(Deutsch-Türkische-Nachrichten / 07.07.11) Yasmina Abd el Kader, Herausgeberin des Blogs Cube Mag, erklärt, warum die Migranten der zweiten Generation sehr selbstbewußt sind und sich gleichzeitig als Deutsche und Muslime artikulieren wollen.
Wo liegen Ihre Wurzeln, was waren/ sind Ihre inneren Beweggründe, das Blog Cube-Mag zu betreiben? Yasmina Abd el Kader: Die Idee zu Cube Mag (hier) entstand im Jahr 2009 auf dem alljährlichen Meeting der “Muslimischen Jugend Deutschland”. In jenem Jahr wurden neben lehrreichen Vorträgen über das Bild der Muslime in den deutschen Medien auch Preise an junge Muslime vergeben, die es mit ihren Onlineblogs geschafft hatten den Lesern zu zeigen, wie es in der muslimischen Community wirklich aussieht. Ein Fenster in die vermeidlich “fremde” Welt der Muslime sollte geschaffen werden. Mit diesem Wunsch fand sich die Gruppe durch die Onlineplattform myumma.de zusammen und konnte bisher einige Erfolge erzielen. Alhamulillah.
Welche drei Themen haben Sie 2010 besonders auf die Palme gebracht und warum? Welches brennt Ihnen derzeit besonders unter den Nägeln?
Einmal war da die mangelnde Hilfeleistung des Westens bei der Flutkatastrophe in Pakistan. – Durch das Erdbeben in Haiti hatte man eigentlich gelernt, dass Not keine Unterschiede macht und international eigentlich so viel bewegt werden kann.- Aber offensichtlich nur, wenn man will. Die ewige Medienhetze hat doch tatsächlich dafür gesorgt, dass die Hilfe mit einem “Wir unterstützen keine Terroristen.” verweigert wird. Schockierend und traurig, dass Tausende von Menschen sterben müssen, weil ihnen aufgrund von Vorurteilen die Hilfe verweigert wird. Dass Pakistan noch heute leidet, wird totgeschwiegen. Beschämend.
Zweites war die endlose Debatte um “Stuttgart 21″. Sicher, man mag sich jetzt fragen: “Was betrifft dich als “Migrant” denn dieses Thema?” – Genau das ist es, was mich ziemlich auf die Palme bringt, denn es geht mich als deutsche Bürgerin sehr wohl etwas an. Leider wird das sehr oft vergessen. Wir dürfen uns nur bei den Schlagworten “Islamisierung”, “Unterwanderung” und “Zwang” zu Wort melden.
Letztes ist und bleibt aber leider die enttäuschende Reaktion Deutschlands auf die Promoaktion eines gelangweilten Bänkers. Dass sich Deutschland “abschafft” zeigt eigentlich der realitätsferne Umgang mit dem Thema “Integration”. Leere Diskussionsrunden, endlose Debatten und immer mehr Bäume, die zum Druck neuer, angeblich “provokanter” Leselektüre sterben müssen. – Solche Dinge zeigen uns immer wieder, wie sehr die muslimische Jugend in Deutschland sich endlich einmal auf ihre Weise zu Wort melden muss, bevor wir es uns vollends in der, für uns vorgefertigten, Schublade gemütlich machen müssen. Wir warten nicht mehr nur darauf, dass wir einmal etwas sagen dürfen. Wir sagen es einfach. Das ist unser gutes Recht als Teil des deutschen Volkes, oder?
Eigentlich brennt ein täglich aufs Neue etwas unter den Fingern. Die Frage ist nur, ob man den Mut hat es umzusetzen. Fest steht, dass wir vor haben uns hochzuarbeiten und uns den Mund nicht mehr verbieten lassen. Wir sind Muslime, wir sind deutsche Muslime und das lassen wir uns nicht nehmen. Wir hoffen den Lesern eines Tages im Kiosk, den Supermärkten und Buchhandlungen die Möglichkeit bieten können, das Leben einmal aus der Sicht eines Muslims zu sehen.
