Die zehn häufigsten Hindernisse für effiziente Geschäftsprozesse..

..und Ansätze zu deren Beseitigung

Verfasser: Mag. Erich Kaltenböck, Senior Consultant TEMA

In den Ausführungen über Balanced Strategy und SRPI (Strategiebasierte Rentabilitätsorientierte Performance Indikatoren) wird deutlich gemacht, dass sich die Anforderungen an die Geschäftsprozesse aus der Unternehmensstrategie ableiten. Grund dafür ist der bestehende Wirkungszusammenhang zwischen Anforderungen an das Produkt und den daraus resultierenden Ansprüchen an die Geschäftsprozesse. Darüber hinaus zeigt die ROCE (Return On Capital Employed) - Matrix, dass es einen funktionalen Zusammenhang zwischen Prozesszielen und Rentabilitätsänderungen (Ziele betreffend Veränderungen von Kapital und/oder Ergebnis) gibt. Auf den Punkt gebracht bedeutet dies, dass man die Analyse von Geschäftsprozessfallen im Kontext definierter Zielsetzungen sehen muss. Da es in diesem Artikel aber vorrangig um die Abstraktion von „Kardinalfehlern“ geht, und nicht um spezielle Geschäftsprozesse wie etwa Beschaffung, Verkaufsabwicklung, Instandhaltung etc., ist dies hier ausnahmsweise nicht von Belang. Die Projektion des Gesagten in das eigene Arbeitsumfeld verbleibt als Herausforderung beim Leser. Das in der Einleitung Gesagte wird als Punkt 1 angeführt.
1.) Geschäftsprozessziele sind nicht formuliert oder in ihrem Wirkungszusammenhang unklar:
Geschäftsprozesse können auf 2 Ebenen gestaltet werden: Einerseits durch Umgestaltung des Prozesses selbst, indem man einzelne Prozessschritte weglässt, verändert, neu ordnet oder automatisiert, andererseits durch Reduktion der Kostentreibermengen, etwa durch Erhöhung der Anzahl von Abrufbestellungen in der Beschaffung bei Forcierung von Rahmenverträgen, oder durch Reduktion der „Eilaufträge“ (die i.d.R. einen hohen Manipulations- und oft sogar Improvisationsaufwand) bedeuten) in der Verkaufsabwicklung etc. Wollen wir die Durchlaufzeit der Auftragsabwicklung erhöhen um die Liefertermine  zu verkürzen? Wie sieht das Gesamtmaßnahmenpaket aus? Was bedeutet dies für Produktion, Logistik, oder das Qualitätsmanagement?
Durch strategiekonforme (Prozess-) Zieldefinition und Analyse des funktionalen und wertmäßigen Zusammenhangs lassen sich logisch durchgängige Ziele formulieren und „punktgenaue“ Maßnahmen ableiten. TEMA hat dafür das Toolset „Balanced Strategy – SRPI und ROCE Matrix“ entwickelt (siehe diesbezügliche Postings) und unterstützt mit einem Referenzgeschäftsprozessmodell die effiziente Vorgehensweise.
2.) Geschäftsprozesse werden fragmentiert aus Abteilungssicht gesehen und nicht übergreifend gemanagt:
Wir finden in unseren Projekten immer wieder die Situation vor, dass Geschäftsprozesse sehr fragmentiert abgewickelt werden und die Kommunikation von möglichen Verzögerungen nicht durchgängig und rechtzeitig an alle im Prozess beteiligten Instanzen stattfindet. Als Resultat werden Probleme sehr spät erkannt und verspätet eskaliert oder an den Kunden berichtet und man „verliert“ sich in permanenter Improvisation.
Wie die u.a. Abbildung 1 veranschaulicht:  Den „ALARM“ zu erkennen, heißt an den gesamten Prozess zu denken. Aus der Abteilungssicht allein (außer man ist der letzte im Prozess) wird dies nicht gelingen.
Abbildung 1:
Die zehn häufigsten Hindernisse für effiziente Geschäftsprozesse..
Die zwei wichtigsten – einander ergänzenden – Ansätze zur Bewältigung dieser Herausforderung liegen einerseits in der Umgestaltung der Organisation, andererseits in der Einführung von Geschäftsprozessmanagement – Tools.
Mit Umgestaltung der Organisation meint der Verfasser vor allem die Einführung eines übergreifenden Demand & Supply Chain Managements mit integrierter Produktionsplanung und einem Service Center, das die Koordinationsrolle für den gesamten Auftrag übernimmt und somit nicht nur als „Kundenauftragsabwicklung“ agiert. Die Einführung einer „Prozessorganisation“ (Geschäftsprozess – Owner etc.) hat im Vergleich dazu eher Relevanz in Bezug auf die Gestaltung der Geschäftsprozesse.
Die Möglichkeiten einen Geschäftsprozess oder gar mehrere Geschäftsprozesse übergreifend zu managen, sind in den ERP Systemen deutlich limitiert. Durch Nutzung von Web Services u.a. ist die IT Technologie mittlerweile so weit, Prozessschritte aus mehreren System über Geschäftsprozessportale abzuwickeln, zu steuern und übergreifend zu monitoren. Die Einführung von Geschäftsprozessmanagement Tools – wie zB. der Business Process Management Suite der Software AG – gewinnt auch in Hinblick auf Automatisierung an Bedeutung.
3.) Durchlaufzeiten (und damit Lieferzeiten) werden falsch interpretiert und an den Kunden kommuniziert:
Wenn man sich vergegenwärtigt, welche Interpretationsvarianten allein schon der Begriff „Lieferdatum“ zulässt, wird man Pkt 3.) leicht verstehen: Ist es das Datum an dem die Ware fertig produziert oder ausgelagert wurde, nach Manipulation (Überverpackung etc.) zur Abholung „auf der Rampe“ bereitsteht, vom Spediteur abgeholt wurde oder beim Kunden eingetroffen ist? Unterschiedliche Interpretationen wie auch Meinungen über die Auftragsdurchlaufzeit bei Erstellen der Auftragsbestätigung führen zu Missverständnissen und Ärger mit den Kunden:
Unserer Erfahrung nach ist es weniger schlimm, eine um einen Tag (oder ggf. mehrere Tage) längere Lieferzeit zu haben, als den zugesagten Termin nicht zu halten!! Die Empfehlung muss daher lauten:
  • Klarstellung der relevanten Terminologie
  • Identifikation der (vom Produkt und diversen Parametern der Verfügbarkeitsprüfung abhängigen) Lieferzeiten
  • Reduktion der „Eilaufträge“ (und damit Einhalten der Standard – Durchlaufzeiten in der Kommunikation mit dem Kunden)

