchtelte mit den Händen herum und wusste nicht wohin mit ihnen. In der ganzen Zeit starb ich vor Angst und lag da wie erstarrt. Plötzlich war er mit seinen Händen unter meiner Bettdecke und begann meinen noch kindlichen Körper in Besitz zu nehmen. Diesmal ohne zu sprechen, er tat es schweigend, er begann, meine noch kaum sich aus dem Körper erhebenden Brüste zu streicheln, er streichelte meinen Bauch, meine Hüften…

Er wurde dadurch ruhiger. Ich lag da wie tot. Er sprach weiter von seiner Schlechtigkeit und der Verzeihung, die ich doch gewähren solle und tat, als passiere nichts Besonderes. Es dauerte lange, bis er endlich von mir abließ. Was tat er da, was machte er, warum berührte er mich an meinen intimsten Stellen, was wollte er erreichen? Während der ganzen Zeit hatte mich eine gigantische Angst im Griff und ich war unfähig mich zu bewegen. Aus Scham dachte ich nur daran, dass das, was ich da gerade erlebe, nie jemand erfahren dürfe. Das darf nie jemand erfahren, sagte ich mir immer wieder im Geiste vor. Es tat nicht weh, was er tat, aber ich wollte das nicht. Er aber tat, als sei ich ganz und gar einverstanden. Er schien es sogar mir zuliebe zu tun, denn die ganze Zeit redete er mir gut zu, sprach freundlich von Verzeihung und Vertragen, spielte oben den liebenden Vater, während unter der Decke seine Hände meinen Körper berührten, als gehöre er ihm.

Als er sich endlich erhob und aus dem Zimmer ging, fürchtete ich noch nach Stunden, dass er zurückkäme. Etwas Seltsames war passiert, mein Körper war mir fremd geworden. Nichts tat mir weh, er hatte mich in seinem Besitz genommen. Mein Körper hatte nicht auf mich gehört, sondern auf ihn. Ich wollte das nicht, aber mein Körper hatte still gehalten. Warum war es mir nicht möglich gewesen, zu sagen: Nein!

Den Rest der Nacht lag ich wach, verfolgt von dem Gedanken, wie ich ihm am nächsten Morgen würde gegenübertreten können, etwa beim Frühstück. Am liebsten wäre ich für immer in die Matratze versunken.

Ich habe später von diesem Erlebnis in verschlüsselter Form und sehr vorsichtig Ulrike erzählt, zu der ich großes Vertrauen hatte und die mir seit meinem fünften Lebensjahr sehr nahe stand. Ich schrieb es ihr in einem Brief, etwa ein Jahr später aus dem Internat, 1969, ich wollte damit begründen, warum ich nie zu meinem Vater ziehen könne und ich reagierte damit auf das Angebot von ihr, dass ich zu ihnen nach Berlin ziehen könnte, wenn ich wollte. Dieser Brief wurde mir Jahrzehnte später von RA Heinrich Hannover zugeschickt. Sie hat damit beweisen wollen, sagte er, dass es gefährlich sei ihre Kinder dem Vater zu überlassen, da er pädophile Neigungen habe. Oft habe ich sie sagen hören, wenn er uns ständig, wie zufällig an den Oberschenkeln, unter die Röcke greifend, anfasste, er solle uns nicht so „auferotisieren“.

Unter dem Vorwand, mir vorzumachen, wie es sich anfühle, auf den Mund geküsst zu werden, hat er sich mir, als ich 14 Jahre alt war, noch ein letztes Mal in einer Mondnacht an einer Mole, genähert. Er erklärte mir, wie wichtig es sei, den Mund dabei erst allmählich zu öffnen, dann sei es spannender. Als er es auf meinem Mund vormachte, mir dabei die Zunge vorsichtig in den Mund schob, hatte ich das Gefühl, ein kaltes Stück Eisen schraube sich mir in den Mund und es schüttelte mich vor Ekel und Scham.
Wenn ich in späteren Zeiten meinen Vater zufällig mit einem Kleinkind auf dem Schoß antraf, er nahm öfter die Kinder seiner Freundinnen auf den Schoß, spielte mit ihnen Hoppereiter, dann würgte es mich jedes Mal im Hals.

Man könnte dies als einen „sanften Missbrauch“ bezeichnen. Ich überlasse es gern anderen, für das, was mir passiert ist, den passenden Begriff zu finden. In einem bekannten Missbrauchs-Buch wird der Fall einer erwachsenen Frau dokumentiert, deren Vater ein sehr liebenswerter Mensch war und deren gemeinsames Verhältnis von einer ungeheuren Vertraulichkeit geprägt war. Sie war das absolute Lieblingskind, fühlte sich von ihm geliebt wie von keinem anderen auf der Welt und als er sie mit 12 Jahren deflorierte, ging das durchaus zärtlich für beide Seiten zu.