Schreiben außer Ihnen noch weitere Personen für das Blog? Wie viele sind es derzeit?
Cube Mag stützt sich auf Teamarbeit. In unserem Kern befinden sich zurzeit 12 Redakteure, darunter auch die Gründungsmitglieder. Desweiteren gehören zu unserem Team noch Fotografen, diverse Gastschreiber und Designer.
Warum wird die Religion der Muslime in Deutschland teilweise als ein Integrationshindernis gesehen?
Wenn Sie mich fragen, dann kann es nur dann als Hindernis gesehen werden, wenn man den Begriff “Integration” falsch interpretiert. Religion hindert einen nicht daran der deutschen Sprache mächtig zu sein, sich anständig zu bilden, oder später mit einem guten Job die Wirtschaft zu fördern. Die Religion hindert einen auch nicht daran die Gebräuche seiner Mitmenschen zu respektieren. Im Gegenteil, der Islam beispielsweise, schreibt den Muslimen innerhalb der islamischen Richtlinien vor den Gesetzen ihres Landes Folge zu leisten, die Nachbarn zu achten und nach Wissen zu streben. Zum Hindernis wird Religion erst, wenn ein praktizierender Muslim aufgrund seiner Religion benachteiligt wird und seine gewünschte Integration durch schlechte Schulförderung, oder Vorurteile auf dem Arbeitsmarkt behindert wird.
Was können Menschen mit und ohne Migrationshintergrund konkret tun, um diese Sichtweise zu verändern?
Zunächst einmal sollte man aufhören die Dinge öffentlich zu zerreden und anfangen Taten sprechen zu lassen. Jene mit Migrationshintergrund sollten aufhören sich in der Opferrolle zu suhlen, die ihnen all die Jahre mithilfe von Vorurteilen aufgedrückt wurde. Sie sollten anfangen sich als selbstverständlichen Teil Deutschland anzusehen und sich entsprechend zu verhalten. Dabei wäre es aber auch förderlich Deutschland endlich als Heimat anzusehen.
Was diejenigen in Deutschland ohne Migrationshintergrund angeht, so müsste man den “Ausländern” nur mal die Chance bieten sich als Teil Deutschlands zu beweisen. Nicht nur das, man muss endlich aufhören sie nur noch zu tolerieren. Es wird Zeit sie zu akzeptieren. Die Zeit des Erduldens ist vorbei. Die Globalisierung hat ihren Einzug gefunden. Ein “Wir” und “Ihr” gibt es bald nicht mehr. Desweiteren muss endlich aufgehört werden nur noch “den Muslim” zu sehen. Man kann nicht einen Mensch stellvertretend für eine ganze Religionsgemeinschaft sehen. Das gilt vor allem für die “Medien-Kanaken”.
Der Bundespräsident sagt, der Islam gehöre zu Deutschland wie auch das Christentum zur Türkei. Genügt das?
Es ist auf jeden Fall ein Anfang einzusehen, dass jene Religionen zu Deutschland und der Türkei gehören. Es genügt jedoch nicht diese Dinge zu benennnen, es hat auch zu bedeuten, dass man Gleichberechtigung erwarten darf. Bis das nicht gegeben ist, bleibt es nur bei Worten.
Wer liest den Blog hauptsächlich?
Unsere Leser sind zurzeit vorwiegend junge Muslime im Alter von 18-25.
Was machen Sie beruflich?
Ich mache eine Ausbildung zur Hebamme mit anschließend fachbezogenem Studiengang.
Welche Websites finden Sie gut?
www.emel.com und www.aggromigrant.com
Wie alt sind Sie/Ihre Mitschreiber?
Wir befinden uns alle im Alter von 18 bis 29. Ich selbst bin 20 Jahre alt.
Welche Sprachen sprechen Sie?
Deutsch, Englisch, Arabisch und Integrationskauderwelsch.
Quelle: deutsch-tuerkische-nachrichten.de