4.) Häufige Verantwortungswechsel und Systembrüche im Geschäftsprozess führen zu „Liegezeiten“:
Verantwortungswechsel sind in der Geschäftsprozesstheorie die am häufigsten genannte Ursache für Prozessverzögerungen. Der Grund dafür ist einfach: durch Verantwortungswechsel entstehen Liegezeiten, die umso problematischer werden, wenn in der Verfügbarkeit eingeschränkte Personen involviert sind. Zudem sind sie Ursache für Fehler (etwa bei Informationsdefiziten) und Doppelarbeit. Was für Schnittstellen zwischen Personen / Abteilungen gilt, gilt auch für IT Systeme: Systembrüche bedingen Redundanz, manuelle Intervention und bedeuten Aufwand im Schnittstellenmanagement etc.
Ziel  muss daher eine möglichst durchgängige, unterbrechungsfreie Prozessgestaltung sein. Voraussetzungen dafür sind:
  • Eine möglichst prozesskonforme Organisation
  • Eine Automatisierung aller Freigabe- und sonstigen Entscheidungsmechanismen (Auftragsfreigabe, Preisfindung, ..siehe Pkt. 5.)
  • Die Schaffung vollständiger Auftrags- bzw. Prozessklarheit am Beginn des Prozesses
  • Auf Systemseite nach wie vor Integration und / oder Nutzung von SOA / Web Web Services etc.

5.) Fehlende Stammdaten, Dispositions- und Entscheidungsparameter verhindern eine Automatisierung der Geschäftsprozesse:

Das Schwierige an der Automatisierung von Abläufen ist nicht die Technologie, sondern die Definition von und Einigung auf Entscheidungsalgorithmen sowie die Akzeptanz der scheinbaren „Mehrarbeit“ außerhalb des operativen Prozesses, also insbesondere die Wartung der erforderlichen Stammdaten und Steuerungstabellen. Dabei vergisst man gerne, dass dieser Initialaufwand ja vorwiegend vor Erstaufträgen (eines Kunden), vor Erstproduktionen (einer neuen Produktvariante), oder vor Erstbestellungen (neuer Lieferant) besteht und als Gegenleistung dafür bei den Folgeaufträgen der „Turbo gezündet“ werden kann. Automatisierte Verfügbarkeitsprüfung, Bestelldisposition, Stellplatzauswahl (für Ein- Auslagerung), Preisfindung (innerhalb erlaubter Limits), automatisierte Zuordnung von Zahlungskonditionen, Spediteursauswahl, Frachtkostenermittlung etc. sind das Resultat!
Voraussetzungen für automatisierte Prozesse sind damit insbesondere:
  • Ein funktionierendes Stammdatenmanagement
  • Transparente Entscheidungsalgorithmen von „akzeptabler“ Komplexität auf Basis strategischer Vorgaben