Auf den ersten Freund mit 17 reagierte der Vater dann zwar eifersüchtig, integrierte ihn schließlich aber als Ehemann in die Familienidylle, lediglich verlangte er ständige Besuche und Treuebeweise. Als der Ehemann dann aufgrund unterbewusster Spuren des Erlebnisses in den Träumen seiner Ehefrau das Ganze herausbekam und den Vater anzuzeigen drohte, ging die brave Tochter in den Keller, holte ein Beil und erschlug damit nicht etwa den Vater, sondern den Ehemann. Erst zehn Jahre später, in einer sogenannten täterbegleitenden Therapie kam die Sache heraus und wurde damit auch der Tochter erschreckend bewusst, die es ihrem Vater bei einem Besuch dann auf den Kopf zusagte. Zitternd stand da dann ein alter Mann vor ihr, der kein Wort der Entschuldigung für sie fand, aber ängstlich darum bat, diese „Sache“ auf keinen Fall „der Mutter“ zu erzählen.

Wir denken bei Missbrauch meist an Drohungen, Strafen und Gewalt, in Wirklichkeit ist es komplizierter. Das Opfer wird häufig vorher durch Zärtlichkeit und Liebe abhängig und gefügig gemacht. Je sanfter es sich abspielt und in je stärkerem Maße in scheinbarem Einklang mit dem Opfer, je stärker scheint das Opfer einer lebenslangen Prägung zum Stillschweigen, zur Verleugnung, zur Identifikation, wenn nicht gar zur Idealisierung des Täters als des ewig zu suchenden Geliebten zu unterliegen.
Es wird dieser Tage die „Pädophilie der Linken“ (TAZ v. 22.4.10) diskutiert, in Zusammenhang mit der Odenwaldschule und den Indianerkommunen ist es wichtig geworden, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Dort wird diese Pädophilie mit der Idee der „sexuellen Befreiung“ in ursächlichen Zusammenhang gebracht. Ich glaube, dass dies nur die Begleitumstände waren und andere Ursachen eine wesentlich größere Rolle spielten und spielen.

Mein Vater ist mit vierzehn Jahren in den Krieg gepresst worden, er hat als Kind eine Erziehung zu Kruppstahlhärte durch permanentes Demütigen und Verprügeln erlebt. Kann es sein, dass sein Frauenbild, die häufige Benutzung seines Lieblingsschimpfwortes „Nutte“ zu Frauen und Mädchen, seine Neigung hilf- und schutzlosen Kindern, in Verbindung zu masochistischen Verzeihungsritualien, nach Wut- und Gewaltexzessen in dessen Verlauf er sexuelle Erregung erlebt, mit diesen Tatsachen zumindest etwas zu tun hat? Ich will es nicht entschuldigen, ich habe mit meinem Vater schon lange gebrochen, ich verzeihe ihm nichts, aber erklären müssen wir uns das Phänomen unbedingt, wir müssen daraus lernen.

Auch in den Zeiten angeblicher Toleranz gegen die Pädophilie, als eine „sanfte“, zärtliche Variante der Missbrauchshandlung, die von einem „Einverständnis“ des Kindes mit den sexuellen Handlungen des Erwachsenen ausgeht und unter Liebesbeteuerungen vonstatten geht, gab es, wie die TAZ berichtet, Frauengruppen, die heftig protestierten und diese Variante erst recht gefährlich fanden. Waren sie etwa prüde oder gegen sexuelle Befreiung? Nein, das waren sie nicht, aber sie wussten es aus eigener leidvoller Erfahrung, das es sich hier um etwas anderes als Befreiung handelte. Die Herstellung eines Einklangs mit dem Täter – sei es offen, wie im Fall der „Indianerkommune“, sei es heimlich, wie im Falle der obigen Familie – kann zu besonders schweren Schäden im Seelenleben der Kinder führen. Denn ihr Problem dabei ist dann, dass sie nicht nur die krankhafte Neigung des geliebten Täters verteidigen, decken und entschuldigen müssen, sondern unbewusst, wie oben ausgeführt, alle Ängste und jeglichen Zorn auf andere ableiten, umleiten, übertragen oder auf sich selbst zurückwirken lassen müssen.

Mein vermeintlicher Einklang mit meinem Vater, meine vermeintliche Freiwilligkeit waren immer nur von namenloser Angst diktiert. Ich wurde bei all diesen Vorkommnissen von einer großen Angst ergriffen. Sie ließ mich erstarren, schaltete mein Gehirn aus und ließ die Zeit still stehen. Diese Angst ist keine Angst vor einem Schmerz, vor Gewalttätigkeiten. Diese Angst wird mobilisiert bei der Vorstellung von sexualisierter Zärtlichkeit. Zärtlichkeiten, die mir von meinem Vater entgegengebracht worden sind, wie in verbotenen Liebe. Ich war noch ein Kind, ein Kind, weder kokett noch gerissen, weder verführerisch noch nuttig, weder sinnlich noch erotisch. Dass aber mein Vater glaubte, dass ich so sei, wie er es mir zuschrieb, aus seiner Krankhaftigkeit heraus, die er hätte behandeln lassen müssen, das macht den Kern meiner Angst aus. Eine Beschuldigung steckt dahinter, eine Beschuldigung, der ich mich im Moment der scheinbar friedfertigen Tat unfähig sah zu entgehen. Diese Angst hat mein Vater mir in die Wiege gelegt und sie wird mich bis zum Ende meiner Tage begleiten.


Klaus Rainer Röhl heute. Foto Picture-Alliance


Quelle des Artikels: http://www.tlaxcala.es/pp.asp?lg=de&reference=10862