6.) Der Ausnahmefall wird zum Standard:
Ein paar Beispiele für die vom Verfasser angesprochen Ausnahmen (aus dem Prozess der Kundenauftragsabwicklung):
  • Eilaufträge (= Aufträge, deren Erfüllung eine Unterschreitung der Standarddurchlaufzeit bedeutet)
  • Auftragsänderungen (je knapper vor Auslieferung, umso schlimmer)
  • Sonderverpackungen
  • Sonderkonditionen
  • Teillieferungen
  • Kleinstaufträge
  • u.V.m.
Der Kunde wird ihnen diese Flexibilität – solange sie unbeaufschlagt bleibt – in jedem Fall danken, die Frage ist aber, ob sie sich das bei jedem Kunden – vor allem wenn es ein Kunde ist, der ohnehin nur im Ausnahmefall bei Ihnen kauft -  leisten wollen und können?
Mittel zur Reduktion derartiger Sonderfälle ist die Definition von Generic Supply Conditions und Customer Service Levels. Anhand der Kundenkategorie (zB. Segmentierung nach A / B / C) sind mit den Customer Service Levels entsprechende Konsequenzen (insbesondere Beaufschlagungen) verbunden. Voraussetzung ist eine entsprechende partnerschaftliche Kommunikation mit Kunden (und Lieferanten). Im Regelfall ist das Resultat eine Reduktion der Sonderfälle, als Konsequenz des Kostenbewußtseins ihrer Kunden.

7.) Improvisation statt systemische Bereinigung:

Unternehmen haben eine geradezu erstaunliche Fähigkeit durch Improvisation und Work Arounds Geschäftsprozesshindernisse immer wiederkehrend im Anlassfall zu lösen. Eine projekthafte Bereinigung eines Missstands würde ja zu viel Aufwand bedeuten und die Ressourcen – weil ja man ja operativ ausgelastet ist – seien dafür nicht vorhanden.
Wie auch immer man dazu (und zu den resultierenden Gefahren wie steigender Fehleranzahl, Überlastung der Organisation etc.) steht: „Prozess excellence“ ist ohne dedizierte Aufmerksamkeit und projekthafte Implementierung nicht möglich.
Übrigens ist Punkt 7.) auch typisch für stark wachsende Unternehmen, etwa die vom Kleinbetrieb zum Mittel- oder Großbetrieb werden, ohne dafür rechtzeitig die strukturellen Voraussetzungen zu schaffen.

8.) Keine saubere Trennung der Prozesse Entwicklung und Produktion:

Im Entwicklungsstadium von Produkten, bei Pilotserien etc. gelten andere Regeln: sprich die Änderungswahrscheinlichkeit ist hier sehr hoch. Überträgt man dieses Verhaltensmuster auf die reguläre Fertigung, ist man mit permanenten Änderungen von Stücklisten, Materialspezifikationen, QM – Verfahren etc. befasst, sodass sowohl der Prozessdurchlauf als auch die Prozessqualität extrem darunter leiden und ein angestrebter Automatisierungsgrad nicht erreicht werden kann.
Konsequenz dessen muss eine klare Trennung von Entwicklung und Produktion sein, ebenso eine transparente Produkterneuerungsstrategie.

9.) Geschäftsprozesse erzeugen unnötige – historisch gewachsene – Outputs:

Als Berater ist man manchmal bei Bestandsaufnahme von Geschäftsprozessen mit einer im ersten Ansatz oft undurchschaubaren Menge an In- und Outputs einzelner Prozessschritte konfrontiert. Eine konsequente I/O – Analyse legt deren Notwendigkeit ebenso offen, wie den benötigten Inhalt und die Form (manuell vs. automatisch) der Erstellung.

10.) Information steht nicht zur Verfügung:

Es stehen zwar alle Daten zur Verfügung, aber nicht in der für den Geschäftsprozess erforderlich „Informationsstruktur“ und Geschwindigkeit: Auskunft während eines Telefonats geben zu können, ist der Performanceanspruch. Geschäftsprozesskonforme, vorkonfigurierte Reports sind daher als essenzieller Teil der Geschäftsprozessoptimierung zu berücksichtigen.
Übrigens: das Monitoring der Geschäftsprozess – Performance („nur was man messen kann, kann auch nachvollziehbar besser gemacht werden“) ist eine an anderer Stelle relevante Herausforderung.